3

Nur ein paar Schritte hat Feldinspektor Meier zu gehen, da sieht er die beiden Mädchen auf einer Bank sitzen. Neben ihnen steht redend der Leutnant.

Bei dem Geräusch der Schritte sieht der Leutnant hoch und sagt: »Da kommt er ja!«

Sein nahes Stehen bei den Mädchen, sein Tuscheln mit ihnen, diese Ankündigung – alles ärgert den kleinen Meier. Hinzutretend, sagt er gereizt: »Wenn ich störe, kann ich ja wieder gehen.«

Niemand scheint ihn gehört zu haben, niemand antwortet.

»Ihr drei habt wohl ein süßes Geheimnis miteinander?!« sagt Meier herausfordernd.

Wieder keine Antwort. Aber jetzt steht Violet auf und sagt zu dem Leutnant: »Kommen Sie –?«

»Von meinswegen«, ruft der kleine Meier gereizt, »können Sie ruhig du zu ihm sagen. Wir wissen Bescheid – und noch von ganz andern Dingen!«

Erstaunlich friedlich nimmt der Leutnant den Arm des Fräuleins und geht wortlos mit ihr fort, in den Park hinein.

Meier ruft höhnisch hinterdrein: »Gute Nacht, meine Herrschaften! Wünsche eine angenehme Ruhe!«

Der Leutnant wendet sich um und ruft Amanda zu: »Also reden Sie ihm nur gut zu. Zureden hilft immer!«

Amanda nickt nachdenklich.

Gereizt fährt Meier sie an: »Was hast du dem Affen noch zuzunicken?! Was hast du überhaupt mit dem Kerl zu reden?!«

Sie sagt ganz ruhig: »Du denkst auch, jeder andere ist ein Affe, bloß du nicht!«

»So! Ich bin also in deinen Augen ein Affe!«

»Das habe ich nicht gesagt!«

»Red doch nicht! Gerade eben hast du’s gesagt!«

»Nein!« Und nach langem Nachdenken: »Das gnädige Fräulein hat ganz recht.«

»Mit was hat denn die Weio recht –? Die kann doch auch bloß Quatsch reden – so ein Siebenmonatskind wie die!«

»Daß man sich mit so einem, wie du bist, besser nicht einläßt!«

»So, das hat sie gesagt?« Meier krepiert fast vor Wut. Die verletzte Eitelkeit jagt ihm die Galle ins Blut, fast zitternd sagt er: »Und ihr Kerl, der Leutnant – ist der etwa was Besseres als ich?! Wie –? Das findest du wohl?! So ein Schwein! Fuchtelt mir auf meinem Büro mit einem Revolver vor der Nase herum! Aber dem habe ich Bescheid gesagt! Der soll mir noch einmal kommen, der dämliche Speckjäger, jetzt habe ich auch einen Revolver! Und ich – ich droh nicht bloß wie der Affe – ich schieß!«

Er reißt die Pistole aus der Tasche und fuhrwerkt damit in der Luft herum.

»Du bist wohl verrückt geworden?!« schreit Amanda ihn wütend an. »Gleich steckst du das Ding wieder ein! Mir mit so was ins Gesicht zu fahren, das liebe ich gerade! Du denkst wohl, das imponiert mir –?!«

Er ist zusammengeschreckt bei ihrem wütenden, verächtlichen Geschimpfe. Etwas betreten, freilich noch völlig trotzig, steht er vor ihr, die Pistole mit zur Erde gesenktem Lauf in der Hand.

Sie befiehlt: »Jetzt gehst du auf der Stelle wieder rein und packst das Geld zurück in die Kasse! Pfui Deibel, ich kann viel vertragen, und eklig bin ich gar nicht, aber Geld aus der Kasse klauen – nein, danke! Ich nicht! Nicht bei mir!«

Meier ist rot geworden – freilich kann sie das nicht sehen.

»So, hat er dir das geklatscht, der feine Junge, der –?!« ruft er zornig. »Ich will dir was sagen, das geht ihn und das geht dich einen Dreck an! Das habe ich allein mit dem Rittmeister abzumachen. Wenn ich mir mein Gehalt nehme, da hast du mir gar nichts reinzureden, verstanden?«

»Hans!« sagt sie sanfter. »Du mußt das Geld wieder in die Kasse legen, sonst ist es aus mit uns! So was vertrag ich nicht.«

»Aber ich scheiß drauf, ob es aus mit uns ist oder nicht! Ich bin froh, daß es mit uns aus ist! Was denkst du denn, wozu du gut bist?! Denkst du, ich mach mir was aus dir! Die Hartigen hab ich heute abend im Bett gehabt, jawohl, die Hartigen, da hast du es! Und so ’ne olle Frau mit acht Kindern – die ist mir immer noch zehnmal lieber als du …! Au, verdammt!«

Es war ein ganz ungeschminkt derber Schlag, aus allen ihren Kräften, er saß mitten in seinem Gesicht – Meier taumelt richtig.

»Du Schwein, du!« sagt sie atemlos. »Du elender Kerl!«

»Du schlägst mich –?« sagt er noch ganz leise, halb besinnungslos vor Schmerz. »Du schlägst mich – du jämmerliches Hühnermädchen schlägst mich, den Inspektor –?! Jetzt sollst du mal sehen …«

Er selber aber sieht fast nichts. Es dreht sich ihm vor den Augen, im Mondlicht zerfließt ihre Gestalt, und plötzlich ist sie wieder da … Jetzt, jetzt sieht er sie ganz deutlich … Sie hat ihn geschlagen!

Er hebt rasch die Pistole und drückt mit zitterndem Finger los …

Unerträglich laut peitscht der Schuß in sein Ohr …

Das Gesicht Amandas kommt, immer größer werdend, ganz nahe auf ihn zu, weiß und schwarz im Mondlicht …

»Du!« flüstert sie. »Du, Hänseken, schießt auf mich …«

Und nun wird es ganz still zwischen den beiden. Nur die hastigen, stoßweisen Atemzüge des andern hört ein jedes. Lange, lange stehen sie so …

Längst ist der Schuß verhallt. Sein Geräusch ging aus ihren Ohren, andere Geräusche kamen dafür, lindere … sie hören wieder den leisen Wind in den Wipfeln der Bäume … Nun rasselt hinten im Stall eine Halfterkette langsam durch den Ring …

»Mandeken«, sagt Negermeier. »Mandeken … ich …«

»Aus!« sagt sie mit harter Stimme. »Ganz aus!«

Sie sieht ihn noch einmal an.

Schießt auf mich – und dann sagt er Mandeken … Es ist, als nehme ihr dieser Gedanke von neuem den Atem. Was er wohl gesagt hätte, wenn er mich getroffen hätte –?

Und die schwere Gefahr, in der sie geschwebt, die unfaßbare Errettung überwältigen sie so plötzlich, daß sie in ein leises, wimmerndes Weinen ausbricht. So weinend läuft sie von ihm weg, die Schultern hochgezogen …

Unter dem hellen Rocksaum sieht er ihre derben Beine sich immer schneller bewegen – sie läuft, sie rennt, sie eilt fort von ihm … Sie biegt in den Weg zum Schloß ein, jetzt sieht er nicht mehr ihr Laufen, er hört nur noch ihr Weinen, dieses unterdrückte, jämmerliche Klagen – und nun ist auch das weg …

Meier steht noch einen Augenblick da und starrt ihr nach. Dann hebt er die Pistole, die noch immer schwer in seiner Hand hing, und betrachtet sie. Er verschiebt den Flügel der Sicherung – so, nun ist die Pistole gesichert, mit dem Dings kann nichts mehr passieren …

Mit einem verdrossenen Achselzucken schiebt er sie in seine Hosentasche und geht eilig auf das Büro, seine Koffer zu holen.

Wolf unter Wölfen
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