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Der Herr der Krähen traf, von Big Ben Mambo begleitet, am frühen Nachmittag auf dem Versammlungsgelände ein. Rechts und links von ihm gingen bewaffnete Polizisten, dahinter fünf weitere mit Paketen. Um sie herum drängelte sich das Medienvolk, um bessere Sicht auf den Hexenmeister zu haben. Die Leute flüsterten: „Der Herr der Krähen.“ Dann folgte neugieriges Schweigen.
„Ehrlich! Haki ya Mungu! Es gab niemanden, nicht einmal unter den Kindern, der sich zu kichern oder zu husten traute“, beschrieb A.G. später diesen Moment. „Ich war ziemlich zeitig gekommen, weil ich versuchen wollte, seine Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen, und sei es nur für einen flüchtigen Augenblick, um ihn nach dem Einen zu fragen, dem Sein aller Dinge, denn ich hatte einen Punkt in meinem Leben erreicht, an dem ich Worte anders zu begreifen begann. Ein genauerer Blick auf die Sprache könnte das Geheimnis des Lebens verraten. Viele Fragen beschäftigten mich: Was gab dem Zauberer diese Kraft und tiefe Einsicht? Seine magischen Tränke oder etwas, das die Sinne überstieg? Konnte dieses Wissen an andere weitergegeben werden? Ehrlich! Haki ya Mungu! Ich hatte das Gefühl, dass, wenn ich mit ihm reden könnte, mein Leben einen Sinn bekommen würde. Aber als er eintraf und ich ihn von Wachen und den Medienleuten umringt sah, wurde mir klar, dass ich nicht an ihn herankommen würde. Trotzdem wollte ich die Ohren offen halten, damit ich jedes Wort aufnahm, das ihm über die Lippen kam. Ich dachte an seine Worte in der Bar: ,Nein, hapana! Nein! So war es nicht.‘ Wie also dann?, fragte ich mich.
Ich sah Informationsminister Big Ben Mambo aufs Podium steigen und den Herrn der Krähen stupsen, als dirigierte er ihn zu einem Sitzplatz. Big Ben Mambo machte eine komische Figur; sogar jetzt schritt er aus, als führte er eine Militärparade an. Der hätte zur Armee gehen sollen, dachte ich. Die Polizei und die Medien saßen, den Blick auf das Podium gerichtet, vor der Menge. Ich schob mich näher an die Bühne, soweit diejenigen vor mir das zuließen. Wirklich, ich wollte kein einziges Wort, keine Handlung verpassen …“
Die Studenten, die die Moderatorenrolle übernommen hatten, räumten dem Minister Redezeit ein und erklärten unter missbilligenden Pfiffen von einigen Gruppen, dass dies eine Volksversammlung sei und der Minister wie jeder andere Bürger das Recht habe, zu sprechen und seine Sicht der Dinge mitzuteilen. Big Ben Mambo war nicht erfreut, von einfachen Studenten Redeerlaubnis erteilt zu bekommen, glaubte aber, dies sei weder die Zeit noch der Ort, Streit anzufangen oder zu protestieren. Big Ben Mambo begann, indem er verkündete, er sei ein Bote von ganz oben und spreche im Namen des Herrschers, des Vaters der Nation und Oberkommandierenden der Streitkräfte. Anschließend dankte er dem Herrscher, dass er der Menge gestatte, sich auf dem heiligen Boden des Parlaments und des Obersten Gerichts zu versammeln. Er danke ihm im Namen aller, die sich hier zusammengefunden hätten, im Voraus dafür, dass er die Liebe und Bewunderung annehme, die sie ihm aus Anlass seines Geburtstages entgegenbrächten …
„Du meinst wohl seinen Geburtstermin?“, riefen einige und stimmten einen Sprechchor an: „Wer hat ihn geschwängert?“
„Bitte erlaubt mir, meine Rede zu Ende zu führen“, blieb Big Ben hartnäckig. „Zur Schwangerschaft: Ihr werdet alles dazu aus dem Mund des Herrn der Krähen hören. Er wird auch alle Feinde des Staates entlarven.“
„Die Feinde des Staates sind Freunde des Volkes“, riefen andere zurück.
„Ich bin nicht hierhergekommen, um eine Strafpredigt zu halten oder mir eine anzuhören“, brüllte Big Ben Mambo. „Ich bin hier, die Grüße und besten Wünsche des Herrschers zu überbringen und euch zu bitten, dem Herrn der Krähen Gelegenheit zu geben, alles zu gestehen und zu sagen, was er zu sagen hat, ohne dass ihr ihn unterbrecht oder niederbrüllt oder steinigt, nur weil er ein Hexenmeister ist. Die Zeiten, in denen man Hexer in Bienenstöcke steckte und den Berg runter ins Tal in den Tod rollen ließ, sind vorbei.“ Big Ben Mambo, der die zunehmende Feindseligkeit spürte, verließ das Mikrofon und winkte den Herrn der Krähen ans Rednerpult.
Der Herr der Krähen erhob sich langsam und bedächtig, fragte die Moderatoren, ob er sprechen dürfe, trat mit ihrer Zustimmung ans Pult und stand vor dem Mikrofon.