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A.G. lehnte Gewalt ab und setzte stattdessen auf die Kraft des Wortes. Er wollte seinen Mund benutzen, um sich kundig zu machen und seinen Zuhörern die Zungen zu lösen. Er war meistens zu Fuß unterwegs; doch benutzte er auch mkokoteni, Eselskarren, Fahrräder, matatus, mbondambondas, Busse oder die Eisenbahn, um überall dorthin zu gelangen, wo sich Menschen versammelten. Er machte auf Märkten und in Bars halt, ging in Kirchen und Moscheen, und überall sagte er zu den Leuten: „Ich suche das Wesen, das alles mit Leben erfüllt, auch die Sprache.“
Diese rätselhaften Worte lösten unter seinen Zuhörern Diskussionen aus. Ja, wer war dieses Wesen?
Allmählich gingen diese Debatten und hitzigen Wortgefechte in Geschichten und Anekdoten über, in Mutmaßungen über das Wesen dieses Wesens. A.G. war voll in seinem Element, und schon bald vergaßen die Leute die vorangegangenen feurigen Diskussionen und lauschten diesem fahrenden Sänger, der ihnen die erstaunliche Geschichte vom Herrn der Krähen erzählte. In seiner Erzählkunst vermischten sich das Wirkliche und das Wunderbare. Und er berichtete auch vom Herrscher. Er erging sich in Andeutungen über Pflanzen, die Geld trugen. Sie lauschten seinen Geschichten, und wenn sie sie später weitererzählten, improvisierten sie. Bald wurde dieser Strom von Geschichten zur allgemeinen Überlieferung. Und die fortwährenden Umformungen der Geschichten brachten in ganz Aburĩria Gerüchte in Umlauf, nach denen der Herrscher schwanger war und einen Geheimgarten besaß, in dem Dollarsträucher wuchsen. War das der Grund, warum er seit seiner Rückkehr aus Amerika nicht mehr öffentlich aufgetreten war? Spendete der Herrscher deshalb immer an Selbsthilfeprogramme und behauptete, das Geld käme von ihm und seinen Freunden?
Als A.G. einmal zu Fuß unterwegs war, entdeckte er an einem Strommasten ein Plakat, auf dem ein Bild zu sehen war, das offensichtlich den Herrn der Krähen darstellen sollte. Mehr als das Bild brachte ihn der Name aus der Fassung. Es war kein Foto und sah eher wie eine Polizeizeichnung aus. Er dachte an seine Gespräche mit Machokali und seine Warnung an den Minister, dass keine menschliche Hand fähig sei, ein Abbild des Herrn der Krähen zu zeichnen, weil dieser vielerlei Gestalt habe: Mann, Frau, Kind, eine Mütze auf irgendeinem Kopf, ein Vogel, ein Blitz, ein Wirbelwind! Die Zeichnung sah aus wie eine Kreuzung aus Jesus und Sikiokuu und man bot dem Herrn der Krähen eine Belohnung.
War dies Machokalis Werk?, fragte sich A.G. verärgert. Von dem Machokali, der ihn mit der Aufgabe betraut hatte, den Herrn der Krähen zu finden? Hatte er so wenig Vertrauen, dass er, kaum dass man ihm den Rücken kehrt, im ganzen Land diese Zeichnung vom Herrn der Krähen anbringen lässt?
Er rief Machokali an. Der Minister bestritt, so etwas angeordnet zu haben, und wunderte sich, wer es getan haben könnte.
„Stell fest, wer dafür verantwortlich ist“, sagte Machokali, „aber verlier dabei nicht das Eigentliche aus den Augen, ergreife den Herrn der Krähen. Und noch etwas. Es wimmelt nur so von Geschichten, der Herrscher sei schwanger. Krieg heraus, woher diese verleumderischen Gerüchte kommen.“
A.G. war sich nicht bewusst, selbst der Ursprung dieser Gerüchte zu sein. Er werde sich darum kümmern, versicherte er Machokali, und setzte seine Reisen fort, nachdem er die Telefonnummer notiert hatte, die auf dem Plakat stand. A.G. hatte viele Freunde bei der Polizei und beim Geheimdienst. Einige standen in seiner Schuld, weil er ihnen frühzeitig, lange bevor dieser mit seiner Magie zu Ruhm gelangt war, vom Herrn der Krähen erzählt hatte. Deshalb dauerte es nicht lange, bis er herausfand, wer hinter dem Plakat steckte. Das kümmerte ihn aber nicht allzu sehr. Reiner Unsinn, sagte er zu sich. Der Herr der Krähen ließ sich nicht bestechen oder überlisten.
Er wollte sich nicht in den Machtkampf zwischen Machokali und Sikiokuu hineinziehen lassen. Sollte Sikiokuu ruhig seine Pläne verfolgen, er würde einfach weiter nach dem Wesen suchen, das alles mit Leben erfüllte.
„Ehrlich! Haki ya Mungu, ich war bewaffnet mit dem Glauben und der Hoffnung, dass ich, wenn ich nur durchhielte, irgendwo und irgendwann eine Stimme sagen hören würde: Der Mann ist hier.“