III
Nur empfing Mohammed an der Tür. Sie sah abgekämpft aus. Das bedeutete, dass Layla einen schlechten Tag gehabt hatte. «Du siehst schön aus», sagte er, küsste ihre Wange und reichte ihr einen kleinen Strauß Blumen, die die Köpfe hängen ließen.
«Wie kannst du dir das leisten?», fragte sie weinend.
«Die Blumen sind ein Geschenk», erwiderte er sanft. «Sharif wollte, dass du sie bekommst.» Er schaute an ihr vorbei, den Flur entlang zu Laylas Zimmer. «Ist sie wach?»
Nur nickte. «Aber müde.»
«Ich gehe nur kurz rein.» Er klopfte leise an die Tür, öffnete sie und ging hinein. Die Kleine lächelte, als sie ihn sah. Er kniete sich neben ihr Bett, griff in seine Tasche und holte eine schwarze Königin hervor, die er geschnitzt und lackiert hatte. Er schnitzte gern. In den seltenen Pausen auf der Baustelle durchsuchte er die Kisten nach Holzresten, die er mit seinem Messer bearbeiten konnte. Es war eine gute Therapie. Wenn man schon nichts für die Gesundheit seines Kindes tun konnte, war es schön, ihm wenigstens eine Freude zu machen.
Ihre Augen wurden groß. Sie nahm die lackierte Mahagonifigur, berührte sie mit der Zungenspitze und drückte sie dann wie eine Puppe an ihre Brust. Aus irgendeinem Grund machte sich Layla nichts mehr aus Puppen, seit sie von ihrer Krankheit erfahren hatte. Er konnte sie nicht einmal mehr mit Süßigkeiten erfreuen. Es war, als wäre ihr Leben zu ernst geworden für kindische Ablenkungen. «Liest du mir heute Abend etwas vor?», fragte sie.
«Natürlich.»
Offenbar zufrieden kuschelte sie sich ins Bett. Sie hatten jeden angerufen, der ihnen in den Sinn gekommen war, und alle gebeten, die Tests zu machen. Das hatte Mohammed gut getan, er hatte das Gefühl gehabt zu helfen. Aber nun war er wieder auf andere angewiesen. Jetzt musste er warten. Und für einen Vater gab es nichts Schlimmeres auf der Welt, als zu warten.
Deprimiert ging er wieder hinaus. Nur biss auf ihre Lippe, konnte die Tränen aber nicht zurückhalten. Sie hatte ihr Leben lang geweint und trocknete allmählich von innen aus. Mohammed nahm sie in den Arm, um sie zu trösten. Manchmal war er der Verzweiflung so nahe, dass er sich beinahe das Schlimmste wünschte, nur damit es vorbei wäre. Seine Karriere, seine schöne Frau und seine Tochter, alles war ihm einmal so vollkommen erschienen. «Geht es ihr gut genug, um rauszugehen?», fragte er vorsichtig.
«Raus?» Nur klang beinahe hysterisch. «Wohin?»
«Zur Baustelle.»
Nur stieß ihn weg. «Bist du verrückt?», rief sie.
Mohammed umarmte sie wieder. «Hör zu», sagte er. «Ich habe dir doch von Ibrahim, diesem Archäologen erzählt. Der mit dem Mercedes, der die Tests bezahlt. Er hat Geld und Einfluss. Er bewegt sich in einer anderen Welt als wir. In dieser Welt braucht Layla jeden Freund, den sie kriegen kann.»
«Kann er helfen?»
Mohammed zögerte. Nur neigte dazu, ihn für Versprechen zu bestrafen, mit denen er ihr über schwere Zeiten hinweghelfen wollte. «Wer weiß?», murmelte er. «Aber er ist ein netter Mann, ein gütiger Mann. Wenn er Layla erst einmal persönlich kennenlernt, wer weiß, was Allah ihn dann tun lässt?»