Kapitel 102
Tribune Tower, Chicago
Die Videoaufzeichnung der Überwachsungskameras in der Stadt machte es erforderlich, dass Chris und Laura ihre unmittelbaren Prioritäten änderten. Die Enthüllung, dass eine Gruppe von vier unbekannten Personen vor wenigen Stunden den Tribune Tower betreten und dabei etwas mit sich geführt hatte, bei dem es sich leicht um eine Bombe handeln konnte, brachte die Einsatzkräfte des FBI in Bewegung.
Für die Operation erhielten zwei SWAT-Einheiten den Marschbefehl, und kurz darauf, nach einer zügigen Fahrt zum Einsatzort, befanden sie sich im Erdgeschoss des Tribune Towers. Die Stellvertretende Direktorin leitete die Operation von einem provisorischen Kommandostand an der Tür aus und gab über ihr digitales Headset unaufhörlich Anweisungen. Das erste Team würde als Kampftruppe den Raum besetzen und die Personen darin unschädlich machen, welche Mittel dazu auch immer nötig wären. Das zweite Team, dem sich Marsh und Chris angeschlossen hatten, würde reingehen, sobald der Raum gesäubert war, um den Apparat zu beurteilen und zu entschärfen. Mit dabei waren auch zwei Sprengstoffexperten sowie ein Versorgungsteam mit Materialien zur Handhabung eines jeden nur erdenklichen Sprengstofftyps, das draußen stationiert war. Sie würden auf alles vorbereitet sein.
Ted Gallows hatte sich zur Nachhut des ersten SWAT-Kontingents begeben und folgte ihr mit einigen Schritten Abstand, während die äußerst sachkundigen Agenten das Erdgeschoss durchkämmten und jeden Raum klarmachten. Gallows war überzeugt, dass der wahrscheinlichste Standort für eine Bombe sich auf Gehsteigniveau, zur Straßenseite und auf die Mile hinaus befinden würde, wo die Menschenmassen morgen Früh am dichtesten wären. Der Einsatztrupp hatte demzufolge an der anderen Seite des Gebäudes begonnen und sich langsam durch die riesigen Räumlichkeiten vorgearbeitet, bis er den Flur erreichte, der zu den an der Straße gelegenen Läden führte. Das Team stand nun vor der Tür des letzten noch verbliebenen Raums: eines Lagers, das nach ihrem Plan eigentlich ein leer stehendes Ladengeschäft war.
Die Überwachungskameras, die dem Team normalerweise eine Sichtbestätigung für das Innere gegeben hätten, waren hier außer Betrieb gesetzt worden.
Der Chef der ersten SWAT-Einheit sprach beinahe tonlos in sein Halsmikro, das die Schwingungen seiner Stimmbänder aufnahm und sie als perfekt verständliche Töne in die Ohren der ganzen Crew übertrug.
»Wir gehen auf mein Zeichen rein. Das übliche taktische Vorgehen. Aufstellung der Ziele unbekannt. Möglicher Apparat zuletzt bei nicht arabischem Mann gesehen. Jegliche Bedrohung sofort ausschalten.«
Chris hörte die Anweisung in seinem Headset. Er war zu seiner Zeit bei vielen taktischen Operationen dabei gewesen, aber nichts konnte die Spannung mindern, die jedes Mal in ihm aufkam, kurz bevor der Startbefehl gegeben wurde und ein Einsatzkommando des FBI losstürmte.
Er blickte über den Flur zu Marsh, deren Gesichtszüge die gleiche Erwartung zeigten. Was ihren Verdacht einer globalen Verschwörung anbelangte, so sah es mehr und mehr danach aus, als wäre dieser erst etwas für die Nachbesprechung. Der Einsatz ging mit der gebührenden Sorgfalt vonstatten. Die Bombe würde man sicher entschärfen, ehe die Parade überhaupt begann.