5

Förster Kniebusch geht langsam durch das Dorf Neulohe, den Vorstehhund an der Leine. Man kann nie wissen, was kommt, jedenfalls haben die meisten Leute unbegreiflich mehr Angst vor einem Hund als vor einem Menschen.

Ungern ging der alte Kniebusch von je ins Dorf – die Försterei liegt ein Stück abseits, an der Waldgrenze –, heute aber geht er ganz besonders verdrossen. Er hat das befohlene Zusammentrommeln der Leute auf zehn Uhr beim Schulzen so lange wie nur möglich hinausgeschoben. Aber jetzt, da das Gewitter schon pechschwarz den ganzen westlichen Himmel zudeckt – es kommt aus der Berliner Gegend, natürlich, was kann auch aus Berlin Gutes kommen?! –, jetzt hat er eben doch losgemußt. Es hilft ja nichts, er muß, er darf es mit keinem verderben.

Dorf Altlohe kann Kniebusch gottlob links liegenlassen (bildlich gesprochen, von seinem Wege liegt es nämlich rechts), in Altlohe wohnt kein Mensch, der für solche geheime Militärsache in Frage kommt. In Altlohe wohnen lauter Gruben- und Industriearbeiter, also Spartakisten und Kommunisten, sprich Felddiebe, Holzdiebe, Wilderer, meint Herr Kniebusch.

Förster Kniebusch wußte ganz gut, warum er heute früh die Holzdiebe nicht gesehen hatte – es waren eben Altloher gewesen. Die Altloher wurden leicht wütend, sie proklamierten ganz offen so etwas wie ein Recht auf Diebstahl. Förster Kniebusch wußte auch ganz genau, warum er die Flinte im Haus gelassen hatte, aber den Hund mitgenommen: eine Waffe reizte die Leute bloß und machte sie noch bösartiger. Ein Hund aber konnte ein zerrissenes Hosenbein bringen, und eine Hose war eine kostbare Sache!

Bedrückt und langsam schleicht der Förster unter dem immer drohenderen Gewitter durch das Dorf. »Ich möchte doch gerne friedlich in meinem Bette sterben«, hat er eben wieder zu seiner vom Rheumatismus fast gelähmten Frau gesagt. Sie hat genickt und gesprochen: »Wir stehen alle in Gottes Hand.«

Ach du! hätte er am liebsten geantwortet, denn daß Gott mit all diesem gräßlichen Wirrwarr nichts zu tun haben kann, dessen ist er sich lange sicher. Aber mit einem Blick auf das bunte Abendmahl an der Wand schweigt er lieber. Schon längst kann man nicht einmal der eigenen Frau mehr sagen, was man alles denkt.

Er hat sich sein Alter ein wenig anders gedacht, der Förster Kniebusch. Wäre nicht der Krieg gekommen und diese zehnmal verdammte Inflation, säße er längst im eigenen Häuschen in Meienburg, ließe Dienst Dienst sein und Holzdiebe Holzdiebe und kümmerte sich nur noch um seine Bienen. Aber das kann sich wohl ein jeder Mensch leicht ausrechnen, wie vorzüglich sich in diesen Zeiten von einer Altersrente verhungern läßt. Und das Sparbuch liegt zwar noch immer, sorglich vor Dieben verborgen, zwischen den Bettlaken im Wäscheschrank seiner Frau, aber die Endsumme, etwas über siebentausend Mark, Mark für Mark in vierzig langen Dienstjahren zusammengekratzt, mag man gar nicht mehr ansehen, sonst kommen einem sofort die Tränen in die Augen. Das wäre ein Häuschen in Meienburg gewesen, sauber wie eine Puppe! Und zum Leben hätte man die Zinsen von der Hypothek gehabt, erste Hypothek, gute Hypothek auf dem Hof des Schulzen Haase hier in Neulohe, pünktlicher Zinszahler, vier Prozent, zehntausend Mark Kapital, ein bißchen Ererbtes und wiederum viel Erspartes – vierhundert Mark im Jahre Ertrag, das wäre ein schöner Zuschuß gewesen zu der Rente!

Aus und vorbei! Unbegreiflich aus und vorbei! Der müde, verbrauchte, alte Mann muß weiter laufen, arbeiten, aufpassen, sich durchschlängeln zwischen den Übergriffen der Leute und den Ermahnungen des Chefs. Nun fürchtet der Ruhebedürftige nichts mehr, als daß er zur Ruhe gesetzt wird – was rettet sie beide alte Leute dann vor dem Verhungern –?! Die beiden Söhne sind im Kriege gefallen, und die Tochter, an einen Eisenbahnsekretär in Landsberg verheiratet, weiß selbst nicht, wie sie mit ihren Kindern satt werden soll. Sie schreibt den Eltern nur, wenn das Schlachten bevorsteht, um an das Fettpaket zu erinnern.

So muß er weiter laufen, der alte Mann, muß sich lieb Kind machen, einschmeicheln, demütig sein – auf solche Weise der drohenden Entlassung vorbeugen. Und wenn solch ein Schnösel von Leutnant winkt, so nimmt man eben die Hacken zusammen und sagt gehorsam: »Zu Befehl, Herr Leutnant!« Weiß man denn, ob der Chef das nicht wünscht? Es ist ein trübseliger Rundgang durch das Dorf. Alle Männer, die der Förster sprechen müßte, sind, obwohl es schon auf sechs Uhr geht und Futterzeit wird, noch auf dem Felde. Oder sie hasten schwitzend an dem Förster vorbei, kaum daß sie mit der Hand winken. Sie haben keine Zeit, denn vor dem drohenden Gewitter muß herein, was nur irgend herein kann.

So muß der Förster seine Bestellung bei den Frauen anbringen, und die nehmen natürlich kein Blatt vor den Mund: Er ist wohl verrückt geworden, jetzt in der eiligsten Erntezeit die Männer um zehn Uhr nachts zum Schulzen zu bestellen?! Natürlich, er hat es gut, er fühlt seine Knochen nicht, er geht spazieren, während andere sich totarbeiten. Er steht morgens um sechs auf, ihre Männer aber um halb drei! Sie denken gar nicht daran, solchen Unsinn zu bestellen, da mag er sich Dümmere suchen! – Die Hände in die Seiten gestemmt: Siehst du, da hast du es!

Der Förster muß zureden und betteln, und wenn er schließlich vom Hof geht, ist er doch nicht sicher, daß sie die Bestellung auch wirklich ausrichten.

Manche Frauen aber verkneifen den Mund böse, sie hören sich des Försters Bestellung schweigend an, mit bösen, klein gewordenen Augen. Dann drehen sie sich um und gehen weg, aber der Förster hört sie noch murmeln: Ob ein alter Mann sich denn gar nicht schämt, solche Sachen noch mitzumachen?! Ob es nicht schon genug Tote im Weltkrieg gegeben habe? Heimliche Verschwörungen von einem alten Knacker, der lieber an seinen eigenen friedlichen Tod denken sollte –!

Des Försters Gesicht wird immer sorgenvoller, fast verbissen, je weiter er kommt. Er murmelt heftig in seinen weißgrauen Bart. Irgendwie muß er seinen Ingrimm äußern, er hat sich angewöhnt, mit sich selbst zu reden. Sonst hat er ja keinen einzigen, bei dem er seinem Herzen Luft machen kann, die Frau hat auf alles nur Bibelsprüche im Munde. Es ist wie ein ohnmächtiger Zorn, den er da zwischen den mahlenden, fast schon zahnlosen Kiefern zerbeißt – daß er so ohnmächtig ist, macht ihn nur noch schmerzender!

Nun kommt er auf den Dorfplatz, an dem Schulzenhof, Krämerei, Gasthof, Schule und Pfarrei liegen. Mit denen allen hat er eigentlich nichts zu tun: Krämer und Krüger sind viel zu vorsichtig, sich auf irgend etwas einzulassen, womit sie es bei einem von der Kundschaft verderben könnten. Kantor Friedemann ist zu alt, und Pastor Lehnich tut immer so, als sei er nicht ganz von dieser Welt, trotzdem er sehr gut rechnen kann. Schulze Haase aber weiß sicher schon Bescheid, sonst wäre ja die Versammlung nicht zu ihm bestellt worden.

Trotzdem steht Förster Kniebusch zögernd auf dem Platz, geht nicht weiter, sondern sieht zum Schulzenhof hinüber. Es wäre gar nicht schlecht, dem Schulzen einmal auf die Pelle zu rücken und mit ihm von Zinsen und Hypothek zu reden. Ehe er aber noch zu einem Entschluß gekommen ist, fliegt ein Fenster im Krug auf. Der häßliche Kopf vom kleinen Negermeier fährt mit funkelnden Brillengläsern und ziemlich gerötet heraus. Meier schreit: »Na, Kniebusch, altes Wasserhuhn, komm mal rüber und stoß mit mir an auf meinen Abschied von Neulohe!«

Eigentlich ist dem Förster nicht nach Trinken, zudem weiß er, daß der angetrunkene Negermeier bösartig wie ein alter Bulle ist, aber dieser Zuruf klingt doch zu sehr nach Neuigkeiten, und Neuigkeiten kann der Förster nur schlecht widerstehen. Er muß alles wissen, um sich auf alles einrichten zu können. So tritt er denn in den Krug, der Hund kriecht mit aller hündischen Ergebenheit in sein Schicksal unter den Tisch und ist bereit, nun lautlos auszuhalten, dauere es eine halbe Stunde oder vier. Der Förster klopft auf den Tisch und sagt warnend: »Aber Geld habe ich nicht bei mir!«

»Ich auch nicht!« grinst Negermeier, der schon kräftig vorgelegt hat. »Aber deswegen lade ich dich doch ein, Kniebusch. Und gerne! Die sind nämlich alle auf dem Felde, und so habe ich mir eine Flasche Kognak vom Büfett geholt, und Bier kann ich dir auch einschenken, wenn dir das lieber ist.«

Dem Förster graust vor den Folgen dieser eigenmächtigen Selbstbedienung. Verlegen sagt er: »Nee, danke, Meier, ich trinke lieber nichts.«

Sofort läuft Feldinspektor Meier noch röter an. »Ach, du meinst, ich klaue?! Ach, du denkst, ich bezahle nicht, was ich mir nehme?! Das verbitte ich mir, Kniebusch! Sage ein einziges Mal, wo ich was geklaut habe … Oder –!«

»Oder« bleibt unklar, denn der Förster versichert sofort, daß alles in Ordnung ist und daß er einen Kognak möchte.

»Ein Kognak ist gar nichts!« schreit der kleine Meier, und trotz sanften Widerspruchs schenkt er auch noch kunstgerecht ein Glas Bier ein und holt die Kiste mit den Zigarren. Sich selbst bringt er eine Schachtel Zigaretten mit.

»Prost, Kniebusch! Daß unsere Kinder lange Hälse kriegen!«

Der Förster runzelt die buschige Braue über diesen Trinkspruch, denn er muß an seine beiden gefallenen Söhne denken. Aber es hat keinen Sinn, bei so einem Menschen, wie es Negermeier ist, zu protestieren, und so fragt er denn lieber: »Was ist denn seit heute mittag passiert, daß du so plötzlich deinen Abschied feierst?«

Sofort ist Meier verdüstert. »Das Gewitter ist passiert«, murrt er. »Dieses elende Berliner Scheißgewitter! Nie kriegen wir bei Westwind Gewitter. Aber heute kriegen wir es!«

»Ja, in zehn Minuten pladdert’s«, sagt auch Kniebusch und sieht zum dunklen Fenster. »Hast nicht einfahren lassen –? Das ganze Dorf fährt ein!«

»Merke ich auch, du Riesenroß!« schreit Meier gereizt. Und es ist wirklich schwer, das nicht zu merken: grade jagt wieder ein Fuder über den Dorfplatz und verschwindet auf der Haaseschen Hofstatt.

»Das ist doch aber noch nicht sicher, daß dich der Rittmeister darum rausschmeißt«, tröstet Kniebusch. »Freilich, ich an deiner Stelle hätte auch lieber einfahren lassen.«

»Du an meiner Stelle hättest deinen Dreck vor lauter Schlauheit gefressen!« schreit Negermeier wütend los. Er trinkt hastig, trinkt noch einmal und sagt dann ruhiger: »Hinterher sind alle Dummen schlau. Warum hast du mir denn heute mittag nicht gesagt, du würdest einfahren lassen, he, was?« Er lächelt überlegen, gähnt dann und trinkt nochmals. Nun sieht er den Förster mit zusammengekniffenen Augen geheimnisvoll zwinkernd an und sagt gezwungen: »Übrigens schmeißt mich der Rittmeister nicht nur deswegen raus.«

»Nein?« sagt der Förster und fragt: »Hast du übrigens gesehen, ob der Schulze auf seinem Hof ist?«

»Doch«, sagt Negermeier. »Kam vorhin mit dem Leutnant rein.«

Das paßt Kniebusch gar nicht. Wenn der Leutnant drin ist, hat es keinen Zweck, zum Schulzen zu gehen und mit ihm über die Hypothek zu reden. Und es wäre doch notwendig. In fünf Tagen sind die Halbjahreszinsen wieder einmal fällig, und er kann sich doch nicht zweihundert Mark Papier in die Hand stecken lassen!

»Bist du doof auf beiden Ohren geworden, Förster?!« schreit Meier. »Ich frag dich, wie alt die Weio ist!«

»Das gnädige Fräulein –? Die ist im Mai fünfzehn geworden.«

»O wei! O wei!« markiert Meier. »Da schmeißt mich der Rittmeister bestimmt raus!«

»Wieso denn?« Kniebusch versteht nicht, aber die immer wache Neugierde des Zuträgers und Spitzels stachelt ihn schon. »Was meinst du denn?«

»Ach, laß man!« Meier macht eine großartige, wegwerfende Gebärde. »Erfährst du alles noch früh genug.« Er trinkt und sieht den Förster wieder durch die zusammengekniffenen Lider unverschämt feixend an. »Aber eine großartige Brust hat das Mädchen, das kann ich dir sagen, Kniebusch, alter Genießer!«

»Welches Mädchen –?« fragt der Förster verblüfft. Dies will er denn doch nicht glauben.

»Na, die kleine Krabbe, die Weio!« sagt Negermeier nachlässig. »Eine süße Puppe, sage ich dir. Wie mich die da vorhin in ihrem Liegestuhl begrüßt hat. Auf dem Küchenanbau, sage ich dir, nur im Badeanzug. Und dann hat sie so die Achselbänder losgemacht und dann – na, reden wir nicht davon, Kavalier bleibt Kavalier!«

»Du spinnst ja, Meier!« sagt der Förster Kniebusch empört. »Du sohlst ja! Du bist ja besoffen!«

»Natürlich sohl ich«, sagt Negermeier mit gespielter Gleichgültigkeit. »Natürlich bin ich betrunken. Aber wenn dich einer fragt, Kniebusch, dem kannst du von mir bestellen, daß die Weio da« – er zeigt auf die Brust, ziemlich tief unterhalb der Achselhöhle – »ein kleines braunes Muttermal hat, und ein süßer Knutschfleck ist das, Kniebusch, kann ich dir flüstern …«

Meier sieht den Förster erwartungsvoll an.

Der grübelt laut: »Daß du sie im Badeanzug gesehen hast, Meier, das will ich dir glauben. Auf dem Küchenanbau hat sie schon ein paarmal so gelegen, und die gnädige Frau will es partout nicht leiden, das weiß ich von der Köchin Armgard. Aber daß sie sonst mit dir … nee, Meier, das nehme ich dir nicht ab, das mußt du Dümmeren als dem Förster Kniebusch erzählen!«

Der Förster grinst, jetzt fühlt er sich überlegen. Er schiebt das halbvolle Schnapsglas zurück und steht auf: »Komm, Cäsar!«

»Das glaubst du mir nicht?!« schreit Negermeier und springt auch auf. »Du ahnst ja nicht, Kniebusch, wie verrückt die Weiber nach mir sind. Alle kann ich sie haben, alle! Und die kleine Weio …«

»Nee, nee, Meier«, sagt Kniebusch, verächtlich grinsend, und macht sich mit diesem Ausspruch den kleinen Meier zum ewigen Todfeind. »Für ’ne Stallmagd oder Geflügelmamsell reicht es vielleicht bei dir. Aber das gnädige Fräulein, nee, Meier, du bist eben besoffen …«

»Soll ich dir’s beweisen?!« schreit Meier förmlich. Er ist vor Alkohol, Wut, Demütigung völlig von Sinnen. »Soll ich dir’s schwarz auf weiß zeigen?! Da, kannst du lesen, du dummes Luder? Da, den Brief hat mir dein gnädiges Fräulein geschrieben!« Er reißt den Brief aus der Tasche, fetzt ihn auf. »Kannst du lesen –? Deine Violet! ›Deine‹ unterstrichen, siehst du das, Glotzauge?! Da, lies mal: ›Liebster! Allerliebster!! Einziger!!!‹ – Siehste die Ausrufungszeichen?! Da – nee, alles brauchst du auch nicht zu lesen – da das noch: ›Ich habe dich ja sooo lieb!‹« Er wiederholt es: »Sooo – na, ist das Liebe? Was sagst du nun?!«

Er steht triumphierend da. Seine dicken Lippen zittern, seine Augen funkeln. Das Gesicht ist gerötet.

Aber die Wirkung seiner Worte ist anders, als er erwartet hat. Förster Kniebusch ist von ihm fortgetreten, gegen die Tür der Schenke hin. – »Nein, Meier«, sagt er. »Das hättest du nicht tun sollen, mir den Brief zeigen und mir das alles erzählen. Was bist du für ein Schwein, Meier! Nee, das will ich nicht gesehen haben, davon weiß ich nichts, das könnte mir Kopf und Kragen kosten. Nein, Meier«, sagt Kniebusch und sieht ihn ganz unverhohlen feindlich an mit seinen alten, etwas blaß gewordenen Augen. »Wenn ich du wäre, packte ich auf der Stelle meinen Koffer und reiste ab, ohne Abmeldung, möglichst weit fort. Denn wenn der Rittmeister das erfährt –«

»Hab dich doch bloß nicht so, du alter Angsthase«, sagt Meier mürrisch, stopft aber den Brief doch wieder in die Tasche. »Das erfährt der Rittmeister doch nicht. Wenn du die Klappe hältst …«

»Ich halte meinen Mund schon«, sagt der Förster und will es diesmal wirklich. »Ich verbrenne ihn mir nicht gar so gerne. Aber du, du wirst ihn nicht halten … Nee, Meier, tu einmal was Vernünftiges und fahr ab. Und ganz schnell. – Also, da geht es wirklich los …«

Die beiden haben nicht mehr auf das Wetter draußen geachtet. Dunkler und dunkler ist der Himmel geworden. Eben hat es taghell in die Gaststube geleuchtet, dann hat es ohrenbetäubend geknattert, und nun bricht es rauschend, prasselnd aus tausend Himmelsquellen.

»Du wirst doch nicht in das Unwetter laufen!« sagt Meier unwillkürlich.

»Doch!« sagt der Förster eilig. »Ich lauf schnell zum Schulzen rüber. Ich möchte hier nicht …« Und er läuft schon.

Negermeier sieht ihn hinter dem dichten Regenvorhang verschwinden. In der Gaststube riecht es nach Alkohol, saurem Bier, Dreck. Langsam macht Meier ein Fenster nach dem andern auf. Er kommt an dem Tisch vorbei, an dem sie gesessen. Unwillkürlich greift er nach der Flasche.

Aber als er sie am Munde hat, schaudert ihm vor dem Geruch des Alkohols, er nimmt die Flasche und läßt sie auf den Dorfplatz leergluckern. Dann geht er an den Tisch zurück und brennt sich eine Zigarette an. Er greift in die Tasche, zieht den Brief hervor. Der aufgefetzte Umschlag ist endgültig verdorben, und der Brief – er legt ihn mit den langsamen, vorsichtigen Bewegungen des Halbtrunkenen auf den Tisch –, und der Brief ist völlig zerknittert. Er versucht, die Falten mit der Hand zu glätten. Dabei denkt er erschöpft: Was mach ich nur? Was mach ich nur?

Er merkt, daß es langsam feucht wird unter der glättenden Hand. Er sieht hin. Er hat den Brief in eine Kognaklache gelegt, alles ist verschmiert.

Was mach ich nur? denkt er von neuem.

Er stopft das Geschmier wieder in die Tasche. Dann nimmt er seinen Stock und geht auch in den strömenden Regen hinaus. Er will erst mal ins Bett, seinen Rausch ausschlafen.

Wolf unter Wölfen
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