III
Nicolas kam in Ibrahims Büro, um einige heikle Dinge zu besprechen. Sein Vater hatte ihn beauftragt, bestimmte Artefakte aus dem makedonischen Grabmal für seine Privatsammlung zu akquirieren. Er wollte mindestens einen goldenen Sarg, außerdem eine Auswahl an Waffen. Die Sachen zu bekommen war durchaus möglich, insbesondere jetzt, da Yusuf persönlich die Kontrolle über die Ausgrabung übernommen hatte. Es ging nur darum, überzeugende Repliken herstellen zu lassen und einen Austausch zu arrangieren. Aber noch war Ibrahim an der Ausgrabung beteiligt, und man musste mit ihm verhandeln, nicht zuletzt deshalb, weil Yusuf einen Sündenbock zur Hand haben wollte, sollte der Austausch entdeckt werden. «Ich störe Sie doch nicht, oder?», fragte Nicolas.
«Das kann warten», sagte Ibrahim lächelnd. «Ich wollte gerade ein paar Bücher für Gaille nach Siwa schicken. Obwohl ich nicht glauben kann, dass Dr. Sayed keine Ausgaben davon hat.»
Nicolas setzte sich an den Ecktisch. «Sie wissen sicher, wie zufrieden wir von der Dragoumis-Gruppe mit dem Ergebnis unserer Partnerschaft sind», begann er.
«Wir sind auch zufrieden.»
Nicolas nickte und zog einen dicken Umschlag aus seiner Jacketttasche. «In meiner Familie ist es üblich, Erfolg zu belohnen.» Er legte den Umschlag auf den Tisch und lächelte Ibrahim aufmunternd an.
Stirnrunzelnd betrachtete Ibrahim das Geldbündel. «Für mich?», fragte er.
«Als Zeichen unserer Anerkennung und Dankbarkeit.»
Argwöhnisch kniff Ibrahim die Augen zusammen. «Und was wollen Sie für dieses Geld?»
«Nichts. Nur eine Fortführung unserer Partnerschaft.» Tatsächlich trug Nicolas eine Minikamera unter seinem Jackett, deren Linse als zweitoberster Knopf getarnt war. Jeder in der Antiquitätenbehörde nahm Bestechungsgelder an, aber das bedeutete noch lange nicht, dass es legal war. Wenn Ibrahim dieses Bakschisch wie ein guter Junge nahm, würde der Film verwendet werden, um ihn Schritt für Schritt gefügig zu machen, bis er völlig kompromittiert war. Wenn er es nicht nahm, hatte Nicolas viele andere Wege, um sein Ziel zu erreichen.
Ibrahim zögerte und schob dann den Umschlag über den Tisch zurück. «Wenn Sie weiterhin zu unserer Partnerschaft beitragen wollen», sagte er, «dann haben wir für diesen Zweck ein Bankkonto eingerichtet, wie Sie bestimmt bereits wissen.»
Nicolas lächelte angespannt und nahm das Geld zurück. «Was immer Sie für das Beste halten.»
«Gibt es sonst noch etwas? Oder kann ich jetzt …»
Von draußen hörte man Lärm. Die Tür sprang auf, und Mohammed stürmte herein. «Tut mir leid, Sir», sagte Maha, die am Arm des Hünen hing. «Ich konnte ihn nicht aufhalten.»
«Schon in Ordnung, Maha», sagte Ibrahim. Er betrachtete Mohammed. «Was soll denn dieses Theater?»
«Es geht um Layla», sagte Mohammed. Tränen liefen ihm über das Gesicht. «Sie haben nein gesagt. Sie haben einfach nein gesagt. Sie wollen sie nicht behandeln.»
«Mein lieber Freund», sagte Ibrahim und stand verlegen auf. «Das tut mir so leid.»
«Sie braucht keine Sympathie. Sie braucht Hilfe.»
«Es tut mir leid. Ich weiß nicht, was ich noch tun kann.»
«Bitte. Ich habe schon jeden gefragt. Sie sind ihre letzte Hoffnung.»
Nicolas stand auf und wandte sich ab. Gespräche über Krankheiten waren ihm immer unangenehm. Die Bücher, die Ibrahim für Gaille herausgesucht hatte, lagen auf der Ecke des Schreibtisches. Er nahm eines und blätterte müßig durch die Seiten.
«Ich könnte natürlich herumfragen», sagte Ibrahim. «Aber im Krankenhaus kenne ich niemanden.»
«Ich flehe Sie an. Sie müssen etwas tun.»
Das Buch war voller Schwarz-Weiß-Skizzen. Eine stellte einen Hügel und einen See namens Bir Al Hammam dar. Irgendwie kam Nicolas der Anblick bekannt vor. Er legte das Buch zurück und nahm ein anderes. Auch in diesem war ein Bild von Bir Al Hammam, dieses Mal ein Foto. Er starrte es lange an, und als ihm schließlich klar wurde, warum ihm der Anblick vertraut war, durchzuckte ihn ein herrlicher orgiastischer Schauer.
«Nicolas? Nicolas?», fragte Ibrahim besorgt. «Ist alles in Ordnung?»
Nicolas kam wieder zu Sinnen. Ibrahim sah ihn merkwürdig an. Nicolas lächelte. «Verzeihen Sie», sagte er. «Ich war nur gerade ganz woanders.» Als er sich umschaute, sah er, dass Mohammed verschwunden war. «Wo ist denn Ihr Freund?», fragte er.
«Er musste gehen», sagte Ibrahim. «Seine Frau ist offenbar in einem schrecklichen Zustand. Ich hatte versprochen, mein Möglichstes zu tun. Aber was kann ich jetzt noch machen? Das arme Mädchen.»
Nicolas runzelte nachdenklich die Stirn. «Wenn ich ihr helfen könnte, wären Sie dankbar, nicht wahr?»
«Natürlich», sagte Ibrahim. «Aber ich weiß wirklich nicht …»
«Gut», sagte Nicolas und klemmte sich Gailles Bücher unter den Arm. «Dann kommen Sie mit mir. Schauen wir mal, was wir tun können.»