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Irgendwann kommt im Leben eines Jungen der Moment, in dem er sich entscheiden muss, auf welcher Seite er stehen will. Dann gilt es, wichtige, ja sogar existenzielle Entscheidungen zu treffen, die dem Leben für die nächsten achtzig Jahre eine Richtung geben. Man muss Fragen beantworten wie: Adidas oder Nike? Amiga oder Atari? Star Trek oder Star Wars? Und manchmal wird zu dieser Zeit auch die allerwichtigste aller Weichen gestellt: cool oder uncool? John Cusack hat es im Volltreffer kurz vor seiner Wupperüberquerung gut auf den Punkt gebracht: Willst du ein Nick sein - einer, der mit dir einen hebt und dem du ins Auto kotzen kannst? Oder ein Elliot, ein fettes Kind mit Brille, das Brei isst? Das war übrigens auch der Moment, in dem Herr Niklas beschloss, seinen echten Vornamen für immer zu begraben. Dagegen sind die Entscheidungen in der Erwachsenenwelt völlig banal. Es wird ohnehin das meiste für dich entschieden. Nur eine Frage musst du selbst beantworten, egal, wie alt du wirst: Pasta or chicken? Unsicher wie jeder Berufsanfänger arbeitet sich die blutjunge japanische Flugbegleiterin durch die Reihen und ringt den Passagieren eine Entscheidung ab. Der Beifahrer nimmt die Nudeln - weil da die Chance geringer ist, eine Fleischvergiftung zu bekommen, kennt man doch aus Filmen. Um nicht pärchenmäßig rüberzukommen, bleibt mir nur das Hähnchen. Und zu trinken? Obwohl alles - Bier, Wein, Schnaps - gratis ist, entscheiden wir uns beide für einen Tomatensaft. Hinweis Nummer fünfhundertdreiundneunzig darauf, dass man kein Teenager mehr ist: Obwohl es kostenlosen Sprit gibt, nimmt man ein alkoholfreies Getränk. Nachdem wir die Plastiktütchen mit dem Pfeffer komplett in unsere Becher geleert haben, spinnt Nick den Siebziger-Faden weiter.

» Cool war auch, dass Computer damals noch so ein Zauber umgab - eben weil sie noch nicht in jedem Wohnzimmer standen. Das waren noch mystische, unnahbare Elektronenhirne, kein Haushaltsgegenstand wie ein Mixer.«

Das ist eine von seinen Lieblingstheorien: Dass es heutzutage keine Exklusivität mehr gibt, mit Exklusivität in Sperrdruck. Der Grund für das Klagelied ist ziemlich banal: Früher, auf der Schule, war er immer der Held, weil sein Vater ständig brandneue Gadgets in seinem Büro hatte, von denen wir niedrigen Kreaturen nur träumen konnten: Faxgerät, Btx-Terminal, Motorola-Autotelefon. Dass dieser Vorsprung durch Technik dahin ist und heute so gut wie jeder das allerneueste Zeugs haben kann, geht ihm einfach gegen den Strich. Ein bisschen was ist natürlich dran, an der Exklusivitäts-Sache. Gilt auch für das Fliegen: Als es sich nur die Bardot und Gunter Sachs leisten konnten, mit dem Jet von Nizza nach London zu hoppen, hatte eine Flugreise noch Glamour. Jetset halt. Heute ist der Lack ab, du sitzt zwischen Krethi und Plethi und wirst gefragt, ob du Huhn oder Nudeln willst. Doch diese Straße sind wir häufig runtergefahren, zu häufig. Deshalb setze ich den Blinker und biege zu einem anderen Thema ab. „Na ja, stimmt nicht hundertprozentig. Auch in den Siebzigern gab's schon überall Rechner, man konnte sie bloß nicht sehen. Sobald du einen Flug gebucht oder mit der Kreditkarte bezahlt hast, waren damals auch schon Computer im Spiel.«

»Hm.«

Nick lenkt aber ungewöhnlich schnell ein. Moment, dieser leere Blick ...nein, er hat gar nicht eingelenkt, sondern abgeschaltet und währenddessen an einer anderen Geschichte gebastelt. Und die kommt in drei, zwei ...

»Was ich noch zum Todes-Poke sagen wollte.«

Und da ist sie schon.

»Mir ist noch ein Beispiel eingefallen: Anfang der Sechziger brachte Xerox die ersten xenografischen Drucker auf den Markt, also im Grunde genommen nichts anderes als eine Art Kopierer. Und die hatten innen drin eine Art von Heizung, warum auch immer. Na, jedenfalls, wenn die Programmierer einen Fehler machten und das Papier nicht schnell genug durch den Drucker gezogen wurde, konnte es sein, dass erst das Papier und dann das Gerät in Flammen aufging. Kein Scheiß. Deshalb musste beim Programmieren auch immer ein Feuerlöscher in der Nähe stehen. «

Määäp. Mein Versuch, das Geräusch eines Quizshow-Summers nachzumachen, scheitert.

»Der Kandidat kriegt leider null Punkte. Denn wir hatten uns ja auf folgende Definition geeinigt ...«

Warum nicht mal seine Masche austesten? Einfach behaupten, wir hätten uns auf meine Meinung geeinigt, auch wenn das überhaupt nicht stimmt.

»... dass ein Todes-Poke bedeutet, dass der Prozessor eines Rechners mithilfe von Software irreparabel zerstört wird, nicht irgendein Peripherie-Gerät.«

Der Beifahrer murmelt nur ein »mag sein « und klappt den Dienstrechner wieder auf. Sein Besserwisser-Energiepegel war auch schon mal höher.

»Und? Wie geht's jetzt weiter?«, erkundige ich mich. Nick steckt seine Nase wieder in den Bildschirm.

»Was meinst du?«

Er hat doch hoffentlich einen Plan, oder?

»Mit unserer Mission«, bohre ich nach.

»Wie soll es da schon weitergehen? Wenn wir in Seattle sind, ist da Nacht. Würde sagen, wir hauen uns kurz aufs Ohr. Morgen reißen wir die paar Meilen bis zu Vaters Höhle runter, und den Rest - schaun mer mal. Dürfte nicht so schwer sein.. Er tippt auf den Bildschirm.

»Habe mir die wichtigsten Infos schon mal gezogen.«

Alles kein Problem, alles unter Kontrolle, nur ein unbedeutendes Reaktorleck. Das gleiche Motivationsgewäsch hatte er vor unserem Abflug nach Kuala Lumpur auch abgelassen. Und am nächsten Tag lag zwischen uns und ihnen nur noch eine Betondecke.

Extraleben - Trilogie
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