IV
«Willst du mir erzählen, dass Knox schon wieder entwischt ist?», fragte Hassan ungläubig, als Nessim seinen Bericht beendet hatte.
«Er hatte einen Freund dabei», sagte Nessim.
«Einen Freund?»
«Wir werden sie finden», sagte Nessim, bemüht, standhafter zu klingen, als er sich fühlte. Sein Selbstvertrauen war nach den jüngsten Ereignissen völlig erschüttert. So etwas passierte mit einem Mann, wenn sich das Blatt komplett gewendet hatte. Wenn er eine ganze Nacht versucht hatte, sich aus einem verlassenen Bauerhof zu befreien, oder halb nackt mit einem verwundeten Kameraden über die Felder marschiert war. Aber was Nessim bei diesem ganzen Fiasko zu seiner eigenen Überraschung am tiefsten getroffen hatte, waren Knox’ Worte über seine fehlende Ehre. Nessim war alt und klug genug, um zu wissen, dass Beleidigungen erst dann richtig weh taten, wenn sie einen wahren Kern hatten, und deshalb wurde er die quälenden Fragen nicht mehr los: Wie war es so weit gekommen? Wie konnte er nur für einen Mann wie Hassan arbeiten? War ihm das Geld wirklich so wichtig? «Wir observieren jeden seiner Freunde und Bekannten», sagte er. «Wir setzen eine neue Belohnung aus. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis wir ihn wieder finden.»
«Das hast du mir schon ein paar Mal erzählt», sagte Hassan.
«Es tut mir leid», sagte Nessim. «Aber er ist besser, als wir es für möglich gehalten haben. Jetzt wissen wir Bescheid. Jetzt sind wir vorbereitet. Das nächste Mal werden wir ihn kriegen.»
«Das nächste Mal? Woher soll ich wissen, dass es ein nächstes Mal geben wird?»
«Geben Sie mir noch eine Woche. Mehr verlange ich nicht.»
«Kannst du mir einen guten Grund nennen, warum ich dich nicht feuern und stattdessen ihn einstellen sollte?»
«Dann müssen Sie ihn erst mal finden», murmelte Nessim leise.
«Was hast du gesagt?»
«Nichts.»
Bleierne Stille. Dann: «Ich denke, es ist an der Zeit, dass wir die Sache unter vier Augen besprechen, oder?»
«Unter vier Augen?»
«Ja», sagte Hassan. «Unter vier Augen.»