15

Die drei Müllmänner zitterten, als sie ihre Geschichte erzählten. Wie sie einen Leichnam gefunden hatten, der gerade, als sie ihn auf der Deponie vergraben wollten, wieder zum Leben erwachte oder vielmehr von den Toten auferstand und anfing, sie um den Müllwagen herumzujagen. Wie er versuchte, sie zu fangen und ihnen drohte, sie in die riesige Tasche zu stecken, die er bei sich trug, um sie nach Hause zu den Engeln des Bösen ins Land des Teufels zu entführen. Das war doch der Ort des ewigen Feuers, sagten die Müllmänner, und die Soldaten Christi antworteten mit Ja. Die Müllmänner konnten nicht genau sagen, wie sie den Klauen des Teufels entkommen waren, doch hatten sie die Gelegenheit genutzt, die sich ihnen bot, und waren geflohen.

Es war eine traurige Geschichte, eine Geschichte des Schreckens und der Rettung – was für ein knappes Entkommen! Noch bevor sie mit ihrer Erzählung fertig waren, sagte einer von ihnen, dass er nie wieder Müll fahren wolle; und alle drei schworen, nie mehr einen Leichnam anzufassen, wie tot er auch sein mochte. Wahrhaftig, die Toten waren tödlich.

„Macht euch keine Sorgen“, antworteten die Soldaten Christi daraufhin und nickten verständnisvoll, um zu zeigen, dass sie die Schliche Satans sehr genau kannten. „Es war Jesus, der euch befahl, vom Kehrbesen zu lassen und fortan die Herzen der Menschen zu reinigen“, versicherten sie ihnen und stimmten eine Hymne an.

Der Herr befahl den Fischern, ihm zu folgen

Und von ihren Netzen zu lassen

Und er sagte ihnen, er führe sie in den Himmel …

Die Hymne und der Gesang bewirkten, dass auch den Soldaten Christi neuer Mut durch die Adern strömte. Einige begannen sogar vor Begeisterung zu weinen, begierig darauf, unverzüglich in den Krieg zu ziehen.

Die Müllmänner bedankten sich und glaubten sich in der Gesellschaft der Gläubigen sicher; als sie aber gebeten wurden, den Soldaten Christi den Ort des schrecklichen Geschehens und der knappen Flucht zu zeigen, weigerten sie sich und willigten erst ein, als ihnen versicherte wurde, hinter dem Banner Zuflucht nehmen zu können. Die Soldaten würden sie mit ihren Kreuzen auf allen Seiten schützen. Der Teufel fürchtet das Kreuz, versicherten sie. Hatte er nicht von ihnen abgelassen, sobald er sah, dass sie auf das Kreuz zuliefen? Und sie sangen: „Am Kreuz, am Kreuz, da fand ich den Herrn …“

Und so konnten die drei Männer, aus der Geborgenheit hinter dem Banner und den Kreuzen, auf eine einsame Gestalt zeigen, die sich auf dem Weg ins Stadtzentrum befand. Sie bestätigten, dass es sich um den Teufel persönlich handelte, weil sie ihn an der Tasche erkannten, die er bei sich trug. Doch dann sagten sie sehr bestimmt, nicht einen Schritt weiter in des Teufels Richtung gehen zu wollen. Sie eilten zurück zu ihrem Müllwagen, bevor Satan seine Meinung änderte und wiederkehrte, um sie zu holen.

Wie Bischof Tireless Kanogori in der All Saints Cathedral trugen die Soldaten Christi ihre Kreuze und Bibeln vor sich her und folgten der Gestalt in sicherer Entfernung. Sie durften nicht so töricht sein, sich so weit vorzuwagen, wie nicht einmal die Engel es gewagt hatten. Sie durften nicht vergessen, dass Satan ein hochrangiger Engel gewesen war, bevor er wegen einer geplanten Rebellion gegen Gott aus dem Himmel verstoßen wurde. Ein Wesen, dem es beinahe gelungen war, eine Palastrevolte gegen Gott anzuzetteln, durfte man nicht auf die leichte Schulter nehmen. Aber sie ließen nicht von ihm ab, denn da Jesus mit ihnen war, war ihnen vorherbestimmt, den Teufel zu bändigen. Einer meinte, Satan wäre es doch nur gelungen, so viele Engel zu verführen, sich seinem Putsch anzuschließen, weil Jesus Christus damals noch nicht geboren war.

Was als Nächstes geschah, bestätigte nur ihre Befürchtungen hinsichtlich der teuflischen Tricks der Gestalt vor ihnen. Noch heute schwören die Soldaten Christi, ihn nie aus den Augen gelassen zu haben, doch können sie noch immer nicht erklären, wie es der Gestalt gelang, direkt vor ihren Augen zu verschwinden. Sie wissen nur, dass ihnen so viele Menschen mit ähnlichen Taschen begegneten, als sie an die Straße kamen, in die die Gestalt eingebogen war, dass sie nicht feststellen konnten, wer unter den vielen Hunderten, die sich ihren Weg bahnten, wer war. Der Teufel war verschwunden.

Und dann fielen ihnen die Leiden von Maritha und Mariko wieder ein, und dieser Gedanke ließ ihre Herzen erstarren: Was, wenn nun der Teufel sein Spiel mit ihnen getrieben hatte, um sie auf den Hauptstraßen der Stadt festzuhalten, während er nach Santalucia unterwegs war, um Maritha und Mariko zu erwischen und ihnen die Seelen aus dem Leib zu reißen und ihre Leichen wie leere Hüllen am Straßenrand oder an einer Müllkippe liegen zu lassen?

Sie beschlossen, nach Santalucia zurückzukehren. Sie waren noch nicht weit gekommen, als sie Schritte hinter sich hörten. Einer der Müllmänner holte sie ein.

„Ich habe mich entschieden, den weltlichen Besen in die Ecke zu stellen und in Zukunft nur noch die Herzen der Menschen zu fegen. Auch ich möchte ein Soldat Christi werden“, sagte er.

Die Soldaten Christi erstaunte, was sich vor ihren Augen abspielte. Gott vollbringt seine Wunder auf geheimnisvolle Weise. Nachdem sie sich viele Tage erfolglos bemüht hatten, fanden sie jetzt, da sie es am wenigsten erwarteten, an diesem unwirtlichen Ort ihren ersten Konvertiten. Sie nahmen ihn als ihren Bruder in Christi auf und tauften ihn Feger-der-Seelen.

Beseelt von ihrer Aufgabe und begleitet von ihrem neuen Anhänger, waren sie bald wieder auf dem Weg nach Santalucia, wo sie wegen Satan, der in der Wildnis den Müllmännern erschienen und später in den Straßen der Innenstadt von Eldares verschwunden war, bei Kerzenlicht eine Nachtwache hielten. Mit Feger-der-Seelen, der nun bei ihnen war, würden sie nie wieder Schwierigkeiten haben, den Teufel zu erkennen und zu ergreifen.

Herr der Krähen
titlepage.xhtml
cover.xhtml
copy.xhtml
titel.xhtml
wid.xhtml
zitate.xhtml
inhalt.xhtml
book1.xhtml
ch01.xhtml
ch02.xhtml
ch03.xhtml
ch04.xhtml
ch05.xhtml
ch06.xhtml
ch07.xhtml
ch08.xhtml
ch09.xhtml
ch10.xhtml
ch11.xhtml
ch12.xhtml
ch13.xhtml
ch14.xhtml
ch15.xhtml
book2.xhtml
book2p1.xhtml
ch16.xhtml
ch17.xhtml
ch18.xhtml
ch19.xhtml
ch20.xhtml
ch21.xhtml
ch22.xhtml
ch23.xhtml
ch24.xhtml
ch25.xhtml
ch26.xhtml
ch27.xhtml
ch28.xhtml
ch29.xhtml
ch30.xhtml
ch31.xhtml
ch32.xhtml
book2p2.xhtml
ch33.xhtml
ch34.xhtml
ch35.xhtml
ch36.xhtml
ch37.xhtml
ch38.xhtml
ch39.xhtml
ch40.xhtml
ch41.xhtml
ch42.xhtml
ch43.xhtml
ch44.xhtml
ch45.xhtml
ch46.xhtml
ch47.xhtml
ch48.xhtml
ch49.xhtml
ch50.xhtml
ch51.xhtml
ch52.xhtml
ch53.xhtml
book2p3.xhtml
ch54.xhtml
ch55.xhtml
ch56.xhtml
ch57.xhtml
ch58.xhtml
ch59.xhtml
ch60.xhtml
ch61.xhtml
ch62.xhtml
ch63.xhtml
ch64.xhtml
ch65.xhtml
ch66.xhtml
ch67.xhtml
ch68.xhtml
book3.xhtml
book3p1.xhtml
ch70.xhtml
ch71.xhtml
ch72.xhtml
ch73.xhtml
ch74.xhtml
ch75.xhtml
ch76.xhtml
ch77.xhtml
ch78.xhtml
ch79.xhtml
ch80.xhtml
ch81.xhtml
ch82.xhtml
ch83.xhtml
ch84.xhtml
ch85.xhtml
ch86.xhtml
ch87.xhtml
book3p2.xhtml
ch88.xhtml
ch89.xhtml
ch90.xhtml
ch91.xhtml
ch92.xhtml
ch93.xhtml
ch94.xhtml
ch95.xhtml
ch96.xhtml
ch97.xhtml
ch98.xhtml
ch99.xhtml
ch100.xhtml
ch101.xhtml
ch102.xhtml
ch103.xhtml
ch104.xhtml
ch105.xhtml
ch106.xhtml
ch107.xhtml
ch108.xhtml
ch109.xhtml
ch110.xhtml
book3p3.xhtml
ch111.xhtml
ch112.xhtml
ch113.xhtml
ch114.xhtml
ch115.xhtml
ch116.xhtml
ch117.xhtml
ch118.xhtml
ch119.xhtml
ch120.xhtml
ch121.xhtml
ch122.xhtml
ch123.xhtml
ch124.xhtml
ch125.xhtml
ch126.xhtml
book4.xhtml
book4p1.xhtml
ch127.xhtml
ch128.xhtml
ch129.xhtml
ch130.xhtml
ch131.xhtml
ch132.xhtml
ch133.xhtml
ch134.xhtml
ch135.xhtml
ch136.xhtml
ch137.xhtml
ch138.xhtml
ch139.xhtml
ch140.xhtml
ch141.xhtml
ch142.xhtml
ch143.xhtml
ch144.xhtml
ch145.xhtml
ch146.xhtml
ch147.xhtml
ch148.xhtml
ch149.xhtml
ch150.xhtml
ch151.xhtml
book4p2.xhtml
ch152.xhtml
ch153.xhtml
ch154.xhtml
ch155.xhtml
ch156.xhtml
ch157.xhtml
ch158.xhtml
ch159.xhtml
ch160.xhtml
ch161.xhtml
ch162.xhtml
ch163.xhtml
ch164.xhtml
ch165.xhtml
ch166.xhtml
ch167.xhtml
ch168.xhtml
ch169.xhtml
ch170.xhtml
ch171.xhtml
ch172.xhtml
book4p3.xhtml
ch173.xhtml
ch174.xhtml
ch175.xhtml
ch176.xhtml
ch177.xhtml
ch178.xhtml
ch179.xhtml
ch180.xhtml
ch181.xhtml
ch182.xhtml
ch183.xhtml
ch184.xhtml
ch185.xhtml
ch186.xhtml
ch187.xhtml
ch188.xhtml
ch189.xhtml
ch190.xhtml
ch191.xhtml
ch192.xhtml
ch193.xhtml
ch194.xhtml
ch195.xhtml
ch196.xhtml
ch197.xhtml
book5.xhtml
book5p1.xhtml
ch198.xhtml
ch199.xhtml
ch200.xhtml
ch201.xhtml
ch202.xhtml
ch203.xhtml
ch204.xhtml
ch205.xhtml
ch206.xhtml
ch207.xhtml
ch208.xhtml
ch209.xhtml
ch210.xhtml
ch211.xhtml
ch212.xhtml
ch213.xhtml
ch214.xhtml
ch215.xhtml
ch216.xhtml
ch217.xhtml
ch218.xhtml
ch219.xhtml
ch220.xhtml
ch221.xhtml
ch222.xhtml
ch223.xhtml
ch224.xhtml
ch225.xhtml
ch226.xhtml
book5p2.xhtml
ch227.xhtml
ch228.xhtml
ch229.xhtml
ch230.xhtml
ch231.xhtml
ch232.xhtml
ch233.xhtml
ch234.xhtml
ch235.xhtml
ch236.xhtml
ch237.xhtml
ch238.xhtml
book5p3.xhtml
ch239.xhtml
ch240.xhtml
book6.xhtml
ch241.xhtml
ch242.xhtml
ch243.xhtml
ch244.xhtml
ch245.xhtml
ch246.xhtml
ch247.xhtml
ch248.xhtml
ch249.xhtml
ch250.xhtml
ch251.xhtml
ch252.xhtml
ch253.xhtml
ch254.xhtml
dank.xhtml
author.xhtml
bm2.xhtml