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»Have you been to the Petronas Towers yet?«, fragt der Taxifahrer freundlich. Leider können wir ihm nicht sofort antworten, da der Zuckerschock von fünf Pfannkuchen mit Ahornsirup gerade unsere Blutbahn erreicht hat, was wiederum dazu führt, dass wir wie Teenager auf dem Weg zur ersten Pfarrsaal-Disko auf dem Rücksitz zappeln und kichern. Nick ist zusätzlich high davon, dass er gerade heimlich mit Sabina telefoniert hat, während ich unter der Dusche war. Süß, er ist halt ein Guter.

»No!«, brüllt Nick schließlich übermütig zum Fahrer nach vorne. Der Inder zuckt leicht zusammen und stellt seine Versuche, ein Gespräch anzuleiern, sofort ein. Kuala Lumpur - das klingt so, als kämen von hier diese bengalischen Hölzer, die so schön rot und heiß brennen und mit denen wir als Kind unsere Big-Jim-Figuren immer in kleine Freddy Kruegers verwandelt haben. Sehr exotisch eben. Als ob an jeder Ecke ein englischer Offizier - Typ Higgy Baby aus »Magnum« - auf seiner Veranda sitzt und einen Gin Fizz schlürft. Heruntergekommene Kolonialvillen, an denen der Glanz des Empire langsam abblättert, genau danach klingt Malaysia. Fehlanzeige. Wie üblich kann die Wirklichkeit mit dem, was ein Leben vor dem Fernseher in unseren Köpfen hinterlassen hat, nicht mithalten. KL ist einfach nur ein Drecksloch. Was nicht heißt, dass die Stadt wirklich dreckig ist. Sie ist sogar ziemlich aufgeräumt, zumindest hier in der Innenstadt. Auf den rostrot gekachelten Bürgersteigen liegt kein Müll rum, und die gelben Straßenmarkierungen blitzen wie frisch gemalt. Alles richtig adrett, man merkt, dass nichts das Touristenauge von den tollen Türmen ablenken soll. Die sehen übrigens von Nahem irgendwie retortenmäßig und gleichzeitig kindisch aus. Mit diesen Zuckerbäcker-Kanten und den runden Kugeln an der Spitze erinnern sie an ein Küchengerät von Alessi, das Sabina ausgesucht haben könnte. Postmoderne vom Schlimmsten. Und selbst das einzig coole Feature, den Gang zwischen den Türmen auf halber Höhe, haben die Architekten dadurch verhunzt, dass sie von unten so hässliche Stahlstreben drangeklatscht haben. Okay, sie sind hoch, aber mehr auch nicht. Obwohl es aufgehört hat zu regnen, hängen immer noch dunkelgraue Gewitterwolken in die obersten Stockwerke rein. Quälend langsam kämpft sich das Taxi durch den Berufsverkehr. Motorroller schießen wie Mücken an unseren Köpfen vorbei und stürzen sich in jede Lücke, die die Toyotas, Hyundais und SsangYong-Geländewagen den lebensmüden Fahrern lassen. Der Lärm der Zweitakter dröhnt so laut durch die Ritzen des klapprigen Taxis, dass man das Gefühl hat, der Wagen hätte gar keine Türen. Um es uns ein bisschen netter zu machen, hat der Fahrer koreanische Boyband-Sülze aufgelegt. Melodie D Amour steht auf der CD-Hülle, die zwischen einem Handy und irgendwe1chen Gebetsbändern neben der Handbremse vor sich hinklappert. Auf dem Cover sitzt der junge Sänger sehr intensiv vor einer Backsteinwand. Bandfotos vor Backsteinwand sollten von der UNO geächtet werden. Genau wie abgehalfterte Musiker, die in Interviews behaupten, die »großen Stadien« satt zu sein und lieber »in kleinen Clubs« spielen zu wollen. Major Tom hat sich mit seinen weiteren Anweisungen ziemlich viel Zeit gelassen. Während wir gerade ins Taxi steigen, kommt seine Nachricht mit den genauen Zielkoordinaten auf dem Dienstrechner an. Wir sagen die Adresse nach vorne durch. Nach dem Gesichtsausdruck des Fahrers zu urteilen, hat Irving seine Emeritenhütte nicht gerade in der besten Gegend von KL aufgeschlagen. Jedenfalls ließ sich der Inder die Adresse zweimal ansagen, und langsam wird uns auch klar, warum. Türkische Riviera, circa 1985. Ziemlich genau so sieht Kuala Lumpur da aus, wo die Schatten der Petronas Towers nicht mehr hinreichen. Antalya, Kerner, mit einem Schuss Benidorm vielleicht. Das Taxi rattert über eine breite Straße, die auf beiden Seiten von halbhohen, unverputzten Betonklötzen eingekeilt ist. Die Ladenbesitzer haben bis zum zweiten Stock jeden freien Zentimeter mit Werbung zugehauen, wie bei einem Formel-1-Rennwagen. RESTORAN OKAY, SEVENELEVEN-BUK A 24 JAM, POLIKLINIK LOURDES schreit es von den Balkons runter. Auf manchen Schildern stehen chinesische, auf anderen arabische Schriftzeichen. Davon abgesehen scheint Kuala Lumpur vor allem aus Klimaanlagen zu bestehen; in jedem Fenster schaufelt mindestens ein graues Aggregat die Luft rein, wobei der Trend ganz klar zur Zweit-Klimaanlage geht. Wir fahren unter einer Betonbrücke durch, über die gerade eine blaue Einschienenbahn fährt. Hurra, Monorail! Genau so haben wir uns die Zukunft immer vorgestellt, als wir damals im Freizeitpark mit der Einschienenbahn an pneumatisch zuckenden Papp-Dirtos vorbeigezuckelt sind. Das muss das Verkehrsmittel der Zukunft sein - wenn man nicht gerade mit dem Raketenrucksack unterwegs ist.

Extraleben - Trilogie
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