Kapitel 93
FBI-Außenstelle, Chicago
Als Chris sich das Mobiltelefon ans Ohr hielt, wurde der frustrierte Ausdruck in seinem Gesicht noch stärker. Im Laufe der vergangenen fünfzehn Minuten hatte er drei Mal Emily und fünf Mal Michael zu erreichen versucht – stets mit dem gleichen enttäuschenden Ergebnis: Es schaltete sich sofort die Mailbox ein. Er hatte schon bei beiden Nummern kurze Nachrichten hinterlassen. Sie sollten sich so bald wie möglich bei ihm melden.
»Michael«, begann er, sobald die automatische Ansage mit dem Piep geendet hatte, »ich bin’s noch mal. Ruf sofort an, wenn du das hörst. Hab nichts von dir gehört, und wir haben hier ein ernstes Problem.« Er marschierte beim Sprechen auf und ab, denn er war nicht sicher, wie viel er sagen sollte, da seine Nachricht ja aufgezeichnet wurde.
»Arthur Bell ist der Mann hinter der Attentatsdrohung hier in Chicago. Ich weiß nicht, was ihr über ihn herausgefunden habt oder ob ihr ihn nach wie vor verfolgt, aber seid vorsichtig. Er steht an der Spitze einer religiösen Sekte, und die Tatsache, dass er uns umzubringen versuchte, kommt dem, was er hier vorhat, nicht einmal ansatzweise nahe.«
Chris klopfte mit den Fingerknöcheln an die Wand. Sein Gespräch mit Ted Gallows hatte ihn zutiefst beunruhigt, ihm aber auch die Gewissheit vermittelt, dass Michael und Emily einen Mann verfolgten, der weitaus gefährlicher war, als sie gedacht hatten.
Er sprach nun schneller. »Wir machen Hintergrundrecherchen über Bells Kirche der …«
Ein lang gezogener Ton schnitt ihm das Wort ab.
»Gott verdammt noch mal!«, rief Chris, presste den Daumen auf die Ausschalttaste seines Telefons und schob es in die Tasche. Michael sollte ihm endlich antworten. Er und Emily hatten sich schon viel zu lange nicht bei ihm gemeldet …
Er holte tief Luft, schob den Gedanken beiseite und lief von Neuem auf und ab.
Nach einigen Schritten erreichte Chris das letzte Büro auf dem Flur und drehte sich um die eigene Achse, um wieder zurückzumarschieren. Bei der Kehrtwendung fiel sein Blick auf das Schild neben der Bürotür, und er hielt inne. Auf dem Schild stand »Special Agent Laura Marsh«. Der Name trieb Chris’ Gedanken an einen ganz anderen Ort.
Er hatte sofort gewusst, dass er sie wiedersehen würde, als der Anruf aus Chicago ihn in Ägypten erreicht hatte, und dieses Wissen war eines der wenigen Dinge gewesen, das die unerwartete Reise für ihn reizvoll machte. Es mit Tragödien und Notfällen zu tun zu haben war vertrautes Terrain. Doch Laura zu sehen war wirklich ein großer Trost.
So viele Möglichkeiten nicht ausprobiert. Dinge, von denen ich wünschte, ich hätte sie gesagt und getan … schon vor ewig langer Zeit. Er griff nach dem Türknauf. Aber heute – keine Chance, das zu ändern.
Chris holte tief Luft, klopfte und streckte den Kopf durch den Türspalt.