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Seit dem Tag, an dem es zur Wiederannäherung zwischen Ehemann und Ehefrau gekommen war, hatte Vinjinia auf einen Neuanfang in ihrem Leben gehofft und dafür gebetet. Sie glaubte zwar nicht, dass ihre Beziehung wieder so werden würde, wie sie sein sollte, aber miteinander zu reden, war der erste Schritt auf dem Weg zur Heilung.
Sie verlangte nicht viel vom Leben. Eine gottesfürchtige Familie, die regelmäßig in die Kirche ging; einen Mann, der sich nicht in Politik und öffentliche Angelegenheiten einmischte; Kinder mit Hochschulbildung und einem sicheren Job; ein Haus, eine Farm und zwei Autos. Davon hatten sie schon geträumt, als sie beide noch Lehrer in der Grundschule waren.
Mit ihrem Diplomabschluss hatte Vinjinia eher eine gesicherte Anstellung, während Tajirikas Beschäftigung als Aushilfslehrer vorwiegend davon abhing, ob Frauen in den Mutterschaftsurlaub gingen. Sie hatten geheiratet und daran gedacht, ihr erstes Kind, ein Mädchen, Nyawĩra zu nennen, sich aber dagegen entschieden, weil Nyawĩra „Arbeit“ bedeutete und sie ihr Kind nicht einmal symbolisch zu einem arbeitsamen Leben verdammen wollten. Also hatten sie sie Ng’endo genannt, und das sollte ihrer beider Hoffnung zum Ausdruck bringen, ihr einen besseren Lebensweg als den eines Lehrers mit miserablem Einkommen zu ermöglichen.
Das war noch in der Kolonialzeit, und ihr Leben änderte sich erst mit der Unabhängigkeit, als die rassischen Hindernisse bei Bankkrediten teilweise beseitigt und aburĩrischen Schwarzen bessere Geschäftsmöglichkeiten eingeräumt wurden. Tajirika begann eine neue Karriere. Er verkaufte Möbel und Haushaltswaren. Er war zwar kein Tischler, besaß jedoch die Gabe einer gewandten Zunge. Zunächst bekam er Bestellungen für verschiedene Einzelposten, dann stellte er Leute an und war bald stolzer Besitzer eines großen Ladens mit Werkstatt und fest angestellten Tischlern. Als sie später die Farm kauften, gab Vinjinia schließlich ihren Beruf auf und übernahm die Leitung von Haus und Hof. Sie dachte oft an die Tage zurück, als sie sich noch über jede glückliche Wendung ihres Schicksals freuten: die Erfüllung der Prophezeiung, die der Name Titus Tajirika zum Ausdruck brachte. Doch je wohlhabender sie wurden, umso größer wurde ihre Niedergeschlagenheit, weil Missstimmungen auftraten, die sich schließlich zu häuslicher Gewalt steigerten.
Wenn sich doch nur das gemeinsame Erlebnis des jüngsten Wunders auf den Umgang miteinander zu Hause ausdehnen ließe, seufzte Vinjinia. Dass aber immerhin die Möglichkeit dazu bestand, ließ sie eines ihrer Lieblingslieder anstimmen:
Nach der Finsternis kam Licht
das alle Dinge erhellte
Geduldig wartet mein Herz
dass Liebe mein Leben regiert
Sie ging über die Felder vor dem Haus, sammelte grünen Mais für das Abendessen und sang den ganzen Weg über bis zum Hoftor.
Es war Abend nach Sonnenuntergang und alles war friedlich, als sie plötzlich von Leuten, deren Kommen sie nicht bemerkt hatte, gepackt und in ein Fahrzeug gedrückt wurde, das sofort davonfuhr. Alles geschah so schnell, dass sie keine Zeit hatte zu schreien. Sie merkte es nicht einmal, als sie die Sisaltasche fallen ließ, in der sie den grünen Mais gesammelt hatte.