Kapitel 114
FBI-Außenstelle, Chicago
»Er ist einer unserer besten Sektionschefs!« Angela Dawsons Entsetzen war deutlich spürbar. »Ich arbeite mit ihm seit Jahren zusammen. Und Sie wollen ihn als einen … einen Verräter brandmarken?«
»Wir sind die verschiedensten Optionen durchgegangen«, stellte Chris klar. »Jeder, der in der Nahrungskette über Marsh steht. Diese Liste war kurz, aber sie umfasste Ted Gallows, Alan Mayfair, Brian Smith und …« Er zögerte.
Dawsons Augen wurden schmal. Sie sah Chris direkt in die Augen. »Und mich«, vervollständigte sie an seiner Stelle die Liste.
Chris sagte nichts, erwiderte nur ihren Blick.
»Sie mussten auch mich in Betracht ziehen. Wenn Sie glauben, es gäbe einen Maulwurf so weit oben am Totempfahl, dann bin auch ich ein Kandidat.« Ihre Augen bohrten sich tief in die von Chris, während sie auf eine Bestätigung wartete.
»Das ist korrekt«, gab er endlich zu; seine Stimme war nun ein wenig leiser.
»Wie können Sie wissen, dass ich nicht immer noch an der Spitze Ihrer Liste stehen sollte?«
»Alles deutet auf Gallows«, antwortete Chris. Er führte im Detail auf, was Marsh und ihn davon überzeugt hatte. Die Stellvertretende Direktorin nahm es fast regungslos auf.
»Das sind alles nur Indizien. Bloße Verdachtsmomente«, sagte sie schließlich.
»Da ist auch noch der SWAT-Einsatz gestern«, widersprach Laura. »Gallows war mit dem ersten Team vor Ort, und ich hatte den Eindruck, er würde es direkt zu dem Raum führen, in dem sich die Bombe befand. Für mich war das so, als ob er wüsste, wohin er gehen müsste. Das passt zu dem Plan, uns in die Irre zu führen, indem man uns zu einer als Ablenkung gedachten Bombe dirigiert.«
Sie warteten auf eine Erwiderung. Dawson ging im Raum auf und ab und sah mit leerem Blick zu Boden, während sie im Kopf die Informationen verarbeitete.
Als sie schließlich aufhörte, hin und her zu marschieren, und zu sprechen begann, klang ihre Stimme entschlossen.
»Beschuldigungen wie diese baut man nicht auf Hörensagen auf, und interne Ermittlungen stehen weit oberhalb Ihrer Gehaltsstufen.« Sie blickte erst Laura und dann Chris ins Gesicht, ihre Miene eine ununterscheidbare Mischung aus Anklage, Wut und Besorgnis.
Einen Augenblick später änderte sich ihr Gesichtsausdruck. Sie hatte eine Entscheidung getroffen.
»Verdammt, es reicht aus, ihn zur Befragung einzubestellen. Und wenn Sie recht haben, bleibt keine Zeit für eine normale Ermittlung, bevor wir das tun. Wir holen ihn her und schauen, was er weiß. Sofort.«
»Wo ist er jetzt?«, fragte Laura mit spürbarer Erleichterung.
»Im Einsatz. Er führt eine der letzten routinemäßigen Massenüberprüfungen vor der Parade durch. Ich habe all unseren Teams entsprechend den üblichen Suchrastern bestimmte Abschnitte entlang der Route zugeteilt.«
»Dann müssen wir auch raus.« Chris bewegte sich bereits auf die Tür zu.
»Ich werde allen Einsatzteams Befehle wegen der neuen Bedrohung geben«, sagte Dawson und ging zum Telefon auf Lauras Schreibtisch. »Unser mutmaßliches Zielobjekt ist jetzt eine Form von schmutziger Bombe. Konzentrieren Sie sich auf die am dichtesten mit Menschen bevölkerten Areale: Plätze, Drehkreuze der Zuschauerströme. Wo immer ein freigesetztes Gift die größte Zahl Menschen treffen könnte.«
»Und auch Orte, von denen aus viele Medien berichten«, fügte Marsh hinzu. »Emily und Michael sagten, Bell habe darauf insistiert, dass die Welt sieht, wie er eine große Anzahl ihrer religiösen Führer auslöscht. Das deutet darauf hin, dass sie einen Platz mit jeder Menge Kamerateams aussuchen.«
»Sie nehmen den zentralen Platz«, merkte Dawson an. »Sie beide konzentrieren sich auf Gallows. Ich lasse das volle Kontingent an Einsatzkräften nach der Bombe suchen.« Sie hielt kurz inne. Die Worte, die ihr dann über die Lippen kamen, klangen surreal. »Wenn Gallows schon die ganze Zeit involviert ist, wird er auch am Ende mit von der Partie sein.«
»Wir schauen, dass wir so schnell wie möglich zu ihm kommen«, sagte Chris. Er wartete, bis Laura zu ihm trat, dann verließen sie gemeinsam das Büro.
Am Schreibtisch hob Angela Dawson das Telefon hoch und wies die Vermittlung an, sie mit ihren Männern vor Ort zu verbinden.