#16 T-6: 11:46

Amature wife from Ukraine -watch her masterbate. SEXY! Wenn eine Pornobildchen-Serie so eine Überschrift hat - mit genau diesen Fehlern -, kann man zu einhundert Prozent sicher sein, dass die Fotos vor einer Wand aufgenommen wurden, die genauso aussieht wie die Wand, an der der Beifahrer gerade lehnt. Es muss eine Vertäfelung aus Eiche sein, bei der die Latten am Rand schön speckig und abgegriffen aussehen. Sie müssen so glänzen, dass man den Mief von Kippen und Gleitcreme mit Kokosduft förmlich riechen kann. Außerdem wichtig: Sowohl Vertäfelung hinter dem Ehebett als auch Amature wife müssen von dem Herrn mit der Kamera brutalstmöglich von vorne zugeblitzt werden. Als Garnierung der Saunaclub-Idylle sind ferner erlaubt: eine Medion-Stereoanlage in der Ecke oder ein Monobloc-Gartenstuhl als Sitzgelegenheit im Hintergrund. Seit zehn Minuten versucht eine arme Schnake, sich die Vertäfelung hinter Nicks Bett hochzukämpfen, Richtung Decke, wo die Energiesparbirne hängt. Immer wenn sie die obere Kante des Holzes erreicht hat, rutscht sie zurück aufs Bett und krabbelt wieder los. Langsam müssten die Viecher doch gepeilt haben, dass das da oben kein Mond ist. Und auch keine Raumstation. Der Beifahrer sieht schrecklich aus. Seine Augen, die sonst immer so jungs-und Paul-Newman-mäßig strahlen, dämmern tief in den Höhlen vor sich hin. In seinen ungewaschenen Haaren spiegelt sich das kalte Gefunzel der Birne, und sein ehemals stolz gestärktes Business-Hemd ist zu einem Faltengebirge verkrumpelt, das auf einer Seite aus dem Hosenbund raushängt. Dabei geht es jetzt schon wieder, im Vergleich zu vorhin. Als er sich mit letzter Kraft in den Wagen hievte, dachte ich, er würde gleich umkippen, so fertig sah er aus. Es war eine dieser Extremsituation, mit denen ich völlig überfordert bin. Und Junge, es dauert verdammt lange, im 21. Jahrhundert eine Zelle zu finden. Immerhin beruhigte sich Nick ein bisschen, nachdem er telefonieren durfte.

»Habe Sabina gesagt, dass sie mit der Kleinen zu ihrer Mutter fahren soll. Sicher ist sicher«, stammelte er rum. Dann gab er noch den Befehl aus, nach Norden zu fahren, raus aus Ehemalistan, und ließ sich in den Beifahrersitz zurückfallen. Die nächsten vierhundert Kilometer war es verdammt ruhig in unserer Karre. Nick kramte seinen geliebten GPS-Störsender raus uns stöpselte ihn ein - für den Fall, dass die Firma unseren Wagen mit einem Peilsender verwanzt hat. Danach verfiel er in seine typische Duldungsstarre und unterbrach sie nur, um seltsam belanglosen Autobahn-Smalltalk abzusondern, wie »Mit der Brücke werden sie wohl nie fertig« oder »Fährst du nachts auch so ungern?«.

Als wir das Ziel unserer Fluchtfahrt erreicht hatten, war es schon nach zwölf und wir taumelten wie Zombies aus dem Dienstwagen. Nick bestand darauf, nicht in einem der Kettenhotels einzuchecken, wo die Company Rabatt kriegt, sondern in einer miesen Pension direkt neben dem Bahnhof. Ich traute mich schon gar nicht mehr nach dem Grund zu fragen, denn die Antwort war ohnehin klar. Es würde hier »sicherer« sein. Dem Studi am Empfangstresen pfefferte Nick so laut ein „Wir zahlen sofort - in bar! « um die Ohren, dass der richtig zusammenzuckte. Ich hab meinen Kumpel dann erst mal eine halbe Stunde auf dem Zimmer allein gelassen, damit er sich wieder zusammensetzen konnte. Als ich von meiner Tour um den Block zurückkam, sah er schon besser aus. Von dem mitgebrachten Döner probierte er nur zwei Bissen, dafür stürzte er die Dose Astra fast in einem Zug runter. Per aspera ad astra, haha. Ich bin also sofort nochmal runter, um ihm eine zweite zu holen, was er immerhin mit einem Anflug von Lächeln quittierte. Quaxis gab's an dem Kiosk leider nicht. Jetzt sitzt er da, vor dieser ukrainischen Amateurporno-Vertäfelung, und starrt auf den Bodenbelag. Genau das gleiche Linoleum lag bei meinem Opa im Hausflur -hautfarbig und mit verschmierten braunen Flecken, als ob jemand jahrzehntelang Schnaken darauf totgetreten hätte. Ab und zu schreckt er kurz hoch. Dann rast sein Blick einmal kurz zum Sperrmüll-Nachttisch, wo das Tape liegt, und wieder zurück auf den Boden. Die Kassette hat er seit der Flucht aus der Botschaft keine Sekunde aus dem Auge gelassen. Seine zweite Dose ist halb leer und die Zeit ist reif, das Schweigen zu brechen.

»Komm schon: Wie ist die Sache gelaufen?«, erkundige ich mich möglichst beiläufig. Autsch, das war haarscharf am Frauenklassiker »Willst du reden?« vorbei. Die Altersweichheit greift um sich. Ohne seine Dose aus der Hand zu nehmen, reibt sich Nick mit dem kleinen Finger das ohnehin schon rote Auge.

»Du weißt doch, wie das läuft ...«

»Nein, weiß ich nicht«, unterbreche ich ihn. Er macht mit den Händen eine entschuldigende Geste.

»Na, die Company steht doch eher so auf die softe Straftat.«

»Heißt?«

»Das Übliche: Ein Typ steht mit 'nem schnellen Wagen vor der Tür, erzählt, dass man total dringend gebraucht werde und sofort mitkommen solle. Ach ja, und dass du dabei wärst, hat er auch behauptet.«

Beim »Du« zeigt er zu mir rüber.

»War ich nicht!«

»Schon klar.«

Nick kippt den Rest des Astra runter und guckt sich nach einem Platz um, wo er die Dose abstellen kann. Zunächst wandert sein Blick zum Nachttisch, wo schon das Tape liegt. Er zögert kurz. Nein, da könnte sie umfallen - zum Beispiel im Fall eines starken Erdbebens - und unseren Schatz benetzen. Also wandert seine Hand zurück und er platziert die Dose auf der Überdecke seines Betts, wo sie natürlich sofort umkippt und ein paar Tropfen ausspuckt. Egal, Hauptsache, dem Band ist nichts passiert. Nach und nach rückt er mit der ganzen Story raus. Ein Datacorp-Fahrer war tatsächlich mitten in der Nacht vorm Büro aufgetaucht, um ihn einzusammeln. John selbst habe den Auftrag autorisiert, hat das Schwein eiskalt gelogen. Nachdem sie ihn in die Botschaft gekarrt hatten, wurde die Sache wohl schnell ungemütlich. Erst haben sie Nicks Telefon und seine persönlichen Sachen einkassiert, danach wurde er mit einem indischen Kollegen zusammengepfercht, der gerade dabei war, das Tape durch eine x-beliebige Bandmaschine zu jagen.

»Das konnte ja nichts werden«, kommentiert Nick, mit einer Spur seiner alten Hochnäsigkeit. Er verachtet wieder andere Menschen - ein gutes Zeichen. Nachdem der Inder dem Tape nichts entlocken konnte, übergaben sie Nick die Sache, wobei sie ihn natürlich keine Sekunde aus den Augen ließen. Deshalb sah sein Blick auf dem Überwachungsvideo so angestrengt aus; der andere Typ von der Company saß ihm die ganze Zeit gegenüber. Viele Worte wurden wohl nicht verloren. Ungefähr eine Minute nimmt sich Nick für die Geschichte von seiner Gefangenschaft. Dabei versucht er, alles so klingen zu lassen, als sei gar nichts Schlimmes passiert.

»Da hat keiner mit 'ner Glock rumgefuchtelt und >Entführung!< gebrüllt oder so«, sagt er im gekünstelten Plauderton. Anscheinend ist es ihm unangenehm, von der Sache zu erzählen, jedenfalls steigt er - wie immer, wenn er angespannt ist - in eine Beschreibung von technischen Petitessen ein. Das ist sein Valium, und weiß Gott, ich gönne ihm seine Dosis.

»Erstens: Der Read-out von der Bandmaschine war völlig korrupt. Zweitens: Mit diesem 86er, vor den sie mich gesetzt haben, hätte ich die Daten nicht in hundert Jahren entschlüsseln können.«

Er rollt mit den Augen wie ein kleines Mädchen, das seinen Freundinnen auf dem Schulhof erklärt, welcher Popstar in dieser Nanosekunde überhaupt nicht mehr angesagt ist.

»Es war völlig klar, dass die ganze Aktion zu nichts führen würde.«

Verschmitztes Lächeln.

»Und dann habe ich die Überwachungskamera gesehen ...«

Ich grinse zurück und proste ihm mit meinem Astra zu. Da seine Dose ja schon leer ist, nickt er nur wohlwollend. Hättest du wohl nicht gedacht, dass der platte Herr Kee die Sache mit dem ASCII-Code rafft, denke ich. Hätte nicht gedacht, dass er die Sache mit dem ASCII-Code rafft -aber das darf ich mir natürlich unter keinen Umständen anmerken lassen, denkt der Beifahrer. Darauf, dass er mich für das Entschlüsseln seiner Videobotschaft oder meinen Kartenschloss-Hack lobt, werde ich wohl noch lange warten müssen, vermutlich ewig. Jetzt! Die Schnake hat es tatsächlich bis zur Decke geschafft. Als ob sie es gar nicht abwarten könnte zu verbrennen, zuckt sie in immer engeren Kreisen um die Birne herum. Draußen hallen Männerschritte durchs Treppenhaus. Die Herren lachen laut, machen Witze in einer fremden Sprache. Es klingt nach Polnisch - oder Ukrainisch? Wahrscheinlich sind es Typen, die gerade von irgendeiner Art von »Montage« zurückkommen, um Kohle für ihre Amature wife ranzuschaffen, damit die sich noch einen passenden Wohnzimmerschrank mit Vitrine aus Eiche kaufen kann.

»Und jetzt?«, frage ich. Nick zieht das Kopfkissen unter der Tagesdecke raus, die wie ein rauer, schwimmbadgrüner Aufnehmer aussieht, und stopft es sich in den Nacken. Dann wirft er einen letzten Blick auf das Tape, murmelt »Morgen, Alter«.

Zehn Sekunden später atmet er schon ganz ruhig. Er hat nicht mal seine Anzughose ausgezogen.

Extraleben - Trilogie
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