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Spieler eins, sind Sie bereit? Spieler zwei, sind Sie bereit? Die Leuchtdiode neben dem Wort ARM glimmt weiter grün vor sich hin. Jetzt müssen wir runter, runter in die Dunkelheit. Hole, sweet hole. Die ersten Schritte gehen ganz leicht, denn noch sieht alles freundlich aus: ordentliche Betonstufen, zwar unbemalt, aber nicht schäbig, wie in der Parkgarage des Dorint eben. Die weiße Mittagssonne leuchtet alles gut aus; alles noch auf Alltag, bitte erst zur Kasse, dann zum Wagen. Es ist das Licht eines Tages, an dem glückliche Familien neben dem Highway ein Picknick machen oder einen Freizeitpark mit einer Wasserrutsche besuchen. Irgendwo im Halbdunkel unterhalb des ersten Treppenabsatzes geht flackernd ein Neonlicht an. Das Türschloss hat die Stromversorgung aktiviert.

»Nach dir.«

Der Beifahrer grinst, während er die schwere Stahltür mit der Schulter offen hält. Super. Am besten mit jedem Schritt immer zwei Stufen auf einmal nehmen, das wirkt entschlossen. Also los: Eins, zwei, drei, der erste Absatz ist geschafft. In diesem Moment lässt Nick die Tür los. Sie fällt mit einem dumpfen Krachen ins Schloss und sperrt das Licht des idyllischen Ferientages endgültig aus. Wir sind alleine mit uns und der Vergangenheit - bisher immer ein schönes Gefühl. Hinter dem ersten Absatz beginnt die Dunkelheit. Jetzt kriecht nur noch aus der Tiefe des Treppenhauses ein leichtes Glimmen hoch. Doch es sieht nicht einladend aus wie eine Laterne, die vor einem einsamen Gasthaus baumelt - ein weiteres schönes deutsches Wort -, sondern eher, als läge da unten Freddy Kruegers Heizungskeller. Mal sehen, wie weit es runter geht. Ich schaue links am Handlauf vorbei in die Tiefe. Lächerlich, nur ein paar Meter, kein Abgrund, immerhin. Das sah in Grönland anders aus.

»Komm schon«, flüstert Nick von hinten. Weiter also. Krr, krr, krr. Ein paar Schottersteinchen, die in den Zwischenräumen unserer Gummisohlen mitreisen, kratzen über den Beton. Im Treppenhaus steht die heiße Luft. Sie riecht nach Moder und Verfall, gar nicht mehr wie im schönen Dorint-Parkhaus, wo aus silbernen Lüftungsschächten stets ein frischer Frühlingsduft weht, sondern eher wie eine volle Biotonne, die eine Woche lang in der Julisonne geschmort hat. Wie war das mit dem Fledermaus-Problem? Die Viecher sollen ja üble Lungenkrankheiten übertragen, gegen die selbst die Profis vom Robert-Koch-Institut nichts ausrichten können. Und dann erst der Schimmel. Warum, warum, warum? Warum sind wir nicht auf der Wasserrutsche? Wie zwei kleine Pfadfinder auf ihrer ersten Nachtwanderung tasten wir uns im Gänsemarsch runter. Zwei, drei, vier Treppenabsätze, dann sind wir schon unten angekommen, vor einer weiteren Brandschutztür. Das ging schnell. Die paar Meter Erde sollten ausreichen, um die Druckwellen der russischen Atombomben draußen zu halten? Falls, ja falls Nicks bizarre Raketensilo-Theorie überhaupt stimmt. Ohne zu zögern reißt der Beifahrer die Tür auf. Willkommen in den Sechzigern. Schluss mit dem adrettem Parkhaus, gebürsteten Edelstahltüren und Waschbeton, ab hier beginnt der Altbau. Wir stehen in einer stinkenden Röhre aus verrostetem Wellblech. In beide Richtungen geht der Gang endlos weiter, als ob man falsch rum in ein Fernglas reinguckt. Es könnte glatt die Kanalisation sein, wenn da nicht dieses kleine No-Smoking-Schild wäre, auf dem unten in kleinen Buchstaben 567th Strategie Missile Squadron steht. Nick versucht sich in Berger-mäßigem Understatement und tippt nur kommentarlos mit dem Finger drauf. Ja, Alter, ich hab's gesehen. Was für ein Loch. Die Decke ist so niedrig, dass wir uns bücken müssen, um nicht oben gegen die Lampen zu stoßen. Es sind diese Modelle, wie es sie früher auf Baustellen gab, mit einem Drahtgitter vor dem Glas. In den meisten schwappt innen drin irgendeine braune Soße hin und her, also immer schön aufpassen, um nicht dranzukommen. Läuft heute irgendwie anders als in Malaysia. Warum eigentlich? Genau, bei dieser Expedition hier fehlt der Schock des völlig Neuen, die totale Überraschung, wenn man um die Ecke guckt, dieser Howard-Carter-Moment. Wir bewegen uns ein bisschen auf ausgetretenen Pfaden, schließlich war der Gang schon im Pixelvision-Video zu sehen. Das Hirn ist die ganze Zeit damit beschäftigt, Daten abzugleichen: Genau, die Lampenreihe an der Decke muss das sein, was auf dem Video wie eine Landebahn bei Nacht aussah. Ein bisschen, wie wenn in der Kneipe neben einem ein Promi sitzt. Dann ist man auch die ganze Zeit damit beschäftigt, zu gucken, ob der oder die echt wie im Fernsehen aussieht, und wenn nicht, warum. Und ehe man damit fertig ist, steht der Promi auf, und man hat sich nicht mal gemerkt, was er getrunken hat - eben weil der Kopf mit Vergleichen ausgelastet war.

»Das muss der Verbindungsgang zwischen Kontrollzentrale und Silo sein«, raunt Nick, während er sich mit einer fahrigen Bewegung den Schweiß aus dem Augenwinkel wischt. Das Grinsen auf seinem Gesicht hat sich mittlerweile festgefressen und scheint gar nicht mehr weggehen zu wollen. Klare Sache, nach seinem kurzen Durchhänger eben fliegt er jetzt wieder gaaanz hoch. Wie viel Fieber er wohl hat? Die Schweißbäche an seinen Schläfen sehen nach mindestens neununddreißig Grad aus. Aber selbst die können seine Begeisterung jetzt nicht mehr bremsen.

»Wie cool ist das denn bitte? Genau wie bei, wie bei, na, Splinter Cell, genau, diese geile Missile Strike Map. Spielte doch auch in einem Raketensilo, oder?«, schwärmt er, wie ein Junge, der an Weihnachten Geschenke auspackt. Jap. Supercool. Zeit für einen kurzen Schauer auf seine Parade.

»Und wohin gehen wir jetzt?«

Nick schaut sehr wissend erst nach links, dann nach rechts den Gang runter.

»Die Server stehen sicher im Kontrollzentrum. Der Raum sah im Video hoch aus, aber nicht sieben Stockwerke hoch, so hoch wie das eigentliche Abschusssilo. Ist eigentlich egal, in welche Richtung wir gehen. Tja, ich schätze, da hilft nur probieren.«

Zielstrebig setzt er sich nach links in Bewegung.

Extraleben - Trilogie
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