Kapitel 12
Al-Bukamal, Irak
An der Nordostecke des kleinen Güterbahnhofs von al-Bukamal, in der Nähe des auf irakischem Gebiet gelegenen amerikanischen Luftwaffenstützpunkts al-Asad, fuhr ein kleiner Van auf das Gelände und wand sich durch die engen Gassen zwischen den Frachtcontainern und Transportkisten. Der Wagen bewegte sich langsam, aber zielgerichtet, der Fahrer kannte die Strecke genau.
Zwei Minuten später kam der Van am anderen Ende des Güterbahnhofs zum Stehen – vor einem Mann mit kaffeebrauner Hautfarbe, der genau verfolgt hatte, wie der Wagen näher gekommen war.
Ebion sah zu, wie der Fahrer ausstieg. Sein Gefährte war pünktlich.
»Du hast es geschafft«, stellte er lapidar fest.
Der Fahrer trug Freizeitkleidung, seine blonden Haare waren im Crew-Stil geschnitten und seine Gesichtszüge kantig. Er schüttelte Ebions Hand mit festem, kräftigem und gewichtigem Griff, um zu zeigen, dass diese Begrüßungsgeste mehr darstellte als eine reine Formalität. Dann deutete er mit dem Kopf auf den metallenen Transportbehälter zu Ebions Füßen.
»Alles in Ordnung?«
»Genau wie du es haben wolltest. Der Apparat ist in der kleineren Innenbox verpackt, und die Dinge außen herum sind die üblichen Habseligkeiten, so wie du es gewünscht hast.«
Um die Kiste mit dem Apparat, die nur dreißig mal sechzig mal vierzig Zentimeter maß, waren Feldflaschen, Kochgeschirr, Kleidung, Werkzeug und verschiedene andere Dinge verstaut, die ein Soldat bei der Rückkehr von einer langen Stationierung im Ausland üblicherweise mit sich führte.
»Und der innere Behälter?«
»Ausgekleidet, wie du es verlangt hast. Einem starken Hightech-Scanner wird die Kiste nicht standhalten, aber im Inneren steckt genug Blei, um normale Röntgenstrahlen abzulenken.«
»Sie muss auch nichts Stärkerem standhalten«, erwiderte der Soldat. »Meine Siebensachen werden mich später auf dem Truppentransport begleiten. In der Maschine sind nur wir, alles Militärs. Es würde mich wundern, wenn sie überhaupt geröntgt wird.«
»Wenn der äußere Behälter geöffnet wird, sieht das Gehäuse des Apparats genau wie eine normale Versorgungskiste aus Metall aus. Sie dürfte also keine Aufmerksamkeit erregen. Aber wenn jemand das Ding öffnet …« Ebion ließ den Rest des Satzes offen.
»Der Plan wird so oder so funktionieren, ob ich es nun nach Chicago schaffe oder nicht. Du und ich, wir beide wissen das.«
»Natürlich.« Ebion bewunderte die Ergebenheit des Soldaten. Auch er war ein treuer Anhänger.
Als die Details abgewickelt waren, luden die beiden Männer die Kiste in den Van. Dann ging der Soldat zur Fahrertür, er war zur Abreise bereit. Dort drehte er sich noch einmal zu Ebion um und musterte dessen traditionelle Kleidung und den erst kürzlich gewachsenen Bart, der kurz, hellbraun und auf die übliche Weise getrimmt war.
»Ich will verdammt sein, wenn du nicht wie so ein verfluchter Iraker ausschaust«, murmelte er lächelnd.
Ebion freute sich über die Bemerkung. Als einer der wenigen Mitglieder ihrer Bewegung, die sich in der weltabgewandten Kultur des Nahen Ostens – oder des ›Antiken Asia Minor‹, wie die Brüder diese Region auch nannten – zu Hause fühlten, war er für diese Mission auf einzigartige Weise qualifiziert. Zwar besaß er einen amerikanischen Pass und betrachtete sich nicht als Iraker, doch er entstammte einer Mischehe und hatte sich seit jeher der Heimat seiner Mutter verbunden gefühlt. Dass diese Verbindung nun zum Wohle ihrer Sache genutzt werden konnte, war die Bestätigung, dass sein Leben einem höheren Ziel geweiht war.
Den Apparat nach den genauen Spezifikationen anzufertigen hatte Ebion große Mühe gekostet. Nur dank der Arbeit vor Ort, die Einheimische leisteten – Personen, die mehr über die anti-amerikanische Szenerie im Irak wussten als er –, hatte sich die Möglichkeit ergeben, im Vorhinein Kontakte mit den richtigen Leuten zu knüpfen. Bei der Apparatur waren nun die Uhr und der Zündmechanismus in ein gusseisernes Gehäuse integriert, das zwei leere Zylinder von leicht unterschiedlicher Größe enthielt, um die jeweils richtige Menge an energiegeladenen Mischungen aufzunehmen, die bereits auf der anderen Seite des Ozeans warteten. Alle Bestandteile waren aus den gleichen Materialien erbaut worden, stammten von denselben regionalen Lieferanten wie die beiden Apparate, die erst vor Kurzem in dem instabilen Gouvernement Diyala zum Einsatz gekommen waren. Er hatte es sogar geschafft, einen der Männer aufzutreiben, die diese Geräte gebaut hatten, und ihn anzustellen, damit der Mechanismus für seine eigene Apparatur eine erkennbare Ähnlichkeit besaß. Das war ein hochwichtiger Aspekt, und Ebion war zufrieden, dass er dies zuwege gebracht hatte.
Die Montageanweisungen, die man auf verschiedene Elemente des Apparats gekritzelt hatte, waren außerdem in regionalem Arabisch verfasst, was ebenfalls wichtig war. Denn dadurch wurde sichergestellt, dass bestimmte kulturelle Verbindungen deutlich erkennbar waren, was ihrer Sache dienlich sein würde.
»Unser Ausgang endet in zwei Stunden«, sagte der Soldat und stieg in den Wagen. »Der Transport hebt neunzig Minuten später ab.«
»Dann gute Reise und viel Glück.« Ebion streckte den Arm durch das Seitenfenster, nahm nochmals die Hand des Gefährten und schüttelte sie in aufrichtiger Bewunderung.
Der Soldat erwiderte den Blick, mit einem Mal nachdenklich. Der Motor des Vans sprang an.
»Hast du das Video gesehen?«
»Aber klar doch«, antwortete Ebion. »Ich hab es mir heute Morgen online angeschaut. Vom echten fast nicht zu unterscheiden.«
»Die werden sich zu Hause in die Hose machen. Ich hab gehört, die Regierung nimmt die Sache ernst.«
Ebion nickte nur.
»Es ist vollkommen.«