Martha Cupp
Als Martha dicht hinter ihrer Schwester das Wohnzimmer betrat, hatten Smoke und Ashes aufgehört zu zanken. Obwohl die Katzen selten Kletterübungen veranstalteten, hockten beide auf einer Etagere, die mit Porzellanvögeln gefüllt war. Sie lugten um den Ziergiebel der Vitrine herum und ihre bernsteingelben Augen waren weit aufgerissen. Normalerweise waren sie so selbstzufrieden und selbstsicher wie alle Katzen, aber jetzt schienen sie alarmiert.
Martha wandte sich an das Paar, das hoch oben thronte, und sagte: »Was hat euch bloß solche Angst eingejagt?«
»Na, was glaubst du wohl?« Der Tonfall von Ednas Frage deutete an, dass sie beide die Antwort kannten.
»Nicht Satan«, sagte Martha unwillig. »Weshalb sollte der Höllenfürst in einer so korrupten Welt so viel Zeit darauf vergeuden, hier rumzuspuken – weil wir guten Kuchen backen?«
»Er ist der Herrscher der Hölle und der Fürst dieser Welt.«
»Königshäuser haben mich schon immer gelangweilt.«
»Ich habe ohnehin nie von Satan gesprochen, meine Liebe. Ich habe gesagt, Sally hätte einen Dämon gesehen. Er hat zahllose Namen und Heerscharen, die sein Werk für ihn tun.«
Martha betrachtete die zusammengekauerten Katzen, die sich so hoch hinauf geflüchtet hatten, und sagte: »Sie waren nie Mäusefänger. In der Hinsicht machen sie ihrer Gattung wirklich Schande.«
»Im Pendleton gibt es keine Mäuse, an denen sich das erproben ließe. Ich bin sicher, wenn es hier Mäuse gäbe, hätten sie uns schon viele kleine Geschenke mit Schwänzen hingelegt. Eine Maus hat ihnen bestimmt keine Angst eingejagt.«
»Dann war es der Donner.«
»Oder auch nicht«, sagte Edna.
Smoke und Ashes reagierten simultan; ihre Köpfe wandten sich im selben Moment einer fernen Ecke des Wohnzimmers zu und sie fauchten, als hätten sie etwas gesehen, was sie verabscheuten.
Die Schwestern drehten sich um, weil sie sehen wollten, was das Missvergnügen der Katzen verursacht hatte, und Martha erhaschte einen flüchtigen Blick auf etwas, das zwischen einem Sessel und einem breiten Chesterfield-Sofa hindurchhuschte.
»Was war das?«, fragte sie.
»Was war was?«
»Da war etwas. Ich habe etwas gesehen.«
Blitze ließen die Fenster hell aufleuchten, Donner brachte die Scheiben zum Erzittern und Regen wusch sie wieder dunkel.
Nachdem sie einen langen Schürhaken aus dem Ständer gezogen hatte, der das Messingbesteck für den Kamin enthielt, durchquerte Martha das große Zimmer, wobei sie sich einen Weg durch eine Fülle von viktorianischen Gegenständen bahnen musste – klobige Sessel, Tische, auf denen wertvolle Kuriositäten standen, Pflanzenständer, von denen Farne hingen, Podeste, auf denen die Büsten klassischer Dichter thronten. Sie begab sich zu dem Sofa, hinter dem der flinke kleine Eindringling Zuflucht gesucht zu haben schien. Die Hand, die den Schürhaken umfasst hielt, schmerzte, aber Marthas geschwollene und arthritische Knöchel waren bestimmt noch kräftig genug, um eine Ratte oder ein potenziell gefährliches exotisches Haustier zu erschlagen, falls irgendein unverbesserlicher Narr im Gebäude wieder einmal ein solches hatte entkommen lassen.
Vor acht Jahren war ein Rockmusiker ins Pendleton gezogen. Er hatte drei Hits gelandet und eine erfolgreiche landesweite Tournee hinter sich gebracht, bevor seine Karriere aufgrund von mangelndem Talent ein abruptes Ende fand. Ehe er das kleine Vermögen, das er verdient hatte, für Alkohol, Drogen oder andere Dinge verprassen konnte, hatte er für Bargeld eine Wohnung im ersten Stock gekauft und war dort mit einer Blondine namens Bitta eingezogen, die grüne Haare und Brüste, so groß wie zwei gefrorene Truthähne, hatte. Dem Wohnungseigentümerverband war nicht bekannt gewesen, dass gemeinsam mit dem mondänen Paar auch eine Gila-Krustenechse namens Cobain eingezogen war, die sich frei in der Wohnung bewegen konnte und eines Tages durch die Wohnungstür entkommen war, als die beiden in den Wirren trunkener Lust nach Hause gekommen, im Hausflur unzüchtige Lieder gegrölt und die Tür gedankenlos einen Spalt weit offen gelassen hatten. In den darauffolgenden achtzehn Stunden, ehe der schwer zu fassende Cobain in die Enge getrieben, gefangen genommen und aus dem Gebäude entfernt werden konnte, war im Pendleton der Teufel los gewesen.
Ein Jahr später hatte der Rock’n’Roller in Las Vegas binnen einer Nacht katastrophal viel Geld verspielt und außer seinem Geld auch Bitta verloren. Er wohnte schon lange nicht mehr im Pendleton, aber in der heutigen Zeit waren Narren vieler Spielarten zahlreicher denn je. Martha rechnete fast damit, ein weiteres exotisches Tier vorzufinden. Falls sich herausstellen sollte, dass es einer Gattung mit heimtückischen Zähnen und einem bösartigen Naturell angehörte, würde sie sich mit der notwendigen Grausamkeit verteidigen, ganz gleich, ob das Viech nun Cobain oder Fluffy hieß.
»Was um Himmels willen tust du da?«, fragte Edna, als Martha sich mit erhobenem Schürhaken an den Eindringling anschlich.
»Erinnerst du dich noch an Cobain?«
Smoke und Ashes fauchten auf der Etagere, obwohl der Zwischenfall mit Cobain vor ihrer Zeit passiert war.
»Du hast ein Gila-Monster gesehen?«, fragte Edna.
»Wenn es das wäre, was ich gesehen habe, dann würde ich es sagen. Ich habe etwas gesehen, aber ich weiß selbst nicht, was es war.«
»Wir sollten jemanden anrufen.«
»Ich werde auf gar keinen Fall einen Exorzisten ins Haus bestellen«, sagte Martha, während sie wachsam das Chesterfield-Sofa umrundete.
»Ich dachte eher an Mr. Tran, den Hausmeister.«
Hinter dem wuchtigen Sofa lauerte nichts.
Vielleicht verbarg sich das Ding, auf das sie einen Blick erhascht hatte, als es vom Sessel fortgehuscht war, jetzt unter dem Sofa. Martha beugte sich vor und stocherte mit dem Schürhaken unter dem Möbelstück herum.
* * *