9

Früh am nächsten Morgen ging Machokali zum Herrn der Krähen. Der Zauberer, der vor dem Spiegel mit seiner Krawatte kämpfte, signalisierte Machokali, sich zu setzen, und fummelte weiter. Aber der Minister blieb stehen und sah ihm zu.

„Gut geschlafen?“, setzte Machokali zu einer Unterhaltung an.

Je öfter Machokali dem Herrn der Krähen begegnete, desto stärker kamen ihm Zweifel. Wie konnte ein so junger Kerl so viel Erfahrung in der Heilkunde erlangt haben?

„Man hat mir gesagt, dass Sie mit Hilfe eines Spiegels diagnostizieren und heilen?“

„Das hängt von der Krankheit und dem Spiegel ab. Es gibt dicke und dünne Spiegel, konvexe und konkave. Jede Krankheit erfordert einen Spiegel, der der Herausforderung entspricht, die sie ihm stellt. Es braucht Zeit, die Bilder aus dem Spiegel zu deuten. Ich muss außerdem mit allen sprechen, die Kontakt mit dem Patienten hatten. Sie und alle Minister zum Beispiel …“

Was, wenn Sikiokuu den Mann angeheuert hatte, um Machokali oder die anderen Minister in eine Verschwörung gegen den Herrscher zu verwickeln?

„Ihnen ist doch klar, dass die Sache innerhalb dieser Mauern bleiben und sich auf den kleinen Kreis derer beschränken muss, die hier sind?“

„Mr. Minister, mein Motto lautet: Pack das Übel an der Wurzel und die Krankheit wird vergehen. Und wenn ich sie von der Wurzel ausgehend beseitigen soll, muss ich mit jedem sprechen dürfen, mit dem ich das für notwendig halte.“

„In Ordnung. Sie können mit allen Ministern, den Sicherheitsleuten und seinem Arzt reden.“

„Wie viele Ärzte hat er?“

„Einen. Dr. Wilfred Kaboca. Sein Leibarzt. Er ist immer an seiner Seite.“

„Und er ist tatsächlich der einzige Arzt, der ihn behandelt hat? Kein anderer?“

„Genau.“

„In Ordnung.“

„Klug von Ihnen. Es bringt nichts, Zeit damit zu verschwenden, mit zu vielen Leuten zu reden. Zeit ist das Wesentliche. Konsultieren Sie Ihren Spiegel und …“

„Nehmen Sie den nächsten Flieger zurück nach Hause“, vervollständigte der Herr der Krähen Machokalis Gedanken. „Glauben Sie mir, Mr. Minister, ich habe keine Lust, eine Minute länger als nötig in Amerika zu bleiben. Mir ist der Busch mit seinen heilenden Kräften lieber. Meine Behandlung wird schnell oder langsam vonstattengehen, und das hängt davon ab, ob diejenigen, die mit dem Patienten zu tun hatten, alles sagen, was sie wissen.“

„Würde ein Minister der Regierung Sie anlügen?“, fragte Machokali beleidigt.

„Sagen Sie mir denn jetzt die Wahrheit?“, fragte ihn der Herr der Krähen beiläufig, während er weiter an der Krawatte herumfingerte.

„Treiben Sie keine Spielchen mit mir, Zauberer Kagogo“, erwiderte Machokali verärgert in Kiswahili. „Warum sollte ich Sie anlügen? Ich will nichts von Ihnen. Ich bin nicht der Patient.“

„Entschuldigen Sie, würden Sie bitte hier herüberkommen“, sprach der Herr der Krähen und winkte ihn mit dem Finger heran.

Machokali gefiel es nicht, dass der Hexenmeister ihm Befehle erteilte, aber um die Sache zu beschleunigen, schluckte er seinen Widerspruch herunter und tat, was von ihm verlangt wurde.

„Sehen Sie bitte in den Spiegel“, forderte der Herr der Krähen ihn auf und trat zur Seite, um ihm Platz zu machen.

Machokali tat es, während der Herr der Krähen auf seine rechte Handfläche schaute.

„Was sehen Sie?“, fragte der Zauberer Machokali.

„Mein Spiegelbild“, antwortete Machokali. „Und Ihres, das auf seine Handfläche schaut.“

„Konzentrieren Sie sich auf Ihr eigenes Spiegelbild. Schauen Sie es sich sorgfältig an.“

„Und?“

„Wenn Sie genau genug hinsehen, werden Sie erkennen, was ich sehe. Ich frage Sie noch einmal. Ist Kaboca der einzige Arzt des Herrschers?“

„Und ich antworte Ihnen wieder: Warum sollte ich Sie belügen?“

„Sehen Sie weiter in den Spiegel“, sprach der Herr der Krähen. „Was sehen Sie? Sehen Sie etwas Weißes, wie bei einem weißen Menschen zum Beispiel? Zwei weiße Gestalten?“

Wie sehr er es auch versuchte, Machokali konnte kein Gesicht außer seinem eigenen erkennen. Wo waren die weißen Gestalten, von denen der Zauberer redete?

„Genug. Das ist ein Verwirrspiel“, sagte er und sah weg.

Aber der Zauberer sah weiter angestrengt in seine Handfläche, als wäre sie ein Spiegel.

„Da, dort sind sie“, sprach der Zauberer erregt.

Machokali schaute schnell wieder in den Spiegel und starrte angestrengt hinein. Er sah nichts.

„Da sind zwei mit Stethoskopen. Der eine bewegt sich wie einer aus New York. Sehr selbstsicher auf der Straße. Und der andere? Wo ist der her?“, fragte er und sah Machokali fest an.

Machokalis Lippen zitterten. Woher wusste er von Furyk und Clarkwell, und dass sie aus verschiedenen Orten kamen? Machokali hatte vergessen, dass er den Herrn der Krähen am vorangegangenen Abend in A.G.’s Obhut gelassen hatte. Er sah den Zauberer an, und einige Sekunden maßen sie einander.

„Ach, die beiden“, sagte Machokali, der sich nicht bei weiteren Lügen erwischen lassen wollte. „Seltsam, aber die habe ich nie als Ärzte gesehen. Ich glaubte, Sie würden Professor Furyk und Dr. Clarkwell nicht sehen wollen. Man sagt doch, weiße Wissenschaft und schwarze Magie können nicht miteinander, sie sind wie Tag und Nacht. Sind Sie sicher, mit den beiden reden zu wollen?“

Der Herr der Krähen deutete mit einer Geste an, dass sie sich für die weitere Unterhaltung setzen sollten.

„Mr. Minister, als ich sagte, ich möchte mit jedem sprechen, der mit dem Patienten Kontakt hatte, dann meinte ich das auch so“, erklärte der Herr der Krähen.

„Wie soll ich Sie vorstellen?“

„Sagen Sie ihnen die Wahrheit.“

„Dass Sie ein Zauberer sind?“

„Dass ich ein Heiler bin. Ein afrikanischer Heiler. Dass ich dem Bösen Fallen stelle, um das Gute zu retten.“

„Okay. Überlassen Sie das mir“, erwiderte Machokali. „Mit wem möchten Sie zuerst sprechen?“

„Mit Ihnen!“

„Was wollen Sie wissen?“

„Wie alles angefangen hat.“

Herr der Krähen
titlepage.xhtml
cover.xhtml
copy.xhtml
titel.xhtml
wid.xhtml
zitate.xhtml
inhalt.xhtml
book1.xhtml
ch01.xhtml
ch02.xhtml
ch03.xhtml
ch04.xhtml
ch05.xhtml
ch06.xhtml
ch07.xhtml
ch08.xhtml
ch09.xhtml
ch10.xhtml
ch11.xhtml
ch12.xhtml
ch13.xhtml
ch14.xhtml
ch15.xhtml
book2.xhtml
book2p1.xhtml
ch16.xhtml
ch17.xhtml
ch18.xhtml
ch19.xhtml
ch20.xhtml
ch21.xhtml
ch22.xhtml
ch23.xhtml
ch24.xhtml
ch25.xhtml
ch26.xhtml
ch27.xhtml
ch28.xhtml
ch29.xhtml
ch30.xhtml
ch31.xhtml
ch32.xhtml
book2p2.xhtml
ch33.xhtml
ch34.xhtml
ch35.xhtml
ch36.xhtml
ch37.xhtml
ch38.xhtml
ch39.xhtml
ch40.xhtml
ch41.xhtml
ch42.xhtml
ch43.xhtml
ch44.xhtml
ch45.xhtml
ch46.xhtml
ch47.xhtml
ch48.xhtml
ch49.xhtml
ch50.xhtml
ch51.xhtml
ch52.xhtml
ch53.xhtml
book2p3.xhtml
ch54.xhtml
ch55.xhtml
ch56.xhtml
ch57.xhtml
ch58.xhtml
ch59.xhtml
ch60.xhtml
ch61.xhtml
ch62.xhtml
ch63.xhtml
ch64.xhtml
ch65.xhtml
ch66.xhtml
ch67.xhtml
ch68.xhtml
book3.xhtml
book3p1.xhtml
ch70.xhtml
ch71.xhtml
ch72.xhtml
ch73.xhtml
ch74.xhtml
ch75.xhtml
ch76.xhtml
ch77.xhtml
ch78.xhtml
ch79.xhtml
ch80.xhtml
ch81.xhtml
ch82.xhtml
ch83.xhtml
ch84.xhtml
ch85.xhtml
ch86.xhtml
ch87.xhtml
book3p2.xhtml
ch88.xhtml
ch89.xhtml
ch90.xhtml
ch91.xhtml
ch92.xhtml
ch93.xhtml
ch94.xhtml
ch95.xhtml
ch96.xhtml
ch97.xhtml
ch98.xhtml
ch99.xhtml
ch100.xhtml
ch101.xhtml
ch102.xhtml
ch103.xhtml
ch104.xhtml
ch105.xhtml
ch106.xhtml
ch107.xhtml
ch108.xhtml
ch109.xhtml
ch110.xhtml
book3p3.xhtml
ch111.xhtml
ch112.xhtml
ch113.xhtml
ch114.xhtml
ch115.xhtml
ch116.xhtml
ch117.xhtml
ch118.xhtml
ch119.xhtml
ch120.xhtml
ch121.xhtml
ch122.xhtml
ch123.xhtml
ch124.xhtml
ch125.xhtml
ch126.xhtml
book4.xhtml
book4p1.xhtml
ch127.xhtml
ch128.xhtml
ch129.xhtml
ch130.xhtml
ch131.xhtml
ch132.xhtml
ch133.xhtml
ch134.xhtml
ch135.xhtml
ch136.xhtml
ch137.xhtml
ch138.xhtml
ch139.xhtml
ch140.xhtml
ch141.xhtml
ch142.xhtml
ch143.xhtml
ch144.xhtml
ch145.xhtml
ch146.xhtml
ch147.xhtml
ch148.xhtml
ch149.xhtml
ch150.xhtml
ch151.xhtml
book4p2.xhtml
ch152.xhtml
ch153.xhtml
ch154.xhtml
ch155.xhtml
ch156.xhtml
ch157.xhtml
ch158.xhtml
ch159.xhtml
ch160.xhtml
ch161.xhtml
ch162.xhtml
ch163.xhtml
ch164.xhtml
ch165.xhtml
ch166.xhtml
ch167.xhtml
ch168.xhtml
ch169.xhtml
ch170.xhtml
ch171.xhtml
ch172.xhtml
book4p3.xhtml
ch173.xhtml
ch174.xhtml
ch175.xhtml
ch176.xhtml
ch177.xhtml
ch178.xhtml
ch179.xhtml
ch180.xhtml
ch181.xhtml
ch182.xhtml
ch183.xhtml
ch184.xhtml
ch185.xhtml
ch186.xhtml
ch187.xhtml
ch188.xhtml
ch189.xhtml
ch190.xhtml
ch191.xhtml
ch192.xhtml
ch193.xhtml
ch194.xhtml
ch195.xhtml
ch196.xhtml
ch197.xhtml
book5.xhtml
book5p1.xhtml
ch198.xhtml
ch199.xhtml
ch200.xhtml
ch201.xhtml
ch202.xhtml
ch203.xhtml
ch204.xhtml
ch205.xhtml
ch206.xhtml
ch207.xhtml
ch208.xhtml
ch209.xhtml
ch210.xhtml
ch211.xhtml
ch212.xhtml
ch213.xhtml
ch214.xhtml
ch215.xhtml
ch216.xhtml
ch217.xhtml
ch218.xhtml
ch219.xhtml
ch220.xhtml
ch221.xhtml
ch222.xhtml
ch223.xhtml
ch224.xhtml
ch225.xhtml
ch226.xhtml
book5p2.xhtml
ch227.xhtml
ch228.xhtml
ch229.xhtml
ch230.xhtml
ch231.xhtml
ch232.xhtml
ch233.xhtml
ch234.xhtml
ch235.xhtml
ch236.xhtml
ch237.xhtml
ch238.xhtml
book5p3.xhtml
ch239.xhtml
ch240.xhtml
book6.xhtml
ch241.xhtml
ch242.xhtml
ch243.xhtml
ch244.xhtml
ch245.xhtml
ch246.xhtml
ch247.xhtml
ch248.xhtml
ch249.xhtml
ch250.xhtml
ch251.xhtml
ch252.xhtml
ch253.xhtml
ch254.xhtml
dank.xhtml
author.xhtml
bm2.xhtml