II
Unter Wasser war Mohammed wieder zu Bewusstsein gekommen, aber offenbar nur, um einen Albtraum zu erleben. Der Bagger zog ihn erbarmungslos in die Tiefe. Er holte noch ein letztes verzweifeltes Mal Luft, bevor er in das trübe Wasser gezogen wurde. Dann kam die Maschine zum Stillstand und neigte sich gefährlich auf die Seite, als wollte sie in den weichen Seegrund kippen. Er zog sich in die Kabine. Unter dem gewölbten Dach war eine kleine Luftblase. Er atmete ein, tastete nach dem Schalter für das Deckenlicht und drückte ihn. Das Licht warf gelbe Ringe auf das aufgewühlte Wasser und offenbarte, wie klein sein Luftvorrat war. Er tauchte wieder unter und versuchte, seine Hand aus der Schelle zu kriegen, aber sein Daumen verhinderte es. Er versuchte, das Lenkrad vom Gestänge zu reißen. Zwecklos. Durch die Anstrengung verbrauchte er nur den kläglichen Sauerstoffvorrat. Der Schlüssel steckte in der Zündung. Er drehte ihn herum, doch der Motor reagierte nicht. Er tauchte auf, um Luft zu holen. Der Bagger wackelte und neigte sich weiter. Kostbare Luftblasen trieben nach oben. Er erinnerte sich, einmal von einem Bergsteiger gelesen zu haben, der seinen unter einem Fels eingeklemmten Arm mit einem Taschenmesser abgesägt hatte, um sich zu befreien. Ja. Für Layla würde er das tun. Er holte tief Luft, tauchte unter und tastete den Boden nach Scherben ab, aber er fand nur kleine Splitter des im Kugelhagel zersplitterten Sicherheitsglases. Er tauchte wieder auf.
Plötzlich wirbelte das Wasser auf, dann zupfte etwas an seinem Ärmel. Er wäre fast vor Angst gestorben, als der Kopf eines Mannes neben ihm auftauchte. Der Mann, den Nicolas hatte töten wollen. «Wo ist der Schlüssel?», fragte er knapp.
«Der tote Grieche», keuchte Mohammed. «An seinem Gürtel.» Der Mann nickte, tauchte unter und verschwand.
Es gab so wenig Luft, dass es allmählich ernst wurde. Er presste seine Wange gegen das Metalldach und versuchte ruhig zu bleiben. Eine Ewigkeit schien zu vergehen. Die Luft begann zu stinken. Mohammed wurde schwindelig. Zwischen seinen Augen pochte ein stechender Schmerz. Er dachte an Layla und betete, dass sie irgendwie durchkommen würde, dass sie ein gutes Leben haben würde, wenn sie diese furchtbare Krankheit überwunden hatte. Was konnte sie dann noch aufhalten? Jeder Vater war stolz auf seine Tochter, aber welcher hatte solchen Grund dazu?
Die Kabine erzitterte wieder. Ein leiser Schrei entfuhr ihm, als er sah, wie weitere Luftblasen aufstiegen. Das war das Problem mit der Hoffnung: Ihr Preis war enorme Angst. Mittlerweile musste er bis zur Schmerzgrenze an seinem gefesselten Handgelenk zerren, um die verbliebene Luft zu erreichen. Und sie war so dünn, dass er kräftiger und schneller atmen musste, um überhaupt noch Sauerstoff aufzunehmen. Währenddessen wackelte die Kabine und neigte sich gnadenlos zur Seite. Sein letzter Luftvorrat stieg in Blasen auf. Er presste seinen Mund so lange mit der Hand zu, wie er konnte, aber nach einer Weile kam er gegen das Bedürfnis seiner Lungen nicht mehr an und musste ihn öffnen. Wasser strömte hinein. Erst würgte er, doch dann schluckte er es hinunter. Er fiel in einen Strudel willkürlicher, aber beruhigender Farben, Muster, Gefühle und Aromen, durchdrungen von der tiefen Liebe zu Nur und Layla. Und plötzlich umgab ihn ein grelles weißes Licht.