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»Okay, wir schreiben das Jahr 1980 ...«

Und starten in die unendlichen Weiten des nutzlosen IT-Wissens. Bedächtig klappt Nick die vordere Hälfte des Rechners auf. Im Film hätte der Regisseur jetzt eine grelle, gelbe Lampe in das Gerät gebaut, damit dem Helden gleißendes Licht ins Gesicht scheint und auch der letzte Zuschauer kapiert, dass stapelweise Gold in der Schatztruhe liegt. Kaum hat der Beifahrer Kontakt mit der Hardware aufgenommen, ist er wie ausgewechselt: Aus der Haut des müden Business-Kriegers pellt sich wieder der fünfzehnjährige Nerd, dessen Augen so leuchten, als ob er gerade seinen ersten Amiga kriegt. Eine technische Einzelheit nach der anderen sprudelt aus ihm heraus, während er versonnen mit den Fingern über die glänzende schwarze Tastatur streicht. Der Geist ist aus der Flasche.

»...also, ein paar Jungs im Valley beschließen, ihre Jobs bei Apple und Xerox hinzuschmeißen, um ihr eigenes Ding zu machen: Sie wollen einen Computer bauen, der bequem in einen Aktenkoffer passt, genauer gesagt, in eine Hälfte eines Aktenkoffers.«

»Aber es gab doch vorher schon tragbare Rechner ...«

Der Dozent setzt ein gespieltes Lächeln auf.

»Jaa, für Bodybuilder vielleicht. Klar gab es Teile wie den Osborne 1. Aber der wog zwölf Kilo, wegen des eingebauten Röhrenmonitors. Doch die Jungs von Grid, so nannten sie ihre Firma, die wollten was ganz Neues machen: einen Laptop halt, den man auf den Schoß stellen kann, ohne sofort Druckstellen zu kriegen. Und das haben sie dann auch durchgezogen.«

Nick stemmt den Rechner kurz hoch, wie der Pfarrer die Hostie in der Kirche, und schüttelt ihn sachte vor meinem Gesicht rum.

»Weißt du überhaupt, wie viele Erfindungen hier drinstecken?«

Es folgt eine Pause von einer halben Sekunde, die wie üblich nicht mal zum Einatmen reicht, erst recht nicht zum Antworten. Dann feuert das Detail-MG schon wieder. Er hätte echt Prof werden soll.

»Also erst mal das Design: Der Grid war der erste Rechner, bei dem der Bildschirm über die Tastatur geklappt wurde! Mit dem Patent darauf hat die Firma noch jahrelang Millionen gescheffelt. Jeder Computerhersteller, der danach ein Clamshell-Modell auf den Markt bringen wollte, musste dafür löhnen.«

Die Wandlung ist vorbei, Nick stellt die Kiste wieder ab und inspiziert den aufgeklappten Bildschirm. Er ist so klein, dass man ihn mit einer Hand locker abdecken könnte. Trotzdem löst er äußerste Erregung aus.

»Genial«, schwärmt Nick weiter.

»Ein flaches Elektrolumineszenz-Display; um das liefern zu können, musste der japanische Zulieferer erst mal eine neue Fabrik bauen, so neu war die Technologie damals.«

Seine Finger liebkosen das Keyboard, fahren zärtlich den Gehäuserand entlang; ein bisschen zittert seine Hand immer noch.

»Doch das Allercoolste ist das Gehäuse. Ich sage nur eins: Magnesium. Leicht, unverwundbar.«

Dagegen lässt sich absolut nichts einwenden. Hardware aus Magnesium regiert - nur Titan kann dagegen noch anstinken. Das war schon in der Grundschule so: Alle wollten unter ihren Skateboards diese breiten, gelb lackierten Achsen aus Magnesium haben, weil die auch bei hohen Sprüngen nicht brachen, versprach der Hersteller. Nicht dass das irgendjemand mal ausprobiert hätte. Trotzdem war Magnesium ein Muss. Nick unterbricht seine Huldigung kurz und schaut hoch: »Den hat John dir einfach so gegeben? Der gehört eigentlich ins Museum. Von dem Modell wurden nur dreitausend Stück gebaut«

»Echt? Warum so wenige?«

»Weil die Kiste 8150 Dollar kostete.«

Hurra - Zeit für einen volkswirtschaftlichen Einwurf!

»Das ist in heutigem Geld ja so viel wie ...«

»... ja ja, dafür hättest du damals einen Mittelklassewagen kaufen können«, fährt Nick dazwischen. Er gönnt mir echt nichts.

»Doch das war nicht das Problem. Die angepeilten Kunden - also Manager - kamen einfach nicht auf die Idee, sich selbst vor eine Tastatur zu setzen. Das war zu der Zeit noch eine Sache der Sekretärinnen, nichts für Chefs. Selbst tippen - unvorstellbar! Also machte sich Grid an einen neuen Kunden ran.«

»Die Regierung?«

»Exakt. CIA, NSA, Army und alle, die volle Kassen hatten und sich für einen robusten Rechner interessierten, der nichts abstrahlt und - angeblich - in einer Stichflamme aufgeht, sobald man ihn ins Feuer wirft. Für den Fall, dass mal schnell Beweise vernichtet werden müssen.«

»Deshalb das Magnesium?«

Der Einwand provoziert natürlich Verschwörungstheoretiker-Floskel Nummer Zweiundvierzig, die Nick wie immer todernst serviert: »Das Gegenteil konnte bis heute nicht bewiesen werden ...«

Mit drei gedachten, bedeutungsschwangeren Punkten dahinter. Dann spult er den Rest des Lexikoneintrags runter.

»Angeblich betrieb die CIA sogar ein Büro direkt gegenüber von der Grid-Zentrale in Mountain View; man wollte den Hoflieferanten im Blick behalten. Das ist allerdings echt nur Spekulation. Sicher ist: Jeder, der in den Achtzigern was auf sich hielt, hatte einen Compass 1101im Gepäck, von Steve Jobs bis zu Francis Ford Coppola. Sozusagen der Porsche 959 unter den Rechnern. Sogar in der AirForce One ist angeblich einer mitgeflogen.«

Wow, auf unserem billigen Hotelbett steht also der Laptop des amerikanischen Präsidenten, oder zumindest das gleiche Modell. Wenn uns die Klapperschlange Snake Plissken da mal nicht auf die Schliche kommt. Nick inspiziert die Gehäuserückseite.

»Schade, dass wir ihn jetzt nicht anmachen können.«

»War kein Kabel dabei«, entschuldige ich mich, obwohl es ja eigentlich nicht meine Schuld ist. Die Buchse sieht aus, als käme ein ganz normales dreipoliges Stromkabel rein. Müsste kein Problem sein, eins zu bekommen - vorausgesetzt, die Kiste verträgt nicht nur amerikanische 110 Volt, und selbst dafür hätte der Elektronikmarkt um die Ecke sicher eine schnelle Lösung auf Lager. Nick stellt den Grid wieder auf die Anrichte neben dem Fernseher und geht ins Bad. Ich nehme die Fernbedienung vom Nachttisch.

»Fernsehen?«, rufe ich rüber.

»Ock«, brüllt Nick über das Rauschen des Wasserhahns hinweg. Er behauptet immer, nicht ohne Fernsehen einschlafen zu können, also tue ich ihm den Gefallen und schalte die Glotze ein. Alle Gesichter dehnen sich wie Pfannkuchen über den Schirm. Die Elektronik des Fernsehers hat das gesendete 4:3-Bild auf 16:9 ausgewalzt, in diesem Modus laufen 98 Prozent aller Geräte in Flughäfen, Hotels und Bars. Tja, das Leben hat halt meistens kein Hollywood-Format, da helfen auch keine digitalen Tricks. Wenn es echt Außerirdische gibt, die - wie bei »Contact« - unsere Fernsehprogramme gucken, denken sie bestimmt, alle Wesen auf diesem seltsamen Planeten Erde sind 1,40 groß und wiegen 100 Kilo. Noch vor der ersten 0190-Werbung sind wir eingeschlafen.

Extraleben - Trilogie
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