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Bei Raumschiff Enterprise gibt es eine Folge, in der die Mannschaft von einem Planeten zurückkommt und Kirk danach ständig ein Summen im Ohr hat - so, als ob eine Fliege auf der Brücke ihre Runden dreht. Am Schluss der Folge kommt dann raus, dass der Landetrupp keine Fliegen, sondern ein paar Außerirdische mit hochgebeamt hat, die sich aber in einer beschleunigten Zeit bewegen. Was Kirk gehört hatte, waren ihre Gespräche, im Super -Vorspulmodus quasi. So ungefähr kommen wir uns im KAFE INTERNET 24 vor. Wir kauern in unserem kleinen, langsamen Universum, während um uns herum das Leben mit doppelter oder dreifacher Geschwindigkeit vorbeirast. Seit wir Anfang der Neunziger das letzte Mal eine Arcade betreten haben, also eine richtige Videozockhalle, ist uns nicht mehr eine derart heftige Energie entgegengeschlagen. In dem flachen Verschlag wuselt es wie in einem Ameisenhaufen. Vor jedem Bildschirmplatz kauert ein chinesischer Schüler und zockt irgendein obskures Online-Rollenspiel; dahinter stehen ein paar seiner Kumpels, die klugscheißen oder ihn wegrempeln, um selber zocken zu können. Da niemand Kopfhörer benutzt, herrscht der gute alte Proberaum-Darwinismus: Jeder reißt die billigen Boxen neben seinem Flatscreen ein bisschen mehr auf, um die anderen zu übertönen. Todesschreie, Schwerterklirren und dröhnende Raumschiffdüsen schaukeln sich in der schwülen Luft zu einem infernalischen Soundbrei hoch, gegen den der billige malayische Mädchen-Pop aus den Boxen unter der Decke keine Chance hat. Kurz gesagt: Es ist das Paradies - und wir würden verdammt gerne aufgenommen werden. Doch das geht natürlich nicht - aus vielen Gründen. Erst mal fassen wir das komplizierte MMORPG-Zeugs grundsätzlich nicht an, weil es wertvolle Lebensenergie raubt, die viel besser in Ballerspiele investiert werden kann. Avoid missing ball for highscore - Games, die längere Instruktionen als Pong brauchen, taugen nichts, so lautet unser eisernes Gesetz. Und dann wäre da noch die unangenehme Kleinigkeit, dass alle Typen hier drinnen zu einer Zeit geboren wurden, als wir auf der Uni-Party »es ist Neunzehnsechsundneunzig ...« mitgrölten. Die würden mit uns den Boden aufwischen, bevor wir auch nur verstanden hätten, wo bei einer malayischen Tastatur die Umschalt -Taste ist. Da hocken wir also, zwei Außerirdische aus einer alten Welt mit ebenso alten Medien vor dem Bildschirmplatz mit der Nummer 29. Papier, Grid, Dienstrechner und die Audiokassette haben wir ordentlich vor uns aufgebaut. Wie die Währung hier in Malaysia wirklich heißt, haben wir mittlerweile rausgekriegt: Ringgit - und vier Einheiten davon kostet uns der Ausblick auf den Flatscreen und die puffrot gestrichene Wand dahinter pro Stunde. Wie viel das ist, wissen wir nicht. Die Reisekostenabteilung der Datacorp wird es verschmerzen, genau wie die zweitausend Ringgit, die wir bei einem Elektronik-Discounter um die Ecke für einen Kassettenrecorder verbrannt haben. Ein richtig schönes Gerät für Profis mit Edelstahlgehäuse und analoger Aussteuerungsanzeige - perfekt, um ein Interview mit Bundeskanzler Helmut Schmidt in seinem Bonner Bungalow mitzuschneiden. Allein das Auspacken war schon pure Entspannung. Unboxing - ein weiterer Kult, dem wir allzu gerne huldigen. Im Karton versteckten sich viele schöne Kabel in kleinen Säckchen und - Freude! - eine gedruckte Gebrauchsanleitung. Herrlich. Auch wenn wir niemals auf die Idee kämen, das Heftchen zu lesen, ist es doch toll, so ein Ding aus den Tiefen der Kartonschatztruhe zutage zu fördern. Ich drücke die schwere Play-Taste runter und genieße das satte Klacken, mit dem sie wieder hochspringt, sobald man die Stopp-Taste betätigt. Wie ein stolzer Vater, der zum ersten Mal seinen Nachwuchs sieht, hat sich Nick über das Gerät gebeugt und lächelt.

»Ist es nicht schön, dass der Kasten keine MOTS-Taste hat?«

»Was zur Hölle ist eine MOTS-Taste?«

»More of the same. Gibt es bei den neuen Anlagen. Sucht dir aus deiner Musik-Sammlung oder irgendeinem Netz-Laden andere Stücke raus, die so ähnlich klingen.«

Ekel steht in seinem Gesicht.

»Kann doch praktisch sein«, halte ich dagegen. Müder als sonst, aber trotzdem überzeugt, geht der Beifahrer auf Gegenkurs: »Was ist denn praktisch daran, sich ständig auf ausgetretenen Pfaden zu bewegen ...«

»Aber so findest du doch vielleicht neue coole Sachen ...«, beharre ich.

»... die alle genauso klingen wie deine alten. Nein, ich sage dir, MOTS kann niemals das ersetzen, was dir ein guter DJ gibt - diese Mischung aus dem, was du willst, und dem, von dem du denkst, es niemals zu wollen, aber nach dreieinhalb Minuten für das geilste Stück hältst, das jemals aufgenommen wurde.«

Vielleicht lässt sich ein Kompromiss stricken ...

»Optimal wäre also MOTS plus eingebauter Zufallsgenerator.«

Einer technischen Lösung kann sich Nick natürlich niemals verweigern. Pro forma kratzt er sich kurz am Kinn, um das Kriegsbeil dann mit einem genuschelten »Geht zumindest in die richtige Richtung« zu begraben. Der Angestellte des Monats wünscht sich also auch bei der Musik eine führende Hand; aber vielleicht ist das jetzt nicht der richtige Moment, um darauf rumzureiten. Jedenfalls sind wir uns also einig geworden, so schnell wie lange nicht mehr. Wow, wir sind echt müde.

Extraleben - Trilogie
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