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Der Herrscher betrat das Parlament und schritt auf einem roten Teppich den Mittelgang hinauf. Rechts von ihm ging eine bezaubernd gekleidete Frau, die ein Diamantendiadem trug. Wurde Rachael, die Frau des Herrschers, öffentlich vorgeführt?
A.G. traute seinen Augen nicht. Diese Vortrefflichkeit im Fernsehen sah jener Vortrefflichkeit, die er zuletzt im State House gesehen hatte, kaum ähnlich. Diese Person war groß und dünn, trug einen dunklen Anzug mit Blume im Knopfloch und hatte ein weißes Tuch in der Brusttasche. In der linken Hand hielt er Zeremonienstab und Fliegenwedel. Auch der obligatorische Besatz aus Leopardenfell war vorhanden. Der Kopf war von der Größe einer Faust, aber die Augen traten heraus und erinnerten an den verblichenen Machokali.
A.G. merkte nicht, dass er selbst immer wieder ausrief: „Nein, nein, das ist er nicht!“ Die anderen sahen ihn an wie einen Verrückten, bis einige ihn schließlich anfuhren, „Halt’s Maul! Woher willst du das wissen?“, ohne ihm zu gestatten, es ihnen zu erklären. Worauf er zur Antwort gab: „Was ist mit seinem aufgeblasenen Körper?“ Da mussten die Leute lachen, und wenn er weiter zweifelte: „Seht euch seine Zunge an, seht euch diese Zunge an“, brachten sie ihn mit giftigen Blicken zum Schweigen. Trotzdem fiel auch anderen auf, dass der Herrscher, wenn er nicht sprach, manchmal ungewollt seine Zunge herausschnipsen ließ. Aber die meisten sahen darin nichts Befremdliches und schrieben es der Tatsache zu, dass er die Zunge lange nicht mehr in der Öffentlichkeit benutzt hatte. Als A.G. darauf bestand, dass diese Zunge gespalten war, sagten die Umsitzenden: „Der Smog – was hat er nur mit dem Kopf dieses Mannes gemacht? Vielleicht geht es nicht nur ihm so?“
Als Erstes sagte der Herrscher, dass er die Gelegenheit ergreifen wolle, die neben ihm sitzende Person vorzustellen, denn als er ihr die Aufgabe übertragen habe, die sie nun bekleide, habe er sich zurückgezogen und sei nicht in der Lage gewesen, sie vor den Augen der Nation persönlich zu salben. Doch alles habe nun mal seine Zeit, und er sei sehr glücklich, der Nation mitzuteilen, dass dies Dr. Yunique Immaculate McKenzie sei, die offizielle Nationalhostess.
Bis sich das Publikum von diesem Schock erholt hatte, denn seit ihrer Ernennung war sie niemals in der Öffentlichkeit gesichtet worden, war der Herrscher bereits in vollem Redefluss. Er bat die Menschen, wo immer sie sich gerade befänden, im Parlament, zu Hause, am Arbeitsplatz oder auf der Straße, sich zu erheben und im Gedenken an jene, die kürzlich auf dem Parlamentsgelände und vor dem Obersten Gericht den Tod gefunden hätten, eine Schweigeminute einzulegen. Diese Toten seien Opfer der Aktivitäten einiger übler Elemente im Land gewesen, die darauf gehofft hatten, als erste Stufe einer Verschwörung zum Sturz der Regierung Verwirrung stiften zu können. „Ich will ihnen nur eine einzige Frage stellen: Wissen sie nicht, dass wir den Kommunismus im zwanzigsten Jahrhundert besiegt haben? Der Kommunismus ist ausgestorben wie der Dodo.“ Die sogenannte Bewegung für die Stimme des Volkes habe den Mob agitiert und gedrängt, Schlangen zu bilden, nicht etwa, weil es der Bewegung aufrichtig um die tatsächlichen Nöte und Kümmernisse des Volkes gegangen sei, sondern weil sie die Bevölkerung für die eigenen schändlichen Absichten instrumentalisieren wollte. Sie habe sogar Hexenmeister angeheuert, um Unschuldigen mit schwarzer Magie den Verstand zu vernebeln. Die Bewegung nutze tatsächliche Missstände aus, und er sei der Letzte, der nicht zugebe, dass das Land einige wirtschaftliche Probleme habe. Doch sehe sich die ganze Welt ähnlichen Schwierigkeiten gegenüber, die mit den globalen Wirtschaftskräften und einer Weltwirtschaftskrise zu tun hätten, die wiederum mit der Ölkrise zusammenhingen, die von der selbstsüchtigen Politik der OPEC ausgelöst worden sei.
„Jetzt möchte ich zu den jüngsten Ereignissen kommen, dem Donner und dem Smog, über die wir uns alle Sorgen gemacht haben“, sprach er zu einem aufmerksamen Parlament und einer neugierigen Nation.
Es sei diese selbsternannte Bewegung für die Stimme des Volkes gewesen, die, im geheimen Einverständnis mit Fundamentalisten aus dem Nahen Osten, Bomben im State House platziert hätte, doch habe er sie mit Hilfe seiner Experten zur Detonation gebracht, bevor sie der Nation unheilvollen Schaden hätten zufügen können. Als die Übeltäter das erkannten, hätten sie Tränengas in die Luft geschossen, um die Bevölkerung in Angst zu versetzen und eine Revolution anzuzetteln. Ziel der Warteschlangen und der Agitation sowie der Zeitpunkt der Bombendetonation seien klar, mehr wolle er aus Sicherheitsgründen nicht sagen, weil die Ermittlungen noch liefen.
Er hielt inne, aber eigentlich hatte er keine andere Wahl, denn die Parlamentsmitglieder spendeten ihm stürmischen Applaus, dessen Ende nicht abzusehen war, weil kein MdP oder Minister den Beifall als Erster einstellen wollte.
Zur Verwirrung und zum Verdruss der ausländischen Diplomaten, die das über sich ergehen lassen mussten, erlaubte der Herrscher den Ovationen eine Dauer von einer Stunde und sieben Minuten, bevor er den MdPs das Zeichen gab, sich wieder zu setzen, weil er ihnen noch weitere Dinge mitteilen wollte. Was die irregeleiteten Anhänger der Bewegung für die Stimme des Volkes angehe, fuhr er fort, ja, jene, die unschuldige Bürger ermordet hätten, deren einziges Verbrechen es gewesen sei, den Geburtstag ihres Herrschers zu feiern, so habe er nur eine einzige Botschaft für sie: Seine Sicherheitsdienste würden sie aufspüren und ihrer gerechten Strafe zuführen.
Der Herrscher gab zu, dass Fehler gemacht worden waren, die er berichtigen wolle, damit die Bewegung für die Stimme des Volkes nie wieder Nährboden finde, die Nation in die Irre zu leiten. Er erklärte vor dem Parlament, dass Marching to Heaven von Machokali erdacht worden sei, „ein Vorhaben, dermaßen absurd, dass einem schwindlig werden konnte“. Dahinter habe teuflische Gerissenheit gesteckt, und er, der Herrscher, sei den Plänen nur gefolgt, um die wahren Absichten des Mannes herauszufinden. Nun, bedauerlicherweise sei Machokali nicht zugegen, um zu erklären, was er vorgehabt habe, sodass sie nie erfahren würden, was er wirklich im Schilde geführt hatte, und Spekulationen seien müßig. Jetzt senkte der Herrscher die Stimme und sagte, dass er es bedauere, zugeben zu müssen, dass es der Regierung noch nicht gelungen sei herauszufinden, wie und wo der verblichene Markus seinem Schicksal begegnet oder welcher Natur dieses Schicksal gewesen sei. Die Privatdetektive, die er im Ausland angeheuert habe, hätten ihm allerdings berichtet, dass es sich hier um einen Fall von SIV, Selbst Induziertem Verschwinden, handle. Mögen also die Pläne wie ihr Schöpfer den Weg des SIV gehen.
Nun, so sprach der Herrscher, wolle er auf die Gerüchte zu seiner Schwangerschaft eingehen.