Kapitel 95

FBI-Außenstelle, Chicago

Laura stand auf, um Chris zu begrüßen, als er ihr Büro betrat. Sie ging um ihren Schreibtisch herum, die Arme bereits ausgebreitet. Doch dann beherrschte sie sich. Sie streckte stattdessen die rechte Hand aus, nahm die von Chris und schüttelte sie.

Chris erwiderte den Händedruck, wobei er den förmlichen Charakter dieser Geste überbetonte. »Chicago ist gut zu Ihnen gewesen. Ihr eigenes Büro.« Er sah zu, wie sie zu ihrem Schreibtisch zurückkehrte, dann setzte er sich auf einen Stuhl ihr gegenüber.

»Mehr Privatsphäre, mehr Verantwortung«, antwortete sie. Sie hatte erst wenige Monate zuvor ein eigenes Büro bekommen.

Chris ließ seine Augen lange auf Laura Marsh ruhen. Wenn sie nicht beide darin gefangen gewesen wären, hätte das Schwei-gen seltsam gewirkt. Die unleugbare Anziehung zwischen ihnen während der wenigen Monate, die sie zusammen in der Außenstelle Chicago verbracht hatten, war eine offene Frage geblieben, da ihre Beziehung durch seine Versetzung unterbrochen worden war, bevor sie sich hatte vertiefen können.

»Es tut mir leid, dass ich so lange gebraucht habe, um herzukommen«, sagte er schließlich. »Ich erhielt den Anruf in einem Ort namens Assiut. Um von Ägypten nach O’Hare zu kommen, musste ich einige Male umsteigen.«

»Ich habe mich darum bemüht, Sie hier zu haben.« Laura erkannte die Zweideutigkeit des Satzes und zwang sich, ein wenig gerader auf ihrem Stuhl zu sitzen. »Wir benötigen Ihre Fachkenntnisse.«

»Sie stehen Ihnen zur Verfügung. Gallows hat mich auf dem Weg hierher gebrieft, und ich bin nun auf dem gleichen Informationsstand wie Sie. Es sieht nicht gut aus.« Er war immer noch frustriert wegen des Wortwechsels mit dem Sektionschef.

»Nein, das ist wahr.«

»Was ist Ihr Schwerpunkt bei dieser Operation?«, erkundigte sich Chris. »Sie sind offensichtlich nicht bei den Einsatzteams, die draußen auf der Suche sind.«

Die Frage brachte Laura zurück zu den unangenehmen Dingen, die sie den ganzen Morgen hindurch beschäftigt hatten. Der Verlust eines Menschenlebens hier im Haus, die sonderbare Richtung ihrer Spuren, die ungute Anspannung in ihrer Brust.

»Chris«, sagte sie und beugte sich vor, »Sie kommen von draußen, und das bedeutet, dass Sie der Einzige sind, mit dem ich über die Spur sprechen kann, die ich verfolgt habe.«

»Ich? Sie haben doch Ihr ganzes Team.«

Sie überging seinen Einwurf. »Ich habe an der internationalen Dimension des Falles gearbeitet, und es gibt da ein großes Problem mit unseren Informationen. Ein Problem, über das keiner spricht.«

Auf einmal waren all die Witzeleien und Flirtgefühle aus seinem Bewusstsein verschwunden, und Chris merkte, wie sich seine Gesichtshaut anspannte. Sein eigenes Problem, der Frust über Ted Gallows und den Bürokratismus der internen Hierarchie, hatte mit der internationalen Dimension des Falls zu tun. Arthur Bell. Ägypten. Kairo. Konnte Laura das möglicherweise schon wissen?

»Ich habe nicht gedacht, dass das sonst noch jemand weiß«, sagte er.

Laura sah überrascht zu ihm auf. »Was weiß?«

Chris rutschte hin und her. »Mir wurde mit Nachdruck gesagt, dass dies nicht allgemein bekannt werden dürfte.«

Ohne zu wissen, wie es geschehen war, stellte Laura fest, dass sie sich erhoben hatte.

»Was genau soll nicht allgemein bekannt werden? Wovon reden Sie, Chris?«

Er zögerte, aber er musste das, was er wusste, noch mit jemand anderem als Gallows teilen, und Laura Marsh war eine Agentin, der er vertrauen konnte. Das reichte ihm, und so begann er zu erzählen.

Laura hörte ihm mit weit aufgerissenen Augen atemlos zu. Chris berichtete von seinen Erlebnissen in Ägypten mit Michael und Emily, seiner Begegnung mit Arthur Bell, der Entdeckung des steinernen Schlüssels und der augenblicklichen Absicht seiner Freunde, Bell nach Kairo zu folgen.

Erst als Chris mit seiner ganzen Geschichte fertig war, machte Marsh den Mund auf. »Mein Gott, ich habe gewusst, im Ausland geht was ab, und zwar nicht nur im Irak.«

Die Geschehnisse ihres eigenen Arbeitstages fügten sich langsam zusammen, bestätigten ihre instinktiven Vorahnungen und malten ein noch viel schlimmeres Bild. Ihr wurde klar, dass sie ihm von dem Geschehen am Morgen erzählen musste.

»Chris, da ist noch etwas, das ich Ihnen sagen muss. Etwas, das viel näher dem eigenen Zuhause ist – etwas, das ich nur Ihnen erzählen kann.«

Er wartete, und Laura Marsh zog ihn rückhaltlos ins Vertrauen.

»Einer unserer Agenten ist umgebracht worden. Und es war jemand hier im Büro, der für mich gearbeitet hat.«

Der verborgene Schlüssel
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