II
«Wirklich?», fragte Ibrahim aufgeregt. «Spannen Sie uns nicht auf die Folter.»
Gaille nickte. Sie räusperte sich und begann, laut vorzulesen.
«Ich, Kelonimos, Sohn des Hermias, Bruder des Akylos, Baumeister, Schriftgelehrter, Architekt, Bildhauer, Freund des Wissens, Reisender in zahlreiche Länder, huldige Euch, erhabene Götter, weil Ihr mir die Erlaubnis geschenkt habt, diese zweiunddreißig Schildknappen, Helden des großen Siegers, Alexander von Makedonien, Sohn des Amun, an diesen Ort unterhalb der Erde zu bringen. Ich halte jetzt meinen Schwur und bringe an einem Ort diese dreiunddreißig Männer zusammen, die bei der Ausführung von Alexanders letztem Wunsch gestorben sind, ein Grabmal in Sichtweite der letzten Ruhestätte seines Vaters zu erbauen. Um seinen Wunsch zu erfüllen, haben Akylos und diese zweiunddreißig Männer ein ebensolches Grabmal erbaut und es mit Schätzen ausgestattet, die dem Sohn Amuns würdig sind.»
Gaille verstand den Text erst jetzt richtig. Sie war zu sehr damit beschäftigt gewesen, ihn zu übersetzen. Doch beim Vorlesen wurde ihr klar, wie explosiv er war. Als sie aufschaute, sah sie in den Gesichtern der anderen das gleiche Erstaunen, das auch in ihrem geschrieben stehen musste.
«Fahren Sie fort», sagte Elena ungeduldig.
«Und um seinen Wunsch zu erfüllen, holten sie seinen Leichnam aus der Weißen Mauer und brachten ihn durch das rote Land großer Trockenheit zum Eingang des Ortes, der unter der Erde vorbereitet war. Und in der Nähe dieses Ortes hat Ptolemäus, der sich Erlöser nennt, diesen Männern eine Falle gestellt, sodass sie sich lieber ihr Leben nahmen, als seiner Folter ausgesetzt zu werden. Aus diesem Grund hat Ptolemäus Vergeltung geübt und sie gekreuzigt und sie am Kreuze gelassen, um die Aasfresser zu füttern. Akylos und die zweiunddreißig gaben ihr Leben, um den Wünschen Alexanders, Sohn des Amun, zum Trotze Ptolemäus’, niemandes Sohn, Ehre zu erweisen. Ich, Kelonimos, Sohn Makedoniens, Bruder des Akylos, flehe Euch an, erhabene Götter, diese Helden in Eurem Königreich genauso aufzunehmen, wie Ihr Alexander aufgenommen habt.»
Als sie fertig war, schaute sie wieder auf. Das Erstaunen der anderen war einer Art gelähmten Unglaubens gewichen. Für eine Weile sprach niemand.
Es war Nicolas, der das Schweigen schließlich brach. «Bedeutet das …», begann er zögernd. «Bedeutet das, was ich glaube?»
«Ja», nickte Ibrahim. «Ich denke schon.»