LEVEL 30
Als ich klein war, brachte mir mein Vater von einer seiner vielen Geschäftsreisen mal einen Taschenatlas von der Lufthansa mit. Es war ein hochformatiges Büchlein, mit einem Pappumschlag im typischen Dunkelblau der Airline.
»World Atlas« stand in eleganter weißer Helvetica drauf, darunter strahlte eine kleine Weltkugel. Das Buch wolle eine Hilfe sein »für alle Geschäftsfreunde, die viel in der Welt herumkommen«, verkündeten die Lufthanseaten auf der ersten Seite. Eine Zeit lang war der Atlas meine absolute Lieblingslektüre. Immer wieder schaute ich mir die Karten an, versuchte, mir die Landesflaggen einzuprägen, und quälte mich durch die kleinen Länderporträts. die so steif und trocken formuliert waren, wie es nur ein deutscher Ingenieur kann. Da stand zum Beispiel: »Rhodesien. Landesnatur: von Hügelketten durchzogenes Hochland. Wirtschaft: Von großer Bedeutung sind Bergbau (Chrom, Asbest) und darauf aufbauende Industrie.«
Aber gerade dieser nüchtern-geheimdienstartige Stil machte die Lektüre so spannend; Jungs im Grundschulalter lieben einfach den harten Ton der Geschäftsfreunde - und überhaupt alles, wofür sie erkennbar nicht die Zielgruppe sind. Also las ich alles über Länder wie Transkei, Ngwane oder Saô Tomé, »Kennzeichen: Gebirgige Vulkaninseln. Minderheit von Mulatten«.
Und häufig stellte ich mir vor, wie es wohl wäre, mit einer alten Douglas DC-3 auf dem einzigen Flugplatz von Bhutan aufzusetzen und in der Staatssprache Dsongha begrüßt zu werden. Heute bin ich mir sicher, dass es sich wahrscheinlich nicht anders anfühlt, als in Leipzig-Halle zu landen. Denn jeder Flughafen rund um diesen Globus, und sei er auch noch so abgelegen, wurde mittlerweile von der Interzone annektiert, diesem Niemandsland zwischen Check-in und Gate, das auf der ganzen Erde absolut gleich aussieht: eine zweistöckige Halle mit Atriumdach, hellgrauer Granitboden, in jede Richtung ein Laufband, das todsicher 50 Meter vor dem eigenen Abfluggate endet. Die Interzone, das ist die Vorhölle aus Duty-free-Shops, Elektronikläden und amerikanischen Dinern im Fünfzigerjahre-Stil, wo Hoppers »Nighthawks« hängen - natürlich in der modifizierten Version mit Marilyn Monroe, James Dean und Humphrey Bogart. Es sind die weitläufigen Wartelounges, in denen rund um die Uhr Börsennachrichten von den Bildschirmen herunterplärren. Und es ist das Zuhause der Sessel, dieser schwarzen, hässlichen Sessel, die anscheinend jeder Flughafen auf diesem Globus gekauft hat. Wo immer man auch landet, sind sie schon da: lange Reihen von Lederpritschen mit geschwungenem Edelstahlsockel, über deren Rand alle paar Meter ein Paar Strümpfe hinaus ragt. Oft haben wir uns schon gefragt, ob und wann es mal jemandem auffallen würde, wenn einer der hier liegenden Zeitzonen-Zombies nicht schläft, sondern tot ist. Man muss sie einfach lieben, die Interzone, den kleinsten gemeinsamen globalen Nenner. Klar gibt es auch noch Unterschiede von Land zu Land, aber das sind nur Kleinigkeiten. Auf dem einen Flughafen sind kyrillische Buchstaben auf den Wegweisern, auf dem anderen koreanische. Aber eigentlich spielt das keine Rolle, denn die Welt des Transits kommuniziert mit ihren Einwohnern über Farben - etwas anderes können die nach 18 Stunden Nonstop-Flug ohnehin nicht verarbeiten. An der Telefonzelle mit den orangen und roten Kreisen obendrauf zum Beispiel lässt sich mit Kreditkarte - ohne einheimisches Bargeld - fernsprechen. Der Mann mit der grünen Schürze reicht den Kaffee, der mit der roten Kappe den Burger, und Nick findet seinen Nachtisch-Donut, in dem er die Halle nach Orange-Pink abscannt. Und daran gibt es absolut nichts auszusetzen. Weiß Gott, es war verdammt gut, nach dem elend langen Nachtflug nach Kopenhagen für das Orange-Rote etwas bei Grün zu kaufen. Wie schön wäre es, wenn die Welt wie bei dem guten alten C64-Adventure Where in the World is Carmen Sandiego? Funktionieren würde? Da ging es darum, eine geheimnisvolle Diebin namens Carmen Sandiego aufzuspüren, die zuvor Walt Whitmans Schreibtisch gestohlen hatte, oder so ähnlich. Wollte man irgendwo hinreisen, musste man nur eine Taste drücken, und schon malte der Commodore 64 eine Linie vom Start-zum Zielpunkt auf den Bildschirm. Dann gab der Soundchip noch für jede Flugstunde ein »Ping« von sich - und zack, schon war man angekommen. Das käme jetzt sehr gelegen. Kopenhagen-Kangerlussuaq, fünf Stunden. Pingping-ping-ping-ping, da. Kein Jetlag, kein Economy-Blutstau in den Beinen, kein Klimaanlagen-Schnupfen. Where in the world is Carmen Sandiego? Trotz des bequemen Reisemodus haben wir das Spiel, glaube ich, nie zu Ende gebracht. Zu wenig Action. Im Moment beschäftigt mich ohnehin eher die Frage: Wo in aller Welt bin ich? Seit dem Aufstehen in Los Angeles habe ich kein Auge mehr zugetan; trotz Augenbinde, Ohrstöpsel und Rotwein zum Essen wollte sich der Flugzeugschlaf auf den langen, dunklen Atlantikmeilen einfach nicht einstellen. Keine Chance. In anderen Worten: Ich bin jetzt fast 30 Stunden am Stück wach, und das schlaucht. Mein Hirn fühlt sich taub an und arbeitet nur noch mit halber Kraft: Der Abend im Encounter, war das eigentlich gestern oder doch schon vorgestern? Ich diagnostiziere die ersten Symptome des Schlafentzugs: Schwindel beim Aufstehen, knallrote Augen, das dringende Bedürfnis, einen mit Jalapenos gefüllten Burrito zu essen und sofort mit zwei Litern extrasaurer Apfelschorle runterzuspülen. Als Hypochonder beobachte ich alle körperlichen Zeichen natürlich genauestens, was mich noch wacher macht. Bis auf die paar Zipperlein läuft der Trip aber wie am Schnürchen. Ich fühle mich leicht, heiter, unbeschwert - so sehr, dass ich fast ein schlechtes Gewissen habe, schließlich muss mein Kumpel ja ins graue Deutschland zurück, und wer weiß, ob unser Kumpelding noch mal dasselbe sein wird. Für viele Leute wäre das sicher ein Grund, am Boden zerstört zu sein. Doch ich bin nur erleichtert darüber, die schweren, gefühlsbeladenen Tage in L.A. endlich hinter mir lassen zu können. Oft habe ich mich gefragt, ob mir irgendwas fehlt, eben weil mich dieser Gedanke des Eigentlich-müsstest-du-mehr-Fühlens so häufig beschleicht, sogar bei Beerdigungen. Aber meistens ist da wirklich nichts, und in meinem Alter lässt sich da wahrscheinlich nichts mehr drehen. Was Nick wohl gerade macht? Ich vermute mal, er hat sich bekochen lassen und sitzt jetzt mit einem nicht-leichten Bier auf dem Sofa, während Sabina halbnackt vor ihm steht, die Hände in die Hüften gestützt. Sie wartet, bis er seine Flasche abgesetzt hat, dann beginnt sie, ihren schwarzen Hipster Zentimeter für Zentimeter runterzurollen. um ihn - zack - einfach bis auf die sonnenbankgebräunten Fesseln runterfallen zu lassen. Sie kichert, macht mit ihren 12-Zentimeter-Absätzen einen kleinen Schritt zur Seite, bis sie neben dem Slip steht. Nick stellt sein Bier grinsend zur Seite, wohl wissend, dass die Schuhe heute zur Feier des Tages anbleiben. Dann stöckelt sie Richtung Schlafzimmer und ... Einbahnstraßenhirn, noch so eine Nebenwirkung des Jetlag. So kalt es klingen mag: Das Einzige, was meine Freude jetzt noch trübt, ist, dass sich die Dinge verändert haben. Damit konnte ich noch nie umgehen. Ich erinnere mich noch gut an den Tag, als meine Eltern beschlossen, einen neuen Geschirrspüler anzuschaffen, irgendwann in den Kindergartenjahren muss das gewesen sein. Erst mal nahm ich die Sache nicht ernst, aber als die Herren vom Miele-Dienst dann doch vor der Tür standen, ergriff mich regelrechte Panik, und ich nötigte meinen alten Herrn in allerletzter Sekunde dazu, zumindest den verchromten Drehknopf auf der Vorderseite des alten Geräts abzuschrauben. Erst nachdem ich dieses Erinnerungsstück in den Händen hielt, durfte unser treuer Geschirrvollwaschautomat auf seine letzte Reise gehen. Der Knopf lag dann noch jahrelang zwischen verrosteten Schrauben im Werkzeugkasten meines Vaters, ohne dass ich ihn jemals auch nur angeschaut hätte. Doch zu wissen, dass er da war, erleichterte den Abschied. Unwiederbringlichkeit, des Retromanen größter Feind. Wenn überhaupt, dann komme ich mir ein bisschen wie ein Bergsteiger vor, dem eines seiner Steigeisen weggebrochen ist. Es geht weiter voran, aber eben nur sehr beschwerlich. Check-in, Check-out, Spurt zum nächsten Gate, Bordkarte abholen - all das exerziere ich wie ein kleiner, gut aufgezogener japanischer Blechroboter durch. Nur ab und zu wird die Routine von einer Kleinigkeit unterbrochen, die mir vor Augen fuhrt, wie sehr unsere Minigruppe im Laufe der Zeit zur Symbiose geworden ist. Das fängt schon mit der Technik an: Jahrelang war Verlass darauf, dass Nick unterwegs für einen guten Datenzugang sorgt. Und was ist jetzt? Auf einmal stehe ich ohne eigenen Rechner da und muss mir auf dem Flughafen von Kopenhagen ein öffentliches Terminal suchen, um wenigstens die wichtigsten Grundinformationen zu meinem Ziel abzurufen. Wo ist das dunkelblaue Brevier der Lufthanseaten, wenn man es braucht? Hätte der Ingenieur der Kranich-Airline den Ort berücksichtigt, würde sein Eintrag zu meiner Endstation vermutlich so lauten: »Kangerlussuaq (Airport Code: SFJ),dänischer Name: Sondre Stromfjord. Ort im Westen Grönlands. 300 Einwohner. Gegründet als amerikanische Militärbasis in den Vierzigerjahren. Diente während der Luftbrücke von Berlin als wichtiger Zwischenlandepunkt « . Halt, der letzte Satz stünde nicht da, schließlich hat der, Geschäftsfreund für diese Information keine Verwendung - wen interessiert die Geschichte, wenn er Asbest einkaufen will. Ich muss an ein Strategiespiel denken, das wir irgendwann in den Neunzigern mal angezockt haben; darin ging es um das übliche Zeug - Länder erobern, Brückenköpfe bilden, Versorgungslinien einrichten und so weiter. Unter den möglichen Schauplätzen stand auch Grönland zur Auswahl, doch im Gegensatz zu anderen Ländern waren hier weder Industrieanlagen noch Städte verzeichnet, sondern nur Flughäfen. Nachdem ich am Terminal in Kopenhagen die Netzquellen überflogen habe, komme ich zu dem Schluss, dass das Game extrem realistisch war. Grönland besteht anscheinend wirklich nur aus Flughäfen, und Kangerlussuaq sticht allein dadurch hervor, dass es den größten von allen hat. Außerdem ist der Airport als Notlandepiste für Transatlantikflüge vermerkt - obwohl der Anflug durch einen engen Fjord unter Piloten als schwierig gilt. Ah, ein Fleckchen Zivilisation am Rand der eisigen Hölle, das könnte sich zur ersten ernsthaften Entdeckungsreise entwickeln. So richtig abenteuerlich lässt sich der Trip allerdings nicht an. Statt mit einer klapprigen Turboprop-Maschine, wie ich gehofft hatte, bedient Air Greenland die Strecke mit einem stinknormalen Airbus; wieder einmal weigert sich das Leben stur, die Kunst zu imitieren. Mir bleibt also nichts übrig, als mich in meinen Sitz zu quetschen und in die gleiche Duldungsstarre zurückzufallen, in der ich auch schon den letzten halben Tag verbracht habe. Nachdem ich eine gute Stunde die Augen geschlossen gehalten habe - die Frist garantiert, dass einen der Sitznachbar für den Rest der Reise nicht mehr anspricht -, wage ich einen Rundumblick. Von der Kabinenausstattung her könnte das auch der Lufthansa-Regionalflug nach Friedrichshafen sein, allerdings nicht, was die Passagiere angeht; die sehen nicht nach Businessflug aus. Meine Mitreisenden teilen sich in zwei Fraktionen auf: Die eine Hälfte, ein buntes Häufchen aus Vollbärtigen und Inuit, also Eskimos, scheinen Einheimische auf dem Weg nach Hause zu sein. Jeder kennt hier jeden, und die Leute unterhalten sich laut und gut gelaunt über die Sitzreihen hinweg in gebrochenem Englisch oder Dänisch. Die andere Fraktion macht einen weniger ausgelassenen Eindruck: Es sind Erlebnistouristen. mit denen um diese Jahreszeit in Grönland wohl zu rechnen war - ausgezehrte Mittvierziger mit schwarzen Jeans und Trekkingsandalen. Sehr konzentriert haben die Goretexaner nach dem Einsteigen allerlei Windjacken, Schneebrillen, Moskitonetze und anderes, zweifellos perfekt für die Region geeignetes Gerät in die Ablagen gehievt - und mir damit vor Augen geführt, dass ich mit meiner Amateurausrüstung im Prinzip dem sicheren Tod entgegengehe. Bis auf ein paar Flanellhemden und eine Cord-Jeansjacke habe ich nichts im Koffer, was für den Polarkreis taugt. Warum auch? Schließlich hatten wir uns auf die Mojave-Wüste eingestellt. Ich nehme mir vor, direkt nach der Landung eine Regenjacke zu kaufen, und falle in einen Dämmerschlaf. Das Summen der Landeklappen reißt mich drei Stunden später hoch; habe ich wirklich geschlafen? Ich öffne vorsichtig die zusammengeklebten Augenlider und ziehe die Sonnenblende hoch. Das Panorama ist überwältigend, es sieht aus, als setzten wir zum Landeanflug auf einen anderen Stern an: Unter den Tragflächen breiten sich bis zum Horizont grüne, baumlose Hügel aus, die ein bisschen an die schottischen Highlands erinnern. Die wenigen Felsen, die aus dem grünen Teppich herausragen, sehen rund und glatt aus wie Steine in einem Bach, die über Äonen von der Strömung ab geschmirgelt wurden. Bäume gibt es keine, nur ein paar Sträucher ducken sich dicht an den Boden, als hofften sie, so vom arktischen Wind übersehen zu werden. Als der Pilot eine kleine Kurve fliegt, rauscht kurz unser Ziel vor dem Fenster vorbei: ein grauer Strich in der Landschaft, eine Landebahn am Ende eines ausgetrockneten Flussbetts.
»Look, there's Kanger«, sagt der amerikanische The-North-Face-Tourist in der Reihe hinter mir und stößt seine trockene Reisebegleiterin an. Jetzt, wo ich weiß, dass der Anflug haarig ist, kommt er mir natürlich auch wie ein kontrollierter Absturz vor. Böen schubsen die Maschine hin und her, mit einem lauten Knallen fliegt eine Gepäckablage auf. Als einer der Funktionsbekleideten aufspringen will, um die Klappe zu schließen, herrscht ihn die Stewardess an: »Sir, please sit down!«
Zum ersten Mal seit Jahren habe ich feuchte Handflächen während einer Flugzeuglandung. Schließlich zischt der erste Meter Beton unter uns vorbei, der Pilot drückt den Airbus rabiat runter und setzt ihn mit einem lauten Rumpeln auf. Die Bremsung drückt mich so weit nach vorne, dass ich in den Fenstern auf der gegenüberliegenden Seite der Maschine die Flughafengebäude vorbeihuschen sehen kann. Ein Dutzend Baracken, dann drei große runde Treibstofftanks und ein paar Häuser. Mehr nicht, dahinter beginnt gleich wieder das endlose Grün. Willkommen im Gewerbegebiet Grönland West. Nach der brütenden Hitze der letzten zwei Wochen hatte ich mich eigentlich schon fast auf einen verhangenen Himmel. Wolken und Kälte gefreut; Wetter eben, bei dem man sich sofort in die Hände hauchen will. Doch daraus wird nichts, denn in Grönland ist jetzt anscheinend Grillsaison. Schon durch das Flugzeugfenster fühlt sich die Sonne wie ein Heizstrahler im Biergarten an. Die Wiese neben der Runway strahlt in sattem Grün, und ein Toyota Landcruiser, der neben der Piste entlangfährt, zieht eine lange Staubfahne hinter sich her.
»Temperatures in the upper seventies«, hatte der Pilot vor der Landung angesagt, über zwanzig Grad Celsius also. Und tatsächlich: Als die Stewardess die Tür öffnet, zischt ein laues Lüftchen in die Maschine. Sollte ich doch richtig angezogen sein? Auf jeden Fall ist es herrlich, mitanzusehen, wie die Survival-Profis schon beim Aussteigen mit all ihren Supergerätschaften ins Schwitzen kommen. Dann die nächste Überraschung: Kangerlussuaq Airport hat einen Finger! Während die Gangway langsam andockt, drängeln sich die atmungsaktiven Horden schon im Gang, als gelte es, irgendeinen wahnsinnig dringenden Anschlussflug zu erreichen. Als vorletzter Passagier schiebe ich mich durch die Sitzreihen und flöte der fünfzigjährigen Stewardess am Ausgang ein etwas zu nettes »Bye« entgegen. Erbärmlich, was der Jetlag aus einem macht. Nach ein paar Schritten dann die Erkenntnis, dass wir Unrecht hatten: Die Interzone hat keineswegs alle Winkel der Welt erreicht, sondern musste ihren Vormarsch kurz vor Grönland stoppen. Kangerlussuaq hat nichts gemein mit allen Airports, auf denen Nick und ich jemals gelandet sind. Hier gibt es keine grünen Schürzen, keine rot-orangenen Kreise, keine goldenen Bögen - und bei meinem Jetlag-Hunger muss ich sagen: leider. Stattdessen stehe ich mitten in einem Bretterverschlag mit zwei Metern Deckenhöhe, der mit unverständlichen Schildern tapeziert ist, die selbst gemalt aussehen wie die Schilder am Waffelstand auf einem Pfarrfest.
»Grönlands-grossîsten. DE FRISKE SUTTIKER. 325 BUTTlKER« schreit es mir von einem Poster hinter dem Gate entgegen. Ich habe weder eine Ahnung, was hier angeboten wird, noch, was es kostet, denn alle Preise sind in dänischen Kronen ausgezeichnet - selbst in dem winzigen Souvenirladen, der sich in der Ankunftshalle zwischen zwei giftgrüne Wänden gezwängt hat. So fühlt es sich also an, in der Fremde zu sein. Nach vielen Jahren der Heimspiele in den USA, bei denen Nick und ich mit unserem Akzent oft als »guys from Boston« durchgingen, ist das hier ein echter Neustart. Ich kann keine Schilder lesen und kann nicht verstehen, wovon die Leute reden. Der Einzelhandel von Kangerlussuaq ahnt nicht, was für ein Glückssträhne ihm bevorsteht. Mit mir zusammen zwängen sich Dutzende von verwirrten Windjackenträgern durch die engen Gänge des Terminals. Sie stecken hier fest, weil irgendeine Maschine nach Kopenhagen ausgefallen oder verspätet ist. Der Ami in der Sitzreihe hinter mir hatte während des Fluges seiner Begleiterin erzählt, dass Air Greenland von Einheimischen nur »Air Maybe« genannt würde. Scheint was dran zu sein. Nachdem ich einige Minuten ohne Erfolg die Zollabfertigung gesucht habe - es scheint keine zu geben -, wende ich mich an eine ältere Dame, die im Giftshop die Kasse bedient.
»Excuse me, how do I get into town?«
Die Grauhaarige lacht, während sie einen Stapel Postkarten eintütet.
»Sir,this is the town!«