Kapitel 128
Altägypten – im Jahre des Herrn 373
Als Markus den steinernen Schlüssel in den kleinen Krug steckte, warf er einen letzten Blick auf dessen bearbeitete Oberfläche. Tarasios hatte ihm gesagt, in dieser liege ihre Hoffnung für die Zukunft. Sie hatten alle erdenklichen Vorkehrungen getroffen, um die Worte der Freiheit für zukünftige Zeiten zu bewahren. Der Schlüssel würde versteckt, geheim gehalten, und die Bücher, dem äußeren Anschein nach vollkommen harmlos, würden getrennt aufbewahrt. Sie würden auf den Tag ihrer Enthüllung warten.
Markus bedeckte die Öffnung des Krugs mit einem Schälchen und verschloss des Gefäß mit Bitumen, den er über dem Feuer in ihrem Hof erhitzt hatte. Er drückte das Schälchen fest auf den Rand des Krugs und versiegelte so die Schutzhülle des steinernen Schlüssels.
Dann wandte er sich um und reichte das Gefäß Tarasios.
»Das hast du gut gemacht, junger Marcianus«, lobte der ältere Mann.
Markus alias Marcianus senkte den Kopf. Er war vor einer Woche initiiert worden und musste sich noch an seinen neuen Namen gewöhnen.
»Aber nun musst du gehen. Geh so weit weg, wie du kannst. Geh nach Norden, an die Küste und dann weiter übers Meer. Such dir ein anderes Land – und vergiss deine hiesigen Brüder nicht. Wir werden bezwungen werden, aber du wirst die Bruderschaft am Leben erhalten. Du wirst dafür sorgen, dass das Wissen um unser Geheimnis nicht verloren geht.«
Tarasios presste den Krug an die Brust und drückte mit der anderen Hand Marcianus sanft die Schulter.
»Eines Tages wird unser Werk Früchte tragen, lieber Bruder. In Jahrzehnten und Jahrhunderten, wenn die Welt dafür bereit ist. Es werden andere kommen und die Namen der Brüder vor ihnen tragen. Vielleicht wird im Laufe der Jahre sogar einer deinen Namen annehmen.«
Der junge Mann blickte auf. »Und dann?«
»Wenn die Zeit gekommen ist, wird das Geheimnis ihnen helfen, die Worte zu finden, und sie werden von ihnen Gebrauch machen können. Lernen, was es für die Seele bedeutet, frei zu sein und in der Welt Frieden zu finden.«
Marcianus ließ ein Lächeln aufblitzen. »Sie werden unsere Worte finden und sie zum Schlachtruf für einen Krieg machen.«
»Ich will hoffen«, entgegnete Tarasios leise, »sie werden sie für friedliche Zwecke verwenden.« Seine Augen funkelten im Schein des Feuers. Mit väterlicher Fürsorglichkeit zog er den Schüler auf die Füße.
»Nun, junger Bruder, ist es für dich Zeit zu gehen. Möge deine Seele Befreiung finden.«
Er legte seine offene Handfläche Marcianus auf die Brust, und die beiden Männer neigten in stiller Verbundenheit die Köpfe. Dann wandte der neu Initiierte sich ohne ein weiteres Wort um und verschwand in der Dunkelheit.