Kapitel 121
Magnificent Mile, Chicago
Emily riss Michael das Funkgerät aus der Tasche, doch der ihr nicht vertraute Apparat war auf die Schnelle zu kompliziert. Sie tauschte ihn gegen ihr Blackberry aus, suchte nach Chris’ Telefonnummer und hielt sich das Handy ans Ohr.
»Chris!« Emily haspelte die Worte hervor. »Es passiert genau in diesem Augenblick.«
»Um Himmels willen, Emily, das weiß ich doch«, antwortete Chris. Seine Stimme war undeutlich und angespannt. »Wir sind nur noch ein paar Schritte davon entfernt, Gallows festzunehmen.«
»Nicht euren Maulwurf meine ich, Chris, sondern den Anschlag! Mike und ich stehen mitten auf dem Platz. Alle um uns herum, Männer und Frauen in der Menge, ziehen sich identische Gewänder an. Zeremonialgewänder!« Die Sektenmitglieder waren nun überall in ihrem Habit. »Sie sind überall, Chris. Wir haben keine Zeit mehr. Sie fangen an, ihr Gebet aufzusagen.«
Auf der anderen Seite des Platzes wurden Chris’ Augen groß. Er schrie Dawson und Marsh an.
»Es geht los!« Sie schwenkten herum, um ihn anzuschauen. »Emily und Michael stehen in der Mitte des Platzes«, fuhr Chris fort. »Bells Gruppe beginnt mit ihrem Mantra.«
Noch als er die Worte aussprach, konnte die kleine FBI-Gruppe sehen, wie Einzelne in der Nähe mitten in der Menge Samtroben anzogen, als seien sie durch einen unsichtbaren Befehl dazu aufgefordert worden.
Sie waren nur noch einen Meter von Ted Gallows entfernt. Bei Chris’ Ausruf drehte sich der Special Agent um und legte überrascht die Stirn in Falten, als er sie so nah bei seinem Standort erblickte. Als er dann Chris’ Äußerungen hörte, wanderten seine Augen prüfend über die Menschenmenge, und er sah das Gleiche wie die anderen Agenten.
Chris drängte sich zu ihm hin. Gallows müsste sofort festgenommen werden, und dann …
Mit einem Mal fiel sein Blick auf etwas anderes.
»Scheiße, schaut nach oben!«, rief er, wobei er einen Arm ausstreckte und über die Menge zeigte – in die Höhe. Die Köpfe seiner Kollegen, auch der von Gallows, schwenkten herum, um zu sehen, was er entdeckt hatte.
»Dort, oben auf dem Old Water Tower. Ganz oben an der Spitze!« Chris donnerte seine Worte heraus. Im Bruchteil einer Sekunde sahen sie, was er erblickt hatte.
Auf dem hohen, alten Wasserturm, der wie eine gotische Steinnadel inmitten der Parade in den Himmel ragte, stand ein Mann. Weit über den Feiernden bewegte er sich langsam und mit Bedacht.
In einer fließenden Bewegung zog er sein dünnes Hemd über der Brust hoch.
Darunter kam eine Weste zum Vorschein. Selbst aus der Ferne und von weit unten konnten die FBI-Agenten erkennen, dass diese mit Phiolen bedeckt war.
Sie hatten ihre schmutzige Bombe gefunden.