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Auch Kaniũrũ wartete auf den Herrn der Krähen. Wenn er an die Nacht zurückdachte, in der man den Hexenmeister ins State House gebracht hatte, blieben viele Dinge unklar. War es Zufall, dass Machokali ausgerechnet an dem Tag verschwand, an dem man den Herrn der Krähen fand? Worin bestand die Verbindung zwischen diesen beiden Ereignissen, wenn es denn eine gab? Er rief sich in Erinnerung, dass man ihn kurz nach Sikiokuu entlassen hatte und wie widerstrebend er sich entfernt hatte, weil Machokali und Tajirika sich weiter im Glanz der Macht sonnen konnten. Was war nach seinem Weggang geschehen? Hatte Tajirika bei Machokalis Verschwinden die Hände im Spiel? Hatte man dem neuen Gouverneur die Aufgabe übertragen, den Minister zu beseitigen? Bei diesem Gedanken empfand Kaniũrũ Furcht und Neid zugleich. Wenn Tajirika damit betraut worden war, dann war er dem Herrscher wirklich sehr nah, und das bedeutete, dass er in Zukunft noch größeren Einfluss haben würde. Kaniũrũ fürchtete Vergeltung für das Leid, das er über Tajirika und seine Familie gebracht hatte; er war wütend auf sich, weil er nicht vorhergesehen hatte, dass der Vorsitzende von Marching to Heaven sehr wohl zum vertrauten Siegelbewahrer des Herrschers aufsteigen könnte.
Er versuchte herauszufinden, wie er sich mit Tajirika versöhnen könnte, aber es gelang ihm nicht. Was ihn in den folgenden Wochen jedoch tröstete, war die Tatsache, dass die Regierung die Ergebnisse seines Untersuchungsausschusses zum Schlangenwahn dazu verwendete, das Verschwinden des Außenministers zu erklären. Sobald er aber daran dachte, dass die falschen, Tajirika zugeschriebenen Geständnisse zum Aufstieg dieses Mannes an die Spitze derjenigen beigetragen hatten, die die Geldzirkulation in Aburĩria kontrollierten, verließ Kaniũrũ der Mut. Er konnte Tajirika nur überlisten und selbst zu größerer Macht gelangen, wenn er alle alten und neuen Warteschlangen zerschlug und Nyawĩra zu fassen bekam, bevor dies seinem zweiten Rivalen Sikiokuu gelang. Der Herrscher hatte Kaniũrũ zwar bereits dafür belobigt, den rassistischen und lästigen ausländischen Journalisten eine Lektion erteilt zu haben, aber das war nur unter vier Augen geschehen. Wenn er ihm jetzt Nyawĩra brachte, würde der Herrscher ihm zweifellos in aller Öffentlichkeit noch größeren Beifall spenden.
Doch nur der Herr der Krähen konnte ihn zu Nyawĩra führen, und deshalb war er begierig zu erfahren, was der Zauberer verkündet hatte. Wissen war für ihn im wahrsten Sinne des Wortes Macht. Und weil er nicht die geringste Ahnung hatte, was im State House vor sich ging, war er völlig ruhelos. Er versuchte, sich mit seinem vormaligen Assistenten Peter Kahiga kurzzuschließen, aber vergeblich. Kahiga war ständig im State House, und ohne Vorladung oder Genehmigung kam man dort nicht hinein.
Und dann eines Tages, er badete gerade, sprang er plötzlich aus der Wanne, rannte durch das Zimmer und schrie aus vollem Hals: „Heureka!“ Er würde jede Woche eine bestimmte Anzahl Schlangen auseinandertreiben und dann im State House vorstellig werden, um über seine Fortschritte zu berichten. Damit hätte er wöchentlich Audienz beim Herrscher und würde, während er dort war, versuchen, sich mit Kahiga zu treffen und ihm die Informationen abzuluchsen, die er so dringend benötigte. Nun war er sicher: Er würde herausfinden, was der Herr der Krähen über Nyawĩra gesagt hatte. „Heureka!“, rief er erneut.