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„Bist du sicher, dass sie uns nicht bloß einlullen wollten?“, fragte Nyawĩra, nachdem Kamĩtĩ erzählt hatte, was gerade geschehen war.
Seit ihrer Rückkehr nach Eldares und trotz des einen oder anderen Polizisten, der wegen der Magie vorbeigekommen war, hatten sie immer das Gefühl gehabt, als würde Nyawĩra durch eine unsichtbare Wand vor den Blicken des Feindes geschützt werden. Doch seit Kaniũrũs Besuch hatte Nyawĩra das Gefühl, als wäre diese Wand plötzlich in sich zusammengefallen.
„Wenn sie kommen sollten, um mich zu holen“, sagte sie und brach das Schweigen über diese Ängste, „versprich mir, den Schrein niemals aufzugeben. Versprich mir, dass du deinen Glauben an den Weg der Sieben Kräuter der Tugend bewahren wirst.“
„Bitte sprich nicht so. Solange du dich mitten im Volk versteckst, wird dich kein Feind entdecken.“
„Wenn ein Spion in deinem Hof sitzt, gibt es kein Entrinnen“, sagte Nyawĩra resigniert. „Ich weiß nicht, wie lange ich noch verschiedene Charaktere spielen und Verkleidungen wechseln kann. Außerdem ist Vorsicht keine Feigheit. Mir wäre wohler, wenn ich dir dieses Versprechen abringen könnte“, fügte sie hinzu.
„Was wäre ich für ein Heiler, wenn ich die verlassen würde, die unter Todesgefahr nach der Erfüllung des Lebens suchen? Und was die Sieben Kräuter der Tugend angeht, sie symbolisieren einen Weg, und dieser Weg gehört uns allen. Aber du sollst mir auch etwas versprechen. Sollten sie mich jemals holen, dann sorge dafür, dass die Arbeit des Herrn der Krähen weitergeht.“
„Sag nicht so etwas“, erwiderte sie.
„Gut, dann lass uns aufhören, so zu reden, als würden wir Abschied voneinander nehmen“, sagte Kamĩtĩ. „Du gehst nirgendwohin, Nyawĩra. Und ich ebenso wenig. Hier in unserem Schrein sind wir sicher.“
Sie umarmten sich und hielten einander fest, als wollten sie das Gefühl ewiger Sicherheit mit einer ewigen Umarmung besiegeln.
„Jetzt aber an die Arbeit“, meinte Nyawĩra und befreite sich.
„Eine Bitte noch.“ Kamĩtĩ hielt ihre Hände fest.
„Nicht an die Arbeit zurückzugehen?“
„Den Bann, tagsüber die Narben des anderen zu suchen, sollten wir aufheben.“
„Nicht tagsüber, abends“, wehrte sie ab.
Sie freuten sich auf die gegenseitige Erkundung, und das anhaltende Gefühl, sie könnten vielleicht verhaftet werden, verstärkte die Anziehung.
Aber am Abend, als alle Kunden und Mitarbeiter gegangen waren und sie glaubten, sie könnten mit der Erkundung beginnen, entdeckte Nyawĩra Kahiga und Njoya auf dem Grundstück.
„Lass mich mit ihnen reden“, meinte Kamĩtĩ und versuchte, sie mit gespielter Zuversicht zu beruhigen. „Versteck dich hier und sei bereit zu fliehen. Du kennst das verabredete Signal und den Weg, den du nehmen musst.“