Kapitel 109

Innenstadt von Chicago

Im sanften Schein einer Kerze widmete sich Cerinthus den letzten Vorbereitungen, die zu seinem größten Werk führen würden. In seinem Arbeitsraum im Untergeschoss gab es elektrisches Licht, aber für diese Tätigkeit zog er das natürliche mystische Licht einer einzelnen Flamme vor. Er arbeitete langsam und mit Bedacht – mit tiefen Atemzügen zwischen den Zeilen des Wahrheitsgebets, das er sich ein letztes Mal vorsagte.

»Wir sind gekommen, kund zu tun, was ist und was war und was sein wird.«

Er hob die Weste mit gelenkigen Fingern hoch und inspizierte die daran befestigten Phiolen, die rundum auf der Außenseite des dünnen Stoffs festgenäht waren. Seine Augen überprüften mit wissendem Blick jede auf ihren richtigen und festen Sitz.

»Wir sind gekommen, damit die Menschen die unsichtbare Welt hinter dem, was sichtbar ist, verstehen können.«

Cerinthus schwankte leicht beim Arbeiten, der Anblick und die Worte überwältigten ihn.

Er wendete die Weste langsam und vorsichtig mit der Innenseite nach außen. Sie war innen mit dünnen Plättchen Plastiksprengstoff bedeckt, die ins Futter genäht waren. Cerinthus prüfte die Verdrahtung der C4-Päckchen und kontrollierte, dass die Stromquelle angeschlossen und die Batterie aufgeladen war.

»Jedem, der unwissend ist, mangelt es an etwas,

Und dieser Mangel ist sein schreckliches Verderben.«

Er wendete die Weste erneut. Dann stellte sich Cerinthus locker hin und ließ sie über seine Schultern und den Oberkörper gleiten. Er schloss vier Schnallen, die er auf der Außenseite angenäht hatte. Die Weste war leicht. Eine Schnur, an deren Ende der Auslöser befestigt war, baumelte an der rechten Seite herunter.

Die fünfundzwanzig Phiolen mit giftigen Chemikalien würden eng an seiner Brust anliegen, vor den Blicken anderer verborgen bis zu dem Augenblick, wenn sie freigesetzt wurden und die Menschenmenge ihnen ausgesetzt war. Der Tod, den sie brachten, würde qualvoll und schmerzhaft sein: ausgenommen natürlich für jene, die für die Erlösung aus dieser stofflichen Welt bereit waren – bereit durch die heiligen Worte, die endlich enthüllt worden waren und dann von der großen Versammlung der Bruderschaft gesprochen würden. Ihr Ende würde friedlich, erlösend, frei sein.

Der FBI-Kontakt hatte sich bereits zum allerletzten Mal gemeldet. »Die Irreführung funktioniert nach wie vor«, hatte der Bericht gelautet. »Ich werde weiter dafür sorgen, dass sie nicht sehen, was ihnen wirklich bevorsteht. Sicherzustellen, dass du Handlungsfreiheit hast, wird mein letztes Opfer sein.«

Cerinthus’ Herz war nun voller Frieden. Er war Zeuge des Endes von allem gewesen. Nun würde er Zeuge der Geburt des neuen Lebens sein.

»Denn der unwissenden Welt fehlt das, was sie vollkommen machen würde –

Aber dies werden wir ihr geben.«

In andächtigem Ton setzte er noch seine eigene Abwandlung des antiken Texts hinzu.

»Nein, dies werde ich ihr geben.«

Cerinthus schritt auf die Tür zu.

Der verborgene Schlüssel
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