II
In der Gesellschaft von Kindern fühlte sich Ibrahim unwohl. Er war Einzelkind, hatte weder Nichten noch Neffen und erwartete nicht, Vater zu werden. Aber Mohammed hatte alle Hebel in Bewegung gesetzt, um ihm und seinem Team bei dieser Ausgrabung zu helfen. Deshalb konnte Ibrahim Mohammeds Tochter kaum eine Besichtigung verweigern, obwohl es seiner Meinung nach verrückt war, ein krankes Kind an diesen staubigen, vom Tod beherrschten Ort zu bringen.
Einer von Mohammeds Arbeitern spürte sie unten in einer Grabkammer auf. «Ein Anruf für dich», brummte er. «Die Firmenzentrale.»
Mohammed verzog das Gesicht. «Entschuldigen Sie», bat er Ibrahim. «Ich muss mich darum kümmern. Aber ich bin gleich zurück. Können Sie so lange bei Layla bleiben?»
«Natürlich.» Ibrahim machte sich auf alles gefasst, als Mohammed ihm das Bündel aus Decken und Wickeln reichte, aber das arme Mädchen war federleicht. Nervös lächelte er sie an. Sie lächelte zurück. Sie schien Angst vor ihm zu haben und zu denken, dass er sie als Plage betrachtete. «Dieser Mann war kein Ägypter, oder?», fragte sie. Durch Geschwüre im Mund zuckte sie bei jedem Wort zusammen. Ibrahim zuckte mit ihr.
«Nein», sagte Ibrahim. «Er war Grieche, vom Norden des Meeres. Dein Vater ist ein kluger Mann. Er wusste, dass es ein Grieche war, weil er in seinem Mund eine Münze gefunden hat, die man Obolus nennt. Die Griechen glaubten, dass die Seelen eine solche Münze brauchen, um den Fährmann Charon zu bezahlen, damit er sie über den Fluss Styx in die Unterwelt rudert.»
«Die Unterwelt?», fragte Layla. Sie hatte fragend die Augen aufgerissen; es sah aus, als wären die Lider zurückgezogen worden. Ibrahim schluckte und schaute weg. Für einen Moment fühlte er sich den Tränen nahe. Ein so kleines Mädchen mit einem so harten Schicksal.
Seine Arme begannen zu ermüden, als Mohammed endlich zurückkehrte. Er strahlte Layla mit einer solchen Zuneigung an, dass Ibrahim sich verloren fühlte und beschämt war. Er hatte plötzlich das Gefühl, kein Recht auf seinen Platz in der Welt, auf die Luft, die er atmete, auf den Raum, den er ausfüllte, und auf sein leichtes Leben zu haben. Er trat einen Schritt zurück in den Schutz der Dunkelheit. «Sie haben mir doch von diesen Tests erzählt, bei denen wir Ihnen helfen können», sagte er leise zu Mohammed. «Wo könnte ich denn selbst einen machen?»