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Trotzdem war bis zum Nachmittag eine gewisse Kühle zwischen ihnen aufgekommen. Nicht, weil sich ihre Zuneigung geändert hatte, sondern weil sie viele Dinge zurückgestellt hatten, Dinge, die nun nicht länger warten konnten.

Kamĩtĩ bemühte sich, die Fragen zu beantworten, die Nyawĩra plagten. Der Brief, den er ihr geschrieben hatte, war ihr unverständlich geblieben.

„Es war nicht so, dass ich bewusst entschieden habe, der Heilerei, der Wahrsagerei und dem Geld den Rücken zu kehren, um ab sofort das Leben eines Einsiedlers in der Wildnis zu führen“, versuchte Kamĩtĩ zu erklären.

Er sprach in einem ruhigen Ton, weder aufgeregt noch niedergeschlagen, weder traurig noch fröhlich; vielleicht ein wenig in sich gekehrt, als würde er, während er sich an Nyawĩra richtete, ein Selbstgespräch führen.

„Wahrscheinlich gab es mehrere Gründe, vielleicht auch nur einen einzigen. In Wahrheit ist mir das selbst alles andere als klar. Ich habe die Rolle des Herrn der Krähen nicht freiwillig gespielt, ich wurde hineingedrängt. Du weißt, wie die Sache angefangen hat. Wie war noch sein Name – ich meine den Polizisten, der uns an diesem Abend durch das Grasland gejagt hat? Arigaigai Gathere. A.G.! Was für ein Name! Arigaigai! Hast du schon mal einen solchen Namen gehört? A.G. hat mich zur Zauberei gebracht. Wegen meiner eigenen Schwierigkeiten habe ich alles bereitwillig getan. Am Anfang war ich der Meinung, dass ich nur kurz diese Rolle spielen muss. Ich war stolz, nicht ein einziges Mal Zauberei verabreicht zu haben, die anderen geschadet hat; ich habe meine Kunden nie wirklich belogen. Und ich habe die Zaubertricks auch nie benutzt, um meine Kunden zu beeindrucken. Ich habe mit Gedanken und Bildern gearbeitet, die sie in ihrem eigenen Kopf hatten. Trotzdem habe ich vorgegeben, jemand zu sein, der ich nicht bin. Habe ich unter Vorspiegelung falscher Tatsachen geheilt? Stell dir vor, du gehst zum Arzt und erfährst hinterher, dass er überhaupt keine Ausbildung hat, keine Zulassung? Ich war ein Quacksalberheiler. Aber darum geht es nicht. Meine Weissagungen entstanden aus der Lust am Bösen. Nimm Tajirika und Konsorten: Habe ich ihm nicht neues Leben eingehaucht und sein Zutrauen ins Böse gestärkt? Fühlt er sich jetzt, geschützt von der Magie, nicht erst ermutigt, ungestraft zu rauben? Hat meine Weissagung seine Diebstähle überhaupt erst ermöglicht? Ich war Komplize genau des Bösen, das mich mit Abscheu erfüllt.

Vielleicht unterlag ich anfangs der Illusion, einer oder zwei könnten den Weg zu mir finden, unerschrocken genug, sich einzugestehen, dass sie auf Abwege geraten waren, und zu sagen: Ich trage an einem Makel, hilf mir, ihn abzulegen. Das hätte meiner Rolle etwas Wert verliehen. Aber sie wurden alle von Hass und Gier getrieben.

Sie waren nur an zwei Dingen interessiert: mächtiger zu werden und ihre Rivalen zu vernichten. Und was die Gier angeht, war einer der Klon des anderen. Ihre Gier stank zum Himmel. Sogar wenn ich ihnen Fragen nach ihren Beschwerden stellte, kroch ihnen der Gestank des Bösen und der Gier aus jeder Pore und machte mir das Atmen schwer. Eine Zeit lang gelang es mir, diesen Geruch auszuhalten, weil ich noch den Blumenduft roch, den du zurückgelassen hast. Aber Tajirikas innere Fäulnis war schlimmer als alles, was ich je zuvor erlebt habe: ein Schwarzer, der seine eigene Negation feiert. Diesen letzten Schwall verpesteter Luft konnte ich nicht ertragen.

Ich weiß nicht, woher ich die Kraft nahm, aber irgendwann fand ich mich draußen vor der Tür wieder. Der Gestank hing immer noch an mir. Ich bekam Panik. Immer wenn ich hinaus ins Freie gegangen bin, konnte ich ihren Gestank loswerden und frische Luft atmen. Das gelang jetzt nicht mehr. Ich brach zusammen. Als ich wieder zu mir kam, wollte ich nicht in den Schrein zurück. Aber ich zwang mich zurück ins Haus, um dir den Brief zu schreiben. Ich hatte einen Entschluss gefasst.“

„Und welchen?“, fragte Nyawĩra.

„Eldares zu verlassen. Die menschliche Gesellschaft hinter mir zu lassen und in die Wildnis zu ziehen.“

„Was hast du mit der Zeile ‚Ich gehe, um mich selbst zu finden‘ in deinem Brief gemeint?“, fragte Nyawĩra nach.

„Ich will nicht behaupten, in dem Augenblick, als ich den Brief schrieb, alle meine Gedanken in Worte gefasst zu haben. Zuallererst wollte ich dem Gestank entkommen. Ich habe dir erzählt, dass ich das Gefühl hatte, der Gestank würde mir folgen, als ich nach draußen ging. Als würde er mir in die Kleider, den Körper und in mein ganzes Wesen dringen. So hatte ich mich noch nie gefühlt. Ich habe mich gefragt: Wenn ich anfange, zu stinken wie sie, was unterscheidet mich dann noch von ihnen?“

„Und diese Fäulnis, von der du so bewegend sprichst – was, meinst du, wird ihr ein Ende bereiten?“

„Die Angelegenheiten des Volkes sind mir eine zu schwere Last.“

„Hast du nicht selber gesagt, dass die Bedürfnisse der Mehrheit mehr als die Arbeit eines Einzelnen erfordern? Heißt es nicht genau deshalb, viele Hände machen die Arbeit leicht?“

„Ich will einfach hier in der Wildnis bleiben, um mich selbst zu finden. Ich will herausfinden, was ich wirklich vom Leben erwarte. Vielleicht ist es das Blut des Jägers, das sich in mir regt.“

„Du meinst, es sagt dir, dass du vor dem Volk davonlaufen sollst? Um dich selbst zu heilen?“

„Man muss sich selbst gefunden haben, bevor man versuchen kann, anderen zu helfen.“

„Chirurgen operieren sich nicht selbst. Und unser Volk sagt, dass selbst der beste Barbier jemanden braucht, der ihm die Haare schneidet. Um ein Feuer anzuzünden, braucht man Zunder und Streichhölzer. Die Probleme des Landes sind unsere eigenen. Niemand vermag sie allein zu schultern. Wir können nicht davonlaufen und alles den Ungeheuern und Skorpionen überlassen. Es ist mein Land. Es ist dein Land. Es ist unser Land. Und außerdem kannst du in Aburĩria nirgendwohin davonlaufen. Wie du selbst gesagt hast, sogar diese Wälder werden von der Gier der Mächtigen bedroht.“

„Und was soll ich tun? Weiter weissagen?“, fragte er, als wiederholte er eine Frage, die er sich selbst bereits gestellt hatte.

„Die Fähigkeit zum Weissagen ist eine Gabe. Selbst wenn ich mir noch so große Mühe geben würde, könnte ich die Fälle trotzdem nicht mit der Weisheit regeln, die ich bei dir erlebt habe. Es ist, als ob du den Menschen in die Herzen sehen und ihre Gedanken lesen könntest. So, wie du das bei Vinjinia und Tajirika getan hast. Wer wäre je auf den Gedanken gekommen, dass Wünsche dem Körper und der Seele so zusetzen können. Und was das für eine Heimsuchung war! Ein Weiß-Wahn, der so tief saß, dass er fast seine Firma verloren hätte!“

Kamĩtĩ schaute weg und blickte auf die Berge in der Ferne.

„Was hast du?“, fragte Nyawĩra unruhig.

Kamĩtĩ antwortete nicht sofort. Langsam drehte er sich um und sah Nyawĩra wieder ins Gesicht.

„Nichts“, antwortete er. „Wirklich nichts, aber ich hoffe sehr, dass wir eines Tages über alles reden können …“

„Wir können jetzt reden“, sagte Nyawĩra aufmunternd, „sogar über das, was du als Nichts bezeichnest. Hast du mich nicht vorhin gefragt, was ein Einzelner tun kann? Dann will ich dir eine Frage stellen. Wenn du siehst, wie ein Erwachsener einem Kind mit Gewalt das Essen wegnimmt, würdest du einfach dastehen und zusehen?“

„Nein. Was willst du?“, fragte Kamĩtĩ. „Du bist nicht gekommen, um mit mir zusammen zu sein.“

„Marching to Heaven wird unser Land verschlingen. Wo werden wir dann Schutz vor Regen und Sonne finden? Es wird den Durstigen das Wasser und den Hungrigen das Essen vom Mund stehlen. Unser Land wird von Skeletten bevölkert sein. Wie sollen wir Körper, Herz und Geist unserer Nation zurückbekommen?“

Nun erzählte Nyawĩra ihm von den Geheimplänen des Herrschers: dass ein Tag bestimmt worden war, an dem ein Bauplatz für Marching to Heaven geweiht werden sollte. Sie berichtete ihm von der verhängnisvollen Absicht des Staates, die Warteschlangen in Eldares zu nutzen, um die Vertreter der Global Bank davon zu überzeugen, das Volk stünde in vollem Umfang hinter dem Projekt.

„Wir haben in der Bewegung eine Zeit lang überlegt, gegen die Warteschlangen zu protestieren, aber sieht man sich die Arbeitslosenzahl im Land an, wird ganz schnell klar, dass wir keine Chance haben, diese Manie zu stoppen. Wir werden also eine Protestschlange bilden. Alle Männer und Frauen in Aburĩria müssen im Protest gegen diesen Wahnsinn von Marching to Heaven zusammenstehen. Gegen das Recht der Macht setzen wir die Macht des Rechts. Wir möchten, dass du dich uns anschließt. Setz deine gottgegebene Kraft zur Weissagung ein, um dem Volk und der Bewegung zu helfen.“

Kamĩtĩ stand auf und starrte erneut über die Hügel in der Ferne. Als er sich wieder zu ihr umwandte, strahlten seine Augen, wie Nyawĩra es noch nie gesehen hatte. Es war ein Leuchten, das eher Trauer als Freude ausstrahlte, das Leuchten in den Augen eines Menschen, der mit einem Wissen belastet ist, das er lieber nicht hätte. Er setzte sich neben Nyawĩra und legte ihr den Arm um die Schulter. Nyawĩra spürte ein Zittern durch ihren Körper gehen, als sie jetzt auf seine Antwort wartete.

„Die Wahrheit ist, dass mich etwas anderes aus Eldares vertrieben hat als der Gestank der Korruption“, fing Kamĩtĩ an. „Es war eine Kombination aus verschiedenen Ereignissen, die mich gezwungen hat, in mich hineinzuschauen, und ich habe kein klares Ziel in meinem Leben gesehen. Das einzige hatte darin bestanden, mich zu bilden und nachher viel Geld zu verdienen, um die Aufopferung meiner Eltern wiedergutzumachen. Du weißt, dass dies der Grund war, warum ich Betriebswirtschaft als Hauptfach gewählt habe. Die Ironie war nur, dass ich nie das Gefühl hatte, mir ein Leben in der Geschäftswelt zu wünschen, obwohl ich im Studium recht gut war.

In Indien, während meines Studiums der Heilkraft von Pflanzen, hatte ich die verschwommene Vorstellung, einmal als Arzt verletzter Seelen zu arbeiten. Aber wer meine zukünftigen Patienten sein sollten, davon hatte ich keine Ahnung.

Ich habe mich zu den Religionen Asiens hingezogen gefühlt. Ich wollte mehr über die Propheten und Lehrer des Ostens erfahren. Buddha zum Beispiel, Mahavira, den Begründer des Jainismus, Guru Nanak Dev von den Sikhs oder den Chinesen Konfuzius. Einige ihrer Glaubensvorstellungen – die Lehre des Karma zum Beispiel – stehen dem nahe, was du über die Taten und Handlungen des Menschen als bestimmende Faktoren des Lebens auf der Erde gesagt hast. Das buddhistische Karma ist eine Handlung, eine körperliche, mündliche oder geistige, die eine potentielle Kraft in sich birgt. Jede unserer Handlungen hat eine gute oder schlechte Wirkung und beeinflusst unsere Zukunft. Wiederholt man eine gute Tat, dann vermehrt sie das Gute, und seine potentielle Kraft wirkt sich als positiver Einfluss auf die Zukunft aus. Jeder Mensch hat sein eigenes Karma, sein ganz eigenes Potential für das Gute oder das Böse. Wie ,Chi‘ bei den Igbo.

Unsere Ahnen sagen, dass ein Bauarbeiter dir ein Haus nur mit dem Baumaterial bauen kann, das du selbst ihm lieferst. Du bringst ihm Steine? Dann bekommst du ein Steinhaus gebaut. Du bringst ihm Holz? Dann bekommst du ein Holzhaus. Du bringst ihm schadhafte Steine, schadhaftes Holz oder Eisen oder schadhaften Stahl, dann baut er ein schadhaftes Haus. Der entscheidende Unterschied zwischen deiner Position und den Religionen, die ich studiert habe, besteht im Glauben an die Seelenwanderung. Begehst du in diesem Leben bestialische Taten, dann wirst du im nächsten Leben als gierige Hyäne oder hässliches Warzenschwein oder einfach als Untier auf die Welt kommen. Jeder Mensch sollte ein Leben guter Taten führen, damit sie oder er im nächsten Zyklus des Seins als höheres Wesen wiedergeboren wird.

Der buddhistische Standpunkt zum Eigentum zog mich an. Ein Mensch, der Ruhm, Wohlstand und Liebe anstrebt, ist wie ein Kind, das Honig von einer Messerklinge leckt. Indem es die Süße des Honigs kostet, riskiert es, sich in die Zunge zu schneiden. Besonders jedoch hat mich die Vorstellung vom Nirwana fasziniert. Ich weiß, dass das Wort übersetzt ‚erlöschen‘ heißt. Es handelt sich um einen Zustand perfekter Erleuchtung, ein Zustand, in dem alle menschliche Verunreinigung und Leidenschaft durch Übungen und Meditationen auf der Grundlage der Weisheit ausgelöscht sind. Buddha bedeutet ‚der Erleuchtete‘, ‚der, der die Erleuchtung erlangt hat‘. Und mir war nicht entgangen, dass Gautama Buddha diesen Zustand im hohen Alter erreicht hat, als er im Wald zwischen zwei hohen Bäumen lag.

Als ich nach Aburĩria zurückkehrte, musste sich meine Beschäftigung mit der Spiritualität den Notwendigkeiten unterordnen: Ich musste Arbeit finden. Ich habe eine Zeit lang geglaubt, man könnte im Geschäftsleben auch durch Aufrichtigkeit bestehen – du weißt schon, ohne zu schmieren – und dadurch unkorrumpierbar bleiben. Aber wie sich herausstellte, bekam ich nicht einmal die Möglichkeit, es herauszufinden. Den Rest kennst du.

Inzwischen glaube ich, dass es eine Kraft außerhalb von uns gibt, die über die Menschen bestimmt. Es ist jene Kraft, auf die die Religionen hinweisen, wenn sie sagen, dass Gott sich auf geheimnisvolle Weise offenbart und seine Wunder vollbringt. Wir beide hatten es uns ja nicht ausgesucht, als wir uns begegneten. Dieselbe Kraft hat dich hierhergeführt. Hinter all dem steckt eine Bestimmung.

Nyawĩra, bitte geh nicht zurück nach Eldares, zurück in diese Verdorbenheit. Lass uns hier ein Haus bauen; hören, was die Tiere und Bäume uns zu sagen haben. Vor langer Zeit glaubten meine Vorfahren, die Jäger, dass die Sonne unser Gott ist, weil sie der Ursprung von Licht und Feuer ist. Wenn wir als Kinder ihre Hitze in einem Brennglas einfingen, glaubten wir, ein Stückchen von ihrer Macht eingefangen zu haben. Lass uns hierbleiben und die Geheimnisse der Sonnenglut und des Lichts der Millionen Sterne entdecken.“

Nyawĩra traute ihren Ohren nicht. Diese Antwort hatte sie nicht erwartet. Er bat sie, Eldares den Rücken zu kehren, Aburĩria, ihrem Volk, um ein Einsiedlerleben zu führen als eines der Kinder Buddhas im neuen Jahrtausend mitten im aburĩrischen Wald, auf der Suche nach dem Sinn des Lebens. Ohne darüber nachzudenken, was sie tat, schob sie Kamĩtĩs Hand von ihrer Schulter.

„Vielleicht sind wir zu verschieden. Du fühlst dich zur Errettung verletzter Seelen berufen, ich zur Errettung verletzter Körper. Ich weiß nicht, was besser oder wichtiger ist. Aber eines weiß ich: Menschen haben die Freiheit zu entscheiden, was sie mit den Gaben anfangen, die Gott, die Natur, die Sonne, das Schicksal – nenn es, wie du willst, ich meine die transzendentale Kraft, von der du behauptest, sie bestimme das Leben – ihnen gegeben haben. Ob sie sie zum persönlichen Heil oder zur kollektiven Befreiung einsetzen wollen.“

Das war keine Frage, doch wieder wand sich Kamĩtĩ unter dem, was es beinhaltete.

„Wenn ich in die Ferne der Zeit schaue, dann sehe ich nur Finsternis, Nebel, Rauch, nichts Klares, Eindeutiges. Nyawĩra, ich rieche Tränen und Blut …“

„Wessen Blut und Tränen?“

„Ich weiß es nicht genau. Ich will dich und deine Freunde nicht bitten, eure Pläne zur Störung der Zeremonie auf dem Bauplatz von Marching to Heaven aufzugeben. Aber was mich betrifft, fühle ich mich dieser Aufgabe nicht gewachsen. Ich will immer noch hören, was mir die Tiere, Pflanzen und Berge zu sagen haben. Ich muss mich erst selber finden.“

„Wir“, sagte sie jetzt im Aufstehen, „wir sehen in Marching to Heaven eine Maßnahme, die unsere Erde in eine Hölle verwandelt, und wir haben beschlossen, etwas dagegen zu unternehmen.“

Sie sammelte ihre Sachen ein und wollte gehen. Die Streichhölzer, den Wassertopf und den Topf ließ sie zurück.

Dann fiel ihr plötzlich etwas ein, das sie die ganze Zeit nicht angesprochen hatte.

„Sag mal, was ist eigentlich aus den drei Säcken Geld geworden? Was hast du mit ihnen gemacht? Oder vielmehr mit dem Geld?“

„Ich habe es vergraben“, meinte Kamĩtĩ erschöpft.

„Du hast das Geld vergraben?“, fragte Nyawĩra, als hätte sie ihn nicht richtig verstanden. „Du hättest es uns überlassen sollen!“, setzte sie hinzu. „Die Bewegung hätte das Geld im Kampf gegen diese Verbrecher gut gebrauchen können.“

„Ich sage dir, wo es liegt. Es gehört dir. Aber ich warne dich: Dieses Geld ist verflucht.“

„Es gibt kein Geld, das gesegnet oder verflucht ist“, erwiderte Nyawĩra. „Das hängt allein davon ab, wofür man es verwendet“, fügte sie hinzu und zögerte plötzlich.

Ihr fiel ein, dass die drei Säcke mit Geld sie an jenem Tag fast das Leben gekostet hatten, als sie ins Büro zurückgekommen war, um ihre Handtasche zu holen, und in den Lauf von Tajirikas Pistole gerannt war. Die drei Säcke hatten den Weiß-Wahn bei Tajirika ausgelöst.

„Vergiss das Ganze“, meinte sie. „Ich will nicht einmal wissen, wo es ist. Unsere Bewegung glaubt mehr an das Handeln der Menschen als an das Geld, das sie geben. Überlassen wir die Geldsäcke den roten Ameisen und Termiten. Es wird Zeit, dass ich in mein Versteck in der Stadt zurückkehre.“

„Die Sonne geht gleich unter. Warum bleibst du nicht noch die Nacht und brichst am Morgen auf, damit du bei Tageslicht durch das Grasland gehen kannst?“

„Nein, ich gehe sofort. Ich muss morgen früh zur Arbeit.“

„Dann begleite ich dich durch die Prärie“, bot Kamĩtĩ an.

„Nein, nein. Lass mich das allein machen. Dadurch lerne ich sie besser kennen. Außerdem sind die wilden Tiere der Prärie weniger grausam als die bestialischen Menschen, die Marching to Heaven vorantreiben.“

„Aber brich nicht alle Brücken hinter dir ab. Wie lautet das Sprichwort? Man kann sich an Orten wiederfinden, von denen man glaubt, sie längst hinter sich gelassen zu haben. Ich bin jetzt Bewohner des Waldes. Solltest du je zurückkommen, dann leg ein Stück Tuch hier in die Höhle oder auf irgendeinen Felsen im Wald, und ich bin sicher, dass ich dich finden werde.“

„Danke, aber ich habe nicht die Absicht, in naher Zukunft hierher zurückzukehren. Eldares braucht uns.“

Schweigend gingen sie bis zum Fuß der Berge, wo das Grasland begann. Kamĩtĩ sah Nyawĩra nach, wie sie die weite Ebene durchquerte, bis sie von der Akazie in der Ferne nicht mehr zu unterscheiden war.

Herr der Krähen
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