IV
«Guck mal, was ich mitgebracht habe!», sagte Augustin vergnügt und hob zwei Plastiktaschen hoch. «Falafelbaguettes und Bier! Wie in alten Zeiten.»
«Großartig.»
Augustin runzelte die Stirn. «Besonders erfreut klingst du nicht.»
«Ich fühle mich ein bisschen eingeengt», gab Knox zu. «Nach nur einem Tag? Du überstehst nicht einmal einen Tag?»
«Und dann diese verdammten Tim-und-Struppi-Hefte», sagte Knox und half ihm beim Auspacken. «Kannst du mir etwas Vernünftiges zum Lesen besorgen?»
«Zum Beispiel?»
«Irgendwas Archäologisches. Wie wäre es mit deinen Ausgrabungsberichten vom Hafen? Ich würde gerne wissen, was du gefunden hast.»
«Okay», sagte Augustin. «Kein Problem. Ich bringe sie morgen Abend mit. Aber wenn du so leidest …»
«Ja?»
«Ich habe doch heute einen Fund begutachtet. Eine Nekropole. Sie reicht hinab bis zum Grundwasserspiegel und noch etwas weiter. Aber Ibrahim will das Wasser nicht abpumpen. Ich soll erst nachschauen. Eigentlich wollte ich Sophia mitnehmen, aber bevor du hier noch verrückt wirst …»
Sowohl Angst als auch Vorfreude kamen in Knox auf. «Ist das dein Ernst?»
«Warum nicht? Sie ist zwar schöner als du, aber keine so gute Taucherin. Du weißt, wie gefährlich abgeschlossene Räume sein können.»
«Und wie soll ich dort hinkommen?»
«Auf dem Sozius meines Bikes», sagte Augustin und reichte Knox eine kühle Flasche Bier. «Du kannst meinen Helm tragen. Ich komme ohne klar. Niemand wird uns anhalten, versprochen. Die Polizei in dieser Stadt ist eine Schande. In den zehn Jahren, die ich hier bin, bin ich noch nie angehalten worden. Und wenn, tant pis! Ich habe immer noch die Papiere von meinem letzten Besuch in Kyrene. Die libyschen Arschlöcher wollten mich unter meinem echten Namen nicht reinlassen. Mich! Nur weil ich einmal einen Brief über diesen verrückten Fatzken Gaddafi geschrieben habe. Ich musste als Omar Malik einreisen. Ein Lastwagenfahrer aus Marsa Matruh, kannst du dir das vorstellen? Wenn ich als Lastwagenfahrer aus Marsa Matruh durchgehe, dann du erst recht.»
Knox schüttelte den Kopf. Er konnte nicht glauben, dass er so etwas überhaupt in Erwägung zog. Aber Augustin hatte einen bewundernswerten Mangel an Respekt gegenüber normalen Verhaltensregeln, und seine Art war ansteckend. «Und in der Ausgrabungsstätte?»
«Kein Problem. Überlass mir das Reden. Viel zu reden gibt es eh nicht. Oben ist eine Baustelle. Unten gibt es Gott weiß wie viele Kammern, in jeder hundert loculi, jedes voller Knochen und Artefakte, die Mansoor in zwei Wochen im Museum haben will. Ein Chaos. Archäologen vom Museum, von der Uni, von der Küste. Am Eingang der Treppe steht nur eine Wache, aber um an der vorbeizukommen, braucht man nur einen Standardausweis der Antiquitätenbehörde, und du kannst einen von meinen haben. Irgendein nichtssagender Name. John Smith, Charles Russel, Mark Edwards. Ja! Perfekt! Mark Edwards. Du siehst genauso aus, wie ein Mark Edwards aussehen sollte.»
Knox schüttelte unsicher den Kopf. «Du weißt, was man in Kairo von mir hält. Wenn das herauskommt, kriegst du Probleme.»
«Scheiß auf Kairo», schimpfte Augustin. «Mir wird immer noch übel, wenn ich daran denke, was dieses Arschloch Yusuf dir und Richard angetan hat. Glaube mir, ich helfe dir gern. Außerdem, wie sollte es herauskommen? Ich werde nichts sagen. Du vielleicht?»
«Jemand könnte mich erkennen.»
«Glaube ich nicht. Ibrahim vielleicht, aber er ist ein guter Mann, er wird nichts sagen. Außerdem kommt er gar nicht mehr an die Stätte, er könnte sich ja seinen Anzug schmutzig machen. Sonst kennt dich keiner. Und es sind alles Freunde, außer dieser geilen Griechin Elena und ihrer …»
«Elena?» Knox legte eine Hand an die Stirn. «Elena Koloktronis?»
Augustin verzog das Gesicht. «Du kennst sie?»
«Nein», sagte Knox. «Ich habe nur geraten.»
«Wo hast du von ihr gehört?»
«Du weißt doch, was mit meinen Eltern und meiner Schwester passiert ist, oder?»
«Natürlich. Wieso? Hatte sie etwas damit zu tun?»
«Ihr Ehemann war der Fahrer.»
«Ach so. Und er …? Ist er auch …?»
«Ja.»
«Tut mir leid», sagte Augustin. «Tut mir für euch beide leid. Aber das spielt keine Rolle. Sie wird morgen nicht dort sein.»
«Bist du sicher?»
«Sie leitet eine Ausgrabung im Delta. Sie kam heute nur, um diese französische Fotografin vorzustellen. Gaille Dumas oder so. Kennst du die?»
«Eine Fotografin?» Knox schüttelte den Kopf. «Nein.»
«Dann ist ja alles klar», sagte Augustin. Grinsend hob er sein Bier, um Knox zuzuprosten. «Was soll schon schiefgehen?»