Kapitel 11

Hays Mews, London

»Mehr, als für das Auge sichtbar ist?«, fragte Michael. »Emily, ich bin nicht sicher, ob ich weiß, was du meinst.« Allmählich hielt er es für wahrscheinlich, dass der Kummer ihr Denkvermögen trübte.

Doch Emily klammerte sich an diesen Gedanken und die damit verbundenen Möglichkeiten. Vielleicht würde sie ja durch die Beschäftigung mit dieser brennenden Frage wenigstens zeitweise eine Erholung von dem Aufruhr der Gefühle finden, der sie an diesem Morgen heimgesucht hatte.

»Es waren zwei Männer hier, Mike«, sagte sie und wischte sich die Wangen trocken. »Ich habe das meiste von dem gehört, was sie im Büro sprachen. Und der eine fragte den anderen, ob das Manuskript eine Karte sei. Er betonte, dass es nicht wie eine Karte aussah.«

»Ein Irrtum«, wiederholte Michael.

»Es ist aber so: Der andere war davon überzeugt, genau das gefunden zu haben, was er suchte. Er wusste, dass er auf einen Text blickte, doch er sah darin etwas anderes.«

Michael stieß hörbar die Luft aus, als er erkannte, worauf sie hinauswollte. »Mehr, als für das Auge sichtbar ist …«

»Genau.« Emily hielt inne und sammelte sich, dann setzte sie sich auf. »Mike, ich weiß nicht genau, was das bedeutet, wenn es denn überhaupt irgendetwas bedeutet. Aber eines glaube ich nicht: dass Andrew bei einem Einbruch getötet worden ist, den Verbrecher verübt haben, die einfach aufs Geratewohl in irgendein Haus eingestiegen sind, oder dass die Diebe das falsche Dokument gestohlen haben.«

»Emily, ich weiß, es ist schrecklich. Ich hab ihn auch geliebt, aber …«

»Nein!« Emily sprang auf, als sie das Wort fast wie einen Schrei ausstieß.

Michael verfiel in Schweigen, völlig verblüfft darüber, mit welcher Heftigkeit Emily plötzlich reagierte.

»Ich werde das nicht akzeptieren«, erklärte sie. Ihre Stimme war jetzt ruhiger, aber dafür stiegen ihr wieder die Tränen in die Augen. »Ich akzeptiere es nicht. Hier geht mehr vor. Andrew ist nicht wegen nichts gestorben.«

Ihr Mann saß schweigend da. Er konnte Emilys Kummer nicht verurteilen, aber er hatte das Gefühl, dieser verleite sie zu irrationalen Schlussfolgerungen. »Em, selbst wenn du recht hättest, dass an dem Manuskript mehr dran ist als nur der Text, der darauf zu sehen ist – was für einen Unterschied würde das machen? Diese Männer wollten ihre ›Karte‹, und die haben sie bekommen.«

Emily schien länger auf ihn herabzustarren als nur die wenigen Sekunden, die ihr Schweigen tatsächlich dauerte, bevor sie mit zwei ruhigen, festen Worten antwortete: »Nicht ganz.«

Michael runzelte die Stirn. Anstatt sich näher zu erklären, drehte Emily sich um und ging weg. Es war Zeit, ihrem Mann eine Information mitzuteilen, die sie den Ermittlern vorenthalten hatte. Sie schritt zu einem Sekretär an der Wand, zog eine kleine Schublade auf und nahm eine gepolsterte Mappe heraus. Dann kehrte sie zur Couch zurück und blieb vor Michael stehen.

»Was diese Männer offenbar nicht merkten, ist, dass das Dokument, hinter dem sie her waren, nicht nur eine Seite lang ist. Es umfasst zwei Seiten. Und die zweite Seite ist die hier.«

Der verborgene Schlüssel
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