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Diese Invasion begann vor dem Sitz der Eldares Modern Construction and Real Estate.
„Und alles nur wegen einer Anschlagtafel“, stellte Nyawĩra fest, als sie und Kamĩtĩ später über die Dämonen sprachen.
„Wie das?“, fragte Kamĩtĩ, aber selbst Nyawĩra konnte nicht erklären, wie die Dämonen entstanden waren und wie sie sich bis in den letzten Winkel von Eldares ausbreiten konnten. Sie erinnerte sich noch sehr gut daran, dass sie schon früh ins Büro aufgebrochen war, in der Hoffnung, noch vor Tajirika dort anzukommen. Der einzige andere Gedanke, der ihr auf dem Weg zur Arbeit durch den Kopf ging, war A.G.’s frühmorgendlicher Besuch, insbesondere sein unheimlicher Verweis auf die Flugblätter, den er beim Weggehen gemacht hatte. Es gefiel ihr nicht, wie A.G. sie angelächelt hatte, als wüsste er mehr, als er preisgab. Er schien an den Herrn der Krähen zu glauben, das schon, aber hatte er es vielleicht trotzdem auf sie abgesehen? In diesen sorgenvollen Gedanken gefangen, war ihr nicht aufgefallen, dass alle Parkplätze in den Straßen rund um das Büro von Mercedes-Fabrikaten aller Größen und Farben belegt waren. Man stelle sich ihre Überraschung vor, als sie den Blick hob und vor ihrem Büro zwei lange Menschenschlangen sah!
Die eine bestand aus Gestalten in Maßanzügen, die steif und gewichtig wie bei einer Modenschau vor der Tür warteten. Mit Leuten dieses Kalibers hatte sie schon am Vortag zu tun gehabt, das war keine große Überraschung.
Die zweite begann an der Anschlagtafel AUSHILFSJOBS: PERSÖNLICHE VORSTELLUNG ERWÜNSCHT. Sie bestand aus Menschen in geflickten Kleidern und abgetragenen Anzügen in allen Farben des Regenbogens und bildete einen dramatischen Kontrast zum Aufgebot aus Schwarz und Grau in der Schlange der Maßanzüge.
Die Herren der ersten Schlange trugen Aktentaschen und standen stumm und würdevoll da, während die in der zweiten, mit Ausnahme der wenigen, die Zeitung lasen, nichts dabei hatten und deshalb ungehindert herumgestikulieren konnten, während sie sich unterhielten und einander Anekdoten über das Auf und Ab des Lebens erzählten. Die Raucher der ersten Schlange drückten ihre Zigaretten nach wenigen Zügen aus und zermalmten den Stummel unter der Schuhsohle, die in der zweiten aber rauchten die billigsten Marken bis hin zu unbehandelten Tabakblättern und teilten gern mit den anderen. In der ersten Schlange gab es einige Pfeifenraucher, in der zweiten keinen. Und während sich die erste Reihe aus Anlass der Einsetzung eines Vorsitzenden für Marching to Heaven gebildet hatte, in dem Glauben, die Global Bank habe bereits grünes Licht für das Projekt gegeben, war die zweite wegen des Anschlags zustande gekommen, der das Gerücht hatte aufkommen lassen, der Vorsitzende würde Tausende Arbeiter für Marching to Heaven einstellen.
Als Nyawĩra über den Hof ging, um das Büro aufzuschließen, ahnte sie nichts von diesem Gerücht. Sie war einfach nur froh, vor ihrem Chef da zu sein: Bei so vielen anstehenden Besuchern draußen hätte er sie bestimmt zurechtgewiesen, wäre sie nach ihm erschienen.
Noch bevor sie ihren Schreibtisch aufräumen konnte, schoben sich bereits die Ersten der Reichenschlange in den Empfangsbereich hinein und das Telefon begann zu klingeln. Abgesehen davon, dass Tajirika noch nicht da war, war alles wie am Tag zuvor. „Könnten Sie bitte später wieder anrufen?“, bat sie die Anrufer. Ähnliches sagte sie auch denen, die ins Büro hereingeplatzt waren, und bot ihnen sogar an, ihre Visitenkarten dazulassen, was die aber ablehnten, weil sie den Chef nur persönlich sprechen wollten. „Dann warten Sie bitte draußen“, forderte sie sie auf, was fast einen Aufruhr auslöste, weil jeder fürchtete, seinen Platz in der Schlange zu verlieren. Aber nach einer kurzen verbalen Auseinandersetzung erklärten sich alle bereit zurückzugehen, wobei sie die hinter ihnen Stehenden wie Dominosteine vor sich her stießen.
Nyawĩra hoffte wie sie, dass ihr Chef bald käme, weil er die dringend benötigten Aushilfen anstellen sollte. In der zweiten Reihe ließen sich mehr als genügend Bewerber finden, dachte sie und fragte sich gleichzeitig, wie und ob der Chef alle zum Vorstellungsgespräch bitten wollte.
Nachdem sie ungefähr eine Stunde lang immer wieder dieselben Fragen beantwortet hatte, wurde Nyawĩra unruhig. Warum war er noch nicht da? Sie hatte ihn frühzeitig erwartet. Hatte er einen Unfall gehabt? War er auf dem Nachhauseweg ausgeraubt worden?
Tajirikas Frau Vinjinia kam ins Büro und klärte alles auf. Aber sie hatte keine guten Nachrichten: Tajirika fühle sich nicht wohl und werde heute nicht in sein Büro kommen, sagte sie kurz, ohne weitere Erklärungen abzugeben. Welche Krankheit konnte Tajirika davon abhalten, ins Büro zu kommen und Säcke voller Geld zu scheffeln? Als sie sich gestern Abend voneinander verabschiedet hatten, schien er bei ausgezeichneter Gesundheit. Aber darüber zerbrach sich Nyawĩra jetzt nicht den Kopf, weil sie mehr beschäftigte, was sie mit den beiden Warteschlangen machen sollte.
„Keine Nachricht für mich?“, fragte sie Vinjinia, die nur den Kopf schüttelte.
„Sieht es hier immer so aus?“, fragte Vinjinia. Es schien zwar, als wollte sie von ihrem Mann ablenken und lieber über die beiden Schlangen reden, aber sie war tatsächlich neugierig.
Vinjinia war ein häuslicher Mensch. Genau genommen war sie Tajirikas Haushälterin. Sie hatten zwei Töchter und drei Söhne. Der älteste Sohn war Maschinenbauingenieur und arbeitete für ein deutsches Unternehmen, das Traktoren und landwirtschaftliche Geräte verkaufte. Er war verheiratet und lebte an der Küste. Der zweitälteste Sohn und das ältere Mädchen studierten an der Eldares University, das Mädchen Pädagogik und der Junge Business Administration. Die Jüngsten, Gacirũ und Gacĩgua, ein Mädchen und ein Junge, gingen in die Ganztagesgrundschule und wohnten bei ihren Eltern. Tajirika hatte sie eigentlich in ein Internat schicken wollen, aber Vinjinia hatte das abgelehnt – sie wollte noch etwas länger für die beiden da sein. Sich um die Kinder und die Felder zu kümmern, beschäftigte Vinjinia voll und ganz und hielt sie zu Hause in Golden Heights fest, sodass sie ihren Mann nur selten im Büro aufsuchte. Das Geschäft und die politischen Intrigenspiele interessierten sie wenig und sie hatte nicht einmal an der berühmten Geburtstagsfeier teilgenommen, bei der der Herrscher ihrem Mann die Hand geschüttelt hatte. Sie erfuhr erst davon, als Tajirika wieder nach Hause kam, eine Hand mit einem Taschentuch umwickelt, und sie sich fragte, ob ihm etwas Schlimmes zugestoßen war. Er hatte ihre Sorge gespürt und gelacht, das Geheimnis gelüftet und versprochen, sich einen Handschuh zu kaufen, um die Erinnerung an den Händedruck des Herrschers zu bewahren. Sie begriff kein Wort, vertraute ihrem Mann aber in weltlichen Dingen bedingungslos. Sie war für den Haushalt zuständig.
Lediglich der Gottesdienst am Sonntag konnte sie aus dem Haus nach Santalucia und Santamaria locken. Sie gehörte zur Gemeinde der All Saints Cathedral und mischte sich sonntags unter die anderen Gemeindemitglieder – nicht, um die neuesten Nachrichten aus der Geschäftswelt und Politik zu hören, sondern um den aktuellen Seelenzustand ihrer Glaubensgenossen in Erfahrung zu bringen. Auch sie wollte keine Episode des heldenhaften Kampfes von Maritha und Mariko gegen Satan verpassen.
„So etwas habe ich noch nie erlebt“, antwortete Nyawĩra mit Blick auf die beiden endlosen Schlangen.
„Was sollen wir jetzt machen?“, fragten sich beide.
„Warum sagen wir ihnen nicht die Wahrheit?“, meinten sie und schauten aus dem Fenster. Die Schlangen waren mittlerweile mächtig angewachsen und ihre Enden nicht mehr zu sehen.
Die zwei Frauen brachten vor den Spitzen der beiden Menschenschlangen Zettel an: TAJIRIKA IST HEUTE NICHT DA. KOMMEN SIE MORGEN WIEDER. Dann gingen sie wieder hinein und warteten ab, was sich tat.
Jetzt bot sich ihnen ein noch unglaublicherer Anblick. Als die am Beginn der Schlange Stehenden die Nachricht lasen und an die dahinter Wartenden weitergaben, trauten diese ihnen nicht und bestanden darauf, die Nachricht selbst zu lesen. Schließlich machten sich diejenigen, die die Nachricht gelesen hatten, gar nicht mehr die Mühe, die Nachfolgenden zu informieren, sondern gingen schweigend davon. Die anderen dachten, sie hätten einfach Pech gehabt oder wollten ihre freudige Erregung nicht zeigen, um keinen Neid zu erwecken. Die im hinteren Teil der Schlange aber glaubten, die Reihe würde sich bewegen, was dazu führte, dass sich noch weitere anstellten. Selbst diejenigen, die bereits auf dem Rückweg waren, stellten sich, als sie das Vorrücken der Schlange sahen, hinten wieder an. Dieses Spiel aus Abfließen am Kopf und Auffüllen am Schwanz hielt an. „Eine Schlange ohne Ende“, meinte Nyawĩra an Vinjinia gewandt, während sie einen Ausweg aus diesem Dilemma suchten.
Sie beschlossen, beim Polizeirevier von Santamaria Hilfe anzufordern. Dieses lag am nächsten, und sein Leiter, Wonderful Tumbo, war ein Freund. Er versprach, die Verkehrspolizei zu schicken, um die Lage zu entspannen.
Es dauerte bis zum Nachmittag, bevor die versprochenen Polizisten kamen: zwei in einem Landrover, die anderen beiden, Megafone schwingend, auf Motorrädern. Sie berieten sich mit Nyawĩra und Vinjinia. Nach allem, was sie auf ihrer Fahrt zum Büro gesehen hatten, war völlig klar, dass die Rufe ihrer Anweisungen, wie sehr man sie auch verstärkte, am Ende der Schlangen nicht gehört werden würden. „Unternehmen Sie was“, flehten die Frauen.
Nach heftigen Diskussionen einigten sich die Polizisten auf eine Vorgehensweise: Die zwei Motorradfahrer sollten die Schlangen abfahren und ihre Anweisungen über die Megafone durchgeben. Die beiden anderen wollten auf dem Grundstück bleiben, um alles unter Kontrolle zu halten.
Die Motorradfahrer brachen auf und riefen immer wieder dieselbe Botschaft aus: „Tajirika ist nicht im Büro, gehen Sie nach Hause und kommen Sie ein anderes Mal wieder.“ Aber niemand glaubte ihnen, und es war auch nicht zu erkennen, dass die Schlangen sich ausdünnten. Das ununterbrochene Spiel von Abnahme, Wiederanstellen und permanenter Bewegung schien nur zu bestätigen, dass die Polizisten logen.
Nyawĩra war unterdessen eingefallen, dass unlängst ein Anrufbeantworter angeschafft worden war, und sie nahm schnell eine Ansage auf: „Sie sind mit Eldares Modern Construction and Real Estate verbunden; Mr. Tajirika ist im Augenblick telefonisch leider nicht erreichbar.“ Sie spielte kurz mit dem Gedanken, den Satz „Ihr Anruf ist uns wichtig“ einzufügen, ließ es dann aber und fuhr fort: „Wenn Sie Ihren Namen, Ihre Telefonnummer und die Zeit Ihres Anrufs hinterlassen, rufen wir Sie so schnell wie möglich zurück. Bitte sprechen Sie nach dem Signalton.“ Jetzt fühlte sich Nyawĩra besser und gesellte sich wieder zu Vinjinia, die die ganze Zeit am Fenster gestanden und beobachtet hatte, was draußen vor sich ging.
Sie hatten geglaubt, die Motorradpolizisten würden binnen weniger Minuten wieder da sein, doch nach einer Stunde waren sie noch immer nicht zurück. Zuerst tauchte nach zwei Stunden der eine auf, der die Schlange der Reichen abgefahren war. „Meine Schlange war nicht so lang wie die andere“, berichtete er und fügte hinzu, in seinem ganzen Berufsleben als Verkehrspolizist niemals so enorme Warteschlangen gesehen zu haben. Trotzdem hatte seine Botschaft nichts bewirkt: Die Schlange der Reichen blieb wie sie war.
Kurz nach fünf Uhr abends aber ereignete sich etwas Seltsames. Die Schlange mit den Vertragsjägern löste sich auf. Einfach so. Offensichtlich am Schwanzende beginnend, hatte sich einer nach dem anderen davongestohlen, und innerhalb weniger Minuten wandelte sich ihr schleichender Rückzug in eine panische Flucht zu ihren Limousinen. In kürzester Zeit waren sämtliche Parkplätze leer. Es war merkwürdig, erst weigerten sie sich, den Anweisungen eines Gesetzeshüters Folge zu leisten, um dann innerhalb weniger Sekunden und ohne ersichtlichen Grund zu verschwinden! Sehr seltsam, dachten die beiden Frauen übereinstimmend. Vielleicht würde mit der anderen Schlange das Gleiche passieren, hofften sie, aber vergebens. Die Schlange blieb, wie sie war, und zeigte keinerlei Anzeichen zu verschwinden wie die andere. Der sich um diese Schlange kümmernde Motorradpolizist war nirgends zu sehen. So sehr die beiden Frauen auch Augen und Ohren offenhielten, sie entdeckten weder den Polizisten noch sein Motorrad.
Die ganze Angelegenheit kam an einen Punkt, an dem Vinjinia und Nyawĩra das Gefühl hatten, das Büro sei ihr Gefängnis. Die Sonne hatte ihr Tagwerk bereits beendet, die Schlangesteher hingegen nicht. Und die Frauen zögerten, ob sie nun ohne eine Nachricht des vermissten Polizisten nach Hause gehen sollten oder nicht.
Ab und zu rief Vinjinia zu Hause an und wollte wissen, ob es ihrem Mann besser ging, aber auch die Nachrichten von daheim waren alles andere als tröstlich, wodurch Vinjinia immer niedergeschlagener wurde, was die Atmosphäre im Raum nicht gerade erträglicher machte.
Die beiden Frauen waren den ganzen Tag auf den Beinen gewesen. Nyawĩra zog sich jetzt einen Stuhl heran und fragte sich, während sie weiter aus dem Fenster schaute, was ihren Chef so quälte, dass es ihn zwang, sich von dem leicht verdienten Geld fernzuhalten, es aber gleichzeitig nicht ernst genug war, um zum Arzt zu gehen. Vielleicht eine schwere Grippe. Doch warum schwieg Vinjinia darüber? Und wenn es Tajirika nicht bald wieder besser ginge, wie sollte sie mit der Schlange fertig werden? Als könnte sie Nyawĩras Gedanken lesen, nahm sich auch Vinjinia einen Stuhl und setzte sich neben Nyawĩra. Als sie sprach, klang ihre Stimme verzweifelt.
„Ich weiß, was Sie sich fragen“, begann sie. „Glauben Sie mir, ich tappe genauso im Dunkeln wie Sie. Wo soll ich anfangen? Gestern Abend kam er mit drei Säcken voll Burĩ-Scheinen nach Hause. Den ganzen Abend murmelte er irgendetwas vor sich hin, berechnete ich weiß nicht was. Sogar als er schließlich meinem Drängen nachgab und ins Bett kam, konnte er nicht einschlafen, sondern wälzte irgendwelche Gedanken. Aus den wenigen Worten, die ich aufschnappen konnte, folgerte ich, dass er den Einfluss berechnete, den Marching to Heaven auf unser Leben haben würde. Als ich einschlief, war er noch immer hellwach.
Die Krankheit brach heute früh aus. Es fing an, als er ins Bad ging. Auf einmal stand er wie angewurzelt vor dem Spiegel. Und jedes Mal, wenn er in den Spiegel schaute, konnte er nur sagen: ‚Wenn! Wenn ich bloß.‘ Er stand da und starrte in den Spiegel, als wollte er mit seinem Schatten reden. Jetzt sagen Sie mir, wie soll ich diese Symptome in einem Krankenhaus oder einem Arzt beschreiben? Was könnte ich sagen, ohne mich lächerlich zu machen? Dass mein Mann, der Vorsitzende von Marching to Heaven …? Was aber, wenn es ihm heute Abend nicht besser geht, was sollen wir morgen mit der Schlange tun?“ Vinjinia sprach aus, was auch Nyawĩra gerade durch den Kopf ging.
Nyawĩra dachte daran, wie Tajirika am Ende des gestrigen Bürotages aus Angst, sie könnte eine Diebin sein, eine Pistole auf sie gerichtet hatte. Vielleicht fürchtete er, ausgeraubt zu werden?
„Es ist völlig ungewöhnlich, dass jemand so viel Geld im Haus hat“, sagte Nyawĩra. „Vielleicht hat ihn der Gedanke an Räuber gelähmt. Irgendwie muss er so etwas gedacht haben: Wenn sie das Geld bei mir finden, werden sie mich umbringen. Wenn! Wenn ich bloß das Geld im Büro gelassen oder zur Bank gebracht hätte!“
Das plötzliche Eintreten eines der drei Polizisten, die das Gelände bewachten, unterbrach ihr Gespräch. Er wollte weitere Anweisungen erhalten. Es wurde allmählich dunkel, die Schlange wartete geduldig, und der Motorradpolizist war immer noch nicht zurück.
Vinjinia bezahlte ihn und seine Begleiter, damit sie das Anwesen auch in der Nacht schützten und auf den fehlenden Motorradfahrer warteten. Dann schlossen die Frauen das Büro ab und gingen durch die Hintertür hinaus. Die Schlange mit den Arbeitssuchenden war immer noch da. Vielleicht würde die Dunkelheit sie vertreiben. Und morgen war ein neuer Tag. Vinjinia fuhr in ihrem schwarzen Mercedes davon, ohne Nyawĩra anzubieten, sie mitzunehmen. „Bis morgen“, verabschiedete sie sich.
Was für ein Tag!, dachte Nyawĩra, als sie die Straße zur Bushaltestelle hinabging. Sie vermutete, dass an der Krankheit ihres Chefs mehr dran war, als Vinjinia zugegeben hatte. Wenn der Polizist ihr Zwiegespräch nicht gestört hätte, vielleicht …
Sie hatte gerade die Straße überquert, als sich ihr eine Hand auf die rechte Schulter legte. Sie drehte sich ruckartig um und hielt ihre Handtasche fest. Es gab so viele Geschichten über Raubüberfälle am helllichten Tag, dass jede Frau schon bei der leisesten Berührung durch einen anderen Menschen instinktiv die Handtasche festhielt.
Sollte sie nun vor Erleichterung auflachen oder vor Ärger losschreien? Sie wusste es nicht. Es war der allgegenwärtige Kaniũrũ.
Nyawĩra wollte so tun, als hätte sie ihn nicht erkannt, aber eine Stimme in ihr sagte: Hören wir erst mal, was er zu sagen hat, vielleicht erfahren wir das eine oder andere darüber, was in den höheren Kreisen der Regierung vor sich geht.