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Tajirika kam Sikiokuu vor wie ein verwundetes Tier in der Falle. Er sah so gefährlich aus, dass Sikiokuu hin und her überlegte, wie er ihm einen Ausweg schaffen könnte. Er versuchte, die Spannung mit Humor abzubauen.
„Huĩ, sasa, story zako? Ni nini makalau wanakubringiya kinaa? Nĩ haarĩ wanakuitia?“, fragte Sikiokuu in Sheng.
„Verschonen Sie mich mit Ihrem überholten Sheng“, fuhr Tajirika ihn wütend an, weil er glaubte, Sikiokuu nähme ihn nicht ernst. „Wir sind keine Kinder mehr. Ich bin nicht hergekommen, um mit Ihnen Fathe und Mathe zu spielen.“
„Ich wollte Sie lediglich willkommen heißen, Mr. Tajirika“, erwiderte Sikiokuu schleunigst, obwohl es ihn ein wenig enttäuschte, mit seinem Sheng abgeblitzt zu sein. „Was ist zwischen Ihnen und diesen Polizisten schiefgelaufen?“, fragte er, als hätte er selbst nichts damit zu tun.
„Gar nichts“, erwiderte Tajirika. „Ich will ein Gespräch von Mann zu Mann.“
„In Ordnung! Aber zunächst wollen wir Ihnen erst einmal die Handschellen abnehmen. Und stellen Sie bitte diesen Kübel ab. Meine Männer werden ihn hinausbringen. Der Gestank zieht ja durchs ganze Haus.“
„Warum sollte ich Ihnen meine Scheiße anvertrauen?“
„Weil ich Ihnen mein Wort gebe.“
„Schwören Sie vor ein oder zwei Ihrer Polizisten, mich nie wieder, egal wie unser Gespräch ausgeht, mit dem Herrn der Krähen in eine Zelle zu stecken.“
„Nichts weiter?“, fragte Sikiokuu vollkommen verblüfft über die Forderung.
„Im Augenblick nicht!“, antwortete Tajirika. „Der Rest geht nur Sie und mich etwas an.“
Trotz seines Zorns über die Unnachgiebigkeit des Hexenmeisters hatte Sikiokuu nicht vorgehabt, ihn länger als einen Tag im Gefängnis zu behalten. Sobald der Herr der Krähen seine magischen Kräfte einsetzte, um Nyawĩra ausfindig zu machen, wollte er ihn freilassen. Sikiokuu hatte geglaubt, wenn er die beiden eine Nacht lang zusammensperrte und Tajirika seine Foltergeschichten erzählte, würde es der Herr der Krähen mit der Angst zu tun bekommen, und das würde ihn zugänglicher machen, wenn sie sich am nächsten Tag trafen. Es sollte eine Lektion in gutem Benehmen sein.
„Was ist zwischen Ihnen und dem Herrn der Krähen schiefgelaufen?“, fragte Sikiokuu erleichtert und neugierig zugleich.
„Wissen Sie, was es heißt, mit jemandem unter einem Dach zu sein, der die Hexerei von den Toten gelernt hat und regelmäßig mit den Zungen der Toten spricht? Werden Sie vor den Polizisten schwören oder nicht?“
Wie konnte die beabsichtigte Lektion in gutem Benehmen dermaßen danebengehen, dass dieser Tajirika solch einen paranoiden Schwachsinn plapperte?
„In Ordnung“, meinte Sikiokuu, um ihn ein wenig zu beschwichtigen, denn der Minister hatte nicht die geringste Ahnung, wovon Tajirika sprach. Vielleicht hatte der Kerl unter der Folter den Verstand verloren. Was sollte er mit einem verrückten Vorsitzenden von Marching to Heaven anfangen? Wie sollte er alles erklären? Er beschloss, der hirnrissigen Forderung Tajirikas nachzugeben, und rief nach Njoya und Kahiga.
Beide glaubten, ihr Chef würde um Hilfe rufen, und stürmten, gefolgt von zwei weiteren Polizisten, mit gezogenen Waffen herein.
„Waffen runter!“, rief Sikiokuu blitzschnell. „Dieser Herr und ich sind alte Freunde. Eigentlich brauche ich nur zwei von euch, aber vielleicht ist es sogar besser, wenn Sie alle hier sind, denn ich möchte, dass Sie bezeugen können, was ich jetzt sage. Dieser Herr hier darf niemals wieder mit irgendeinem Hexendoktor in eine Zelle gesteckt werden. Sollte jemand gegen meine Anweisung verstoßen, ist er seinen Job los, fristlos. Ganz nebenbei, dieser Herr ist kein Häftling. Er befindet sich in Schutzhaft, weil er die Regierung in Angelegenheiten unterstützt, die die Sicherheit des Staates betreffen. Ist jetzt alles in Ordnung, mein Freund?“, fragte Sikiokuu.
„Alles in Ordnung“, wiederholte Tajirika, als wäre eine schwere Last von ihm genommen. Trotzdem machte er noch immer einen verwirrten Eindruck und seine Stimme zitterte.
„Nimm ihm die Handschellen ab“, befahl Sikiokuu Kahiga.
Tajirika trat vor, doch als er den Toilettenkübel auf dem Tisch absetzen wollte, damit er die Hände besser vorstrecken konnte, um sich die Handschellen abnehmen zu lassen, stolperte er über einen Stuhl, fiel und verschüttete den Kübelinhalt über das ganze Büro. Einiges davon fand seinen Weg in Sikiokuus Gesicht und auf seine Kleider, Teile erwischten Kahiga, Njoya und die beiden Polizisten, und der Rest ergoss sich über das Porträt des Herrschers auf dem Schreibtisch. Alle glaubten, Tajirika würde ausführen, womit er den gesamten Tag über gedroht hatte. Njoya und Kahiga stürmten zurück ins Vorzimmer und schützten sich mit der Tür als Schild gegen weiteren Unrat. Die beiden anderen Polizisten sprangen hin und her und schrien: „Das Todesvirus!“
„Scheiße!“, brüllte Sikiokuu, schüttelte seine besudelten Ohren und setzte, als er ins Hinterzimmer rannte, hinzu: „Man sollte diesen Idioten erschießen!“
Tajirika hörte nur „erschießen“ und glaubte, Sikiokuu hätte den Befehl dazu gegeben.
Auf dem Boden liegend flehte er, von oben bis unten beschmiert: „Erschießen Sie mich nicht. Ich bitte Sie, erschießen Sie mich nicht. Ich habe gelogen. Ich bin nicht mit dem tödlichen Virus infiziert.“
Die beiden Polizisten waren durch sein Geständnis so erleichtert, dass sie ihm dankbar aufhalfen, ihm die Handschellen abnahmen und den Kübel fortbrachten.
Während er wartete, bis sie wieder auftauchten, hatte Tajirika das Gefühl, als hätte sich eine Wolke verzogen, die seinen Kopf vernebelt hatte, als wäre er plötzlich aus dem Delirium eines hohen Fiebers erwacht. Er kam sich etwas töricht vor und war unsicher, wie er sich weiter verhalten sollte. Was sollte er tun? Sich mit dem verschmutzten Hemd das Gesicht abwischen? Kahiga und Njoya kamen, gefolgt von den beiden anderen Polizisten, zurück und fluchten leise vor sich hin: „Los, wir schleifen ihn wieder in die Folterkammer und erteilen ihm eine Lektion.“ Sikiokuu, der aus dem Hinterzimmer auftauchte, hörte, was Kahiga und Njoya sagten, und befahl ihnen, mit diesem Unsinn aufzuhören. Anschließend wies er die beiden Polizisten an, Wasser und Seife zu holen und die Schweinerei unter Aufsicht von Njoya und Kahiga zu beseitigen.
„Wenn ihr fertig seid, geht zurück ins Vorzimmer und wartet weitere Befehle ab. Und Sie“, wandte er sich an Tajirika, „kommen mit.“
Gerade als er ins Hinterzimmer treten wollte, fiel Sikiokuu das Porträt des Herrschers wieder ein. Er eilte zum Tisch und packte es.
„Im Bad da drüben gibt es ein Waschbecken“, wandte er sich wieder an Tajirika und zeigte auf eine Tür. „Gehen Sie rein und machen Sie sich ein bisschen sauber. Ich fürchte, ich kann nicht mit Wechselkleidung dienen.“
Auch Sikiokuu hatte sich nicht umgezogen. Er hatte versucht, die Schweinerei von seinem Hemd zu wischen, aber die Flecken waren immer noch zu sehen. Jetzt widmete er sich dem Porträt des Herrschers, versuchte es vom Schmutz zu reinigen, doch jedes Mal, wenn er dachte, er hätte es geschafft, tauchte – wie aus dem Innern des Bildnisses – ein neuer Fleck auf. Schließlich gab er auf und deckte ein Handtuch darüber. Tajirika kam zurück, als er sich gerade bemühte, die Luft im Zimmer mit Parfum zu verbessern, doch egal wie viel er auch versprühte, der Gestank im Büro des Herrschers war nicht zu überdecken.
„Es ist hoffnungslos“, sagte Sikiokuu, stellte das Parfumfläschchen auf den Tisch und ließ sich in den Stuhl sinken. Dann zeigte er auf einen anderen Stuhl für Tajirika. So saßen sie einander erneut im Büro gegenüber, doch dieses Mal befand sich nur ein Teetisch zwischen ihnen.
„Mr. Tajirika, was Sie heute getan haben, kommt einer Geiselnahme gleich, und das ist nach nationalem und internationalem Recht ein Verbrechen. Und ich muss Ihnen eins sagen: Wenn Sie nicht in Handschellen gewesen wären, hätten die sie erschossen. Ich will Ihnen einen gut gemeinten Rat geben: Spielen Sie nie wieder mit dem Feuer! Und ich hoffe bei Gott, dass die Gründe, die Sie dazu trieben, die Armee mit vorgehaltener Scheiße zu bedrohen, ausreichen, dem Zorn des Staates standzuhalten. Also erzählen Sie mir alles, was Sie mir sagen wollten. Aber ich will Sie warnen: Ich werde keinerlei Dummheiten mehr hinnehmen. Keine Spielchen mehr! Was ist zwischen Ihnen und dem Herrn der Krähen abgelaufen? Oder soll ich ihn holen lassen, damit er mir seine Version vorträgt und Sie beide in meiner neutralen Gegenwart Ihre Meinungsverschiedenheiten austragen können?“