Kapitel 103
Tribune Tower, Chicago
Mit einer einfachen Handbewegung gab der Leiter des SWAT-Kommandos den Befehl zum Angriff, und die Stürmung von Raum SC-118 begann.
Nachdem eine kleine Stahlramme den Schnappverschluss zerstört hatte, drängte das Sechs-Mann-Team durch die Tür in das Lager. Der große Raum war nahezu leer, wenngleich an mehreren Stellen, hauptsächlich entlang der Wände, Kisten und Schachteln gestapelt waren.
Sie hatten sich still herangepirscht, um die Gruppe im Innern nicht vorzuwarnen. Doch als Erstes fiel dem Teamleiter auf, dass die vier bereits in einer Art Formation aufgestellt waren. In seinem unmittelbaren Gesichtsfeld, hinter Kisten beidseits der Tür, befanden sich zwei Männer. An der gegenüberliegenden Wand stand ein weiterer Mann. Die Frau konnte er nicht sehen.
Die Gruppe war auf einen Angriff gefasst.
Bei den ersten Geräuschen der eindringenden SWAT-Einheit gingen die beiden Araber auf ihren Posten sofort in Alarmbereitschaft und hoben die vollautomatischen MP5, die sie sich seitlich umgehängt hatten. Sie schienen nur allzu gern bereit, für ihre Sache im Kampf zu sterben.
Die professionelle, effiziente Vorgehensweise des Spezialkommandos war jedoch sogar für derart engagierte Gegner zu viel. Die Munition aus den M4-Karabinern der Agenten schlug durch die Verpackungskisten, als ob sie gar nicht da wären, und durchbohrte die Männer, die zu beiden Seiten des Eingangs standen. Bevor der erste Vorstoß durch die Tür zu Ende war, lagen beide Araber tot auf dem Boden, und von ihrem Platz hinter den Kisten breiteten sich langsam rote Blutlachen aus.
»Rechts säubern!«, rief ein Teammitglied. Zwei Mann bewegten sich nach rechts und klärten den Raum hinter jedem Kistenstapel.
Der Teamleiter hielt seine Waffe auf den Mann am anderen Ende des Raums gerichtet. Dort war die Straßenseite, und neben dem Mann befand sich eine Kiste, auf der etwas stand, das ganz eindeutig nach einer Bombe aussah.
»Rechts sauber!«, wurde gerufen.
»Links säubern!«
Ein Duo bewegte sich nach links, so wie zuvor ihre Kollegen auf der anderen Seite.
»Wir haben die Frau noch nicht gefunden!«, rief der Teamleiter, ohne die Waffe von dem dritten Mann zu nehmen.
Gerade als er dies gesagt hatte, kam ein Schrei aus einer Ecke zu seiner Linken. Bevor er noch die Haare der Frau sah, hörte er ihre Schüsse: die raschen, unregelmäßigen Explosionen einer Pistole, die abgeschossen wurde, so schnell es die Finger zuließen. Alle Agenten im Raum duckten sich geübt zur Seite weg, sodass sie zu beweglichen Zielen wurden. Der Teamleiter ging in die Hocke, nach wie vor entschlossen, den dritten Mann nicht aus dem Blick zu lassen.
»Mann am Boden!«, schrie ein Agent.
»Sie ist in der Südwestecke!«
Die Aufmerksamkeit des Teams konzentrierte sich auf die Ecke und den hohen Kistenstapel, hinter dem die Frau Deckung gesucht hatte und weiter schoss.
Mit mehreren Gesten gab der SWAT-Leiter seine Anweisungen. Zwei Mann nahmen die Kartons von vorn unter konzentrierten Beschuss und hielten dem unablässigen Feuer der Frau stand. Ein dritter Mann beugte sich zu dem Agenten hinunter, der eine Kugel in die Schulter abbekommen hatte, und zog ihn aus der Schusslinie. Ein vierter schritt still seitwärts, um nach rechts und außer Sicht zu gelangen.
»Es ist vorbei! Geben Sie auf und werfen Sie die Waffe weg!«, rief einer der Agenten zwischen den Kugelsalven.
Die Frau antwortete darauf nur mit einem animalischen, gutturalen Schrei und den restlichen Kugeln ihres Magazins. Als sie nachladen wollte, hörte sie das letzte Geräusch, das ihre Ohren jemals erreichen sollte. Von der anderen Seite des Raums aus feuerte der versteckte SWAT-Agent in schneller Folge zwei Schüsse ab. Der erste traf sie in die Schläfe, der zweite in die Wange. Die Frau war auf der Stelle tot.
»Säubern!«, rief der Mann.
Die Agenten gingen um die Kisten herum und stellten sicher, dass dort nicht noch jemand war.
»Sauber!«
Nach dieser Bestätigung wandte sich die Aufmerksamkeit aller dem dritten und letzten Mann zu, der immer noch neben dem Apparat stand, ohne seine ursprüngliche Position verändert zu haben. Der Chef des Spezialkommandos richtete sich zu seiner vollen Größe auf, die Stirn des Mannes direkt im Blick.
»Gehen Sie von der Bombe weg!«, befahl er. Der Mann rührte sich nicht. »Sprechen Sie Englisch? Weg von der Bombe, oder ich blase Ihnen Ihren verdammten Kopf weg.«
»Ich spreche Englisch«, antwortete der Mann. »Das ist ein Missverständnis. Ich bin Soldat.«
Der Chef der Einsatztruppe zuckte kurz zusammen. Ein Soldat?
»Ich bin Staff Sergeant in der Armee.« Die Augen des Mannes hatten sich förmlich in die des Agenten gebohrt.
»Ist mir egal«, antwortete der FBI-Mann. Militär oder nicht, er hatte gesehen, wie der Mann mit den anderen dreien das Gebäude betreten hatte.
»Sie müssen das verstehen«, fuhr der Sergeant fort und setzte zu einem Schritt nach vorn an. »Ich bin nu-«
»Keine weitere Bewegung!«
Die Waffen der anderen Agenten waren auf den Mann gerichtet.
»Es ist nicht so, wie Sie denken, verstehen Sie?«, sagte der Soldat. Er bewegte sich weiterhin nach vorn.
Genau da entdeckte ein Agent zu seiner Rechten den Griff einer Waffe unter einer Tasche, die auf einer Kiste nur zwei Schritt von dem Mann entfernt lag. Das Ziel seiner Bewegungen war mit einem Mal klar.
»Waffe!«, rief der Agent.
Der SWAT-Leiter konnte keine Waffe sehen, aber er hatte vollstes Vertrauen in seine Männer. Was er nicht zu sehen vermochte, konnte sein Team sehen. Als der Ruf erscholl, drückte er mit dem Finger den Abzug durch und jagte dem Soldaten zwei Schüsse in die Brust.
Staff Sergeant Paul Johnson, seinen Brüdern bekannt als Ammon, stürzte nur einen Meter von dem Apparat entfernt, den er um die halbe Welt transportiert hatte, zu Boden.
»Das sind alle«, sagte der Chef des Spezialkommandos einen Augenblick später, nachdem er sich vergewissert hatte, dass der Mann tot war. »Alles klar. Holt das zweite Team rein.«
Die zweite SWAT-Einheit kam mit den beiden Sprengstoffexperten in den Raum, Chris Taylor und Laura Marsh folgten ihnen. Ted Gallows war ebenfalls bereits eingetreten.
»Kümmern Sie sich um die Bombe!«, befahl Gallows und deutete auf den Apparat, dem sich die zwei Experten nun näherten. »Machen Sie alles, was nötig ist, damit das Ding entschärft wird.«