Kapitel 18
Montelaguardia, Italien, im Jahre des Herrn 1756
»Was meinst du damit – du hast es niedergeschrieben?«, fragte Talano ungläubig. »Wie kannst du etwas niederschreiben, von dem du weißt, dass es niemals niedergeschrieben werden darf?«
»Sorge dich nicht, Bruder«, antwortete Mario. »Es ist nicht so geschrieben, wie du denkst.«
Sein Landsmann war nicht befriedigt.
»Seit beinahe vierzig Generationen ist dieses Wissen nur von Mund zu Mund weitergegeben worden. In unserer Erinnerung heilig gehalten worden. In der nicht niedergeschriebenen Erinnerung. Wer bist du, dass du das ändern darfst?«
»Wer ich bin?«, entgegnete Mario Terageste nachdenklich. »Ich bin niemand, nur eine Seele, die, genau wie du, Freiheit sucht. Aber unser Freisein ist mit jedem Tag, der vergeht, immer weniger sicher.«
»Wir werden überleben.«
»Du bist schon immer ein Optimist gewesen, Talano.« Mario lächelte ihn an. »Ich, ich habe stets die Alchemie bevorzugt – und eine gute Portion Realitätssinn.«
Sein Mit-Wissender blickte hinab auf das seltsame Gebräu, das Mario in einer großen Kupferschüssel angerührt hatte. Funkelnde Tupfer der Mineralien, die er zermahlen und vorbereitet hatte, schimmerten noch in dem Mörser, der in der Nähe stand.
»Glaubst du wirklich, dass man das, was du aufgeschrieben hast, nicht entdecken wird?« Talano war besorgt und wollte beruhigt werden. »Falls das geschieht, könnte jeder den Weg finden … vor der angekündigten Zeit. Vor dem Ende.«
Mario hielt ein altes Pergamentblatt hoch. »Sag mir, was du siehst, Bruder!«
Talano betrachtete das Blatt genau. »Warum machst du dich über mich lustig?«, fragte er. Das Blatt, das Mario in Händen hielt, war leer. »Ich sehe nichts.«
»Dann wird auch sonst keiner etwas sehen«, gab Mario lächelnd zurück.
Er legte das Pergament nieder, ging zu seinem Schreibtisch und entnahm ihm eine Kladde mit Ledereinband, in der er seine Notizen festhielt.
»Die Mittel zur Enthüllung meines Werks werde ich hier drin aufschreiben. Das wird unser Vermächtnis sein, lieber Bruder. Wieder einmal wird unsere Bruderschaft stark verfolgt, und wieder einmal wird die Zukunft gesichert sein.«
Talano prüfte weiter das Blatt, er war immer noch besorgt.
»Jetzt ist die Reihe an dir«, fuhr Mario fort. »Die Karte benötigt eine Tarnung.«
Er schritt durch den Raum und reichte Talano eine Feder und ein Tintenfass.
»Was weißt du über die Katharer?«