Kapitel 85
Koptisches Museum, Kairo
Marcianus beaufsichtigte wie ein beschützender Vater die Arbeit seiner Brüder. Ihr Handeln war so viele Jahre lang geplant worden. Sie nun vor seinen Augen versammelt zu sehen war schier überwältigend.
Die Oberfläche einer der langen Glasvitrinen im Saal war mit einem weißen Tuch bedeckt worden, auf dem nach und nach die notwendigen Materialien ausgebreitet wurden. Der Textexperte hatte Codex II gefunden, der das Thomasevangelium enthielt, und der zweite Traktat lag nun auf der provisorischen Arbeitsfläche mit der ersten Seite aufgeschlagen vor ihm.
Zu seiner Rechten standen drei Schalen, um die herum zahlreiche Flaschen und Phiolen standen, welche die Gruppe aus der angemieteten Wohnung mitgebracht hatte. Sie hatten mehr dabei, als nötig sein würde. Doch bevor die Anweisungen für die Lösungen nicht vollständig entschlüsselt waren, konnten sie nicht genau absehen, was sie alles brauchen würden.
Während der Übersetzer nacheinander die Ingredienzen bekannt gab, wählte der Chemiker die entsprechenden Gefäße aus. Die Zahlen, die nach jeder Zutat folgten, gaben die Anteile im Verhältnis an; der Chemiker hatte sich für Einheiten von zwanzig Millilitern entschieden. Wenn er eine Ingredienz gefunden hatte, schüttete er die exakt abgemessenen Anteile in die dafür vorgesehene Schale. Das Hauptbindemittel würde ein Gemisch aus Wasser und Palmöl sein, die zu gleich großen Teilen eingesetzt werden mussten und dafür schon bereitstanden.
Schnell nahmen die drei Lösungen Gestalt an, Schöpflöffel für Schöpflöffel und Tropfen für Tropfen. Sie enthielten nun alles – bis auf jene Ingredienzen, die sie vor ihrem Eintreffen im Museum noch nicht hatten entschlüsseln können.
Der Chemiker wandte sich an den Übersetzer. »Ich brauche den Rest.«
Der Übersetzer nickte und schritt zum anderen Ende des Tisches. Dort hatte einer der Brüder Codex I auf der ersten der beiden Seiten aufgeschlagen, die im Internet nicht zu finden waren. Daneben lag der steinerne Schlüssel und neben diesem ein leeres Blatt Papier. Marcianus blieb in der Nähe.
»Nenne die restlichen Ingredienzen laut, sobald du sie entschlüsselt hast«, wies er den Übersetzer an. »Es sollten nicht mehr als zehn oder zwölf sein.«