6

An der Wohnungstür über dem bronzenen Klingelring (Löwenmaul) hängt ein angeschlagenes Namensschild aus Porzellan: »Edmund Pagel – Gesandtschaftsattaché«. Frau Pagel marschiert bereits auf die Siebzig zu, es sieht danach nicht so aus, als hätte es ihr Mann im Leben sehr weit gebracht. Betagte Gesandtschaftsattachés sind ein rarer Artikel.

Übrigens hatte es Edmund Pagel so weit gebracht, wie es der tüchtigste Botschaftsrat und bevollmächtigte Gesandte nur bringen kann – nämlich auf den Friedhof. Wenn Frau Pagel in ihres Mannes Zimmer geht, so besucht sie nicht ihn, sondern was von ihm auf dieser Welt zurückblieb – und das hat seinen Ruf in der Welt, weit über die Wände des kleinen Heims hinaus.

Frau Pagel stößt die Fenster des Zimmers weit auf: Licht und Luft dringen aus Gärten herein. Hier in dieser kleinen Straße, so nahe dem Verkehr, daß man abends die Hochbahn in den Bahnhof Nollendorfplatz einfahren und tags wie nachts die Autobusse rumpeln hört – hier ist ein weitläufiges Ineinandergeschiebe alter Gärten mit hohen Bäumen, verschollener Gärten, die sich seit den achtziger, neunziger Jahren kaum geändert haben. Es ist gut, hier zu wohnen – für alternde Leute. Die Hochbahn mag donnern und der Dollar klettern – geruhig schaut die verwitwete Frau Pagel in die Gärten. Das Weinlaub ist emporgestiegen bis zu ihren Fenstern, drunten wächst alles immer weiter, blüht weiter, sät sich aus – die Rasenden, Hastigen, Ruhelosen drüben mit ihrem Gepolter und Betrieb wissen es nur nicht. Sie kann zuschauen und sich erinnern, sie braucht nicht zu hetzen, der Garten darf sie erinnern. Aber daß sie hier immer noch wohnen kann, daß sie nicht mit zu hasten braucht – das hat er gemacht, dessen Werk hier in diesem Zimmer ist.

Vor fünfundvierzig Jahren sahen sie sich zum erstenmal, liebten sich, heirateten sich später. Es gab nichts Strahlenderes, Fröhlicheres, Rascheres als ihn. Wenn sie zurückdenkt, ist ihr immer, als sei sie mit ihm bei hellem Wind durch Blütenstraßen gelaufen. Von den Mauern senkten sich die Zweige auf sie. Sie liefen schneller. Über der Spitze des häuserbestandenen Hügels wehte – zwischen zwei Zypressen – der Himmel wie ein Zelt …

Wenn sie nur liefen, gleich würde sich der blauseidene Vorhang vor ihnen öffnen.

Ja, was so recht seines Wesens Zeichen war, das war seine Schnelle, die nichts von Hast hatte, die aus der Kraft kam, dem Wohlgefühl, der völligen Gesundheit.

Sie kamen zu einer Wiese mit Herbstzeitlosen. Einen Augenblick hielten sie still auf dem festlichen, grünen, lilagestirnten Teppich. Dann bückte sie sich zum Pflücken – doch sie hatte kaum zwanzig Blüten in der Hand, da kam er mit dem Strauß, leicht, rasch, ohne Eile, mit dem großen, fröhlichen Strauß.

»Wie machst du das?« fragte sie atemlos.

»Ich weiß nicht«, sagte er. »Es ist mir immer, als sei ich ganz leicht, wehe mit dem Wind.«

Der Vorhang rauscht. Ein halbes Jahr ist vorbei, sie sind nun schon eine Weile verheiratet, die junge Frau hört in ihrem Schlaf einen klagenden Ruf. Sie wacht auf. Ihr junger Mann sitzt im Bett, er sieht völlig verändert aus, dies Gesicht kennt sie noch nicht.

»Bist du es –?« fragt sie so leise, als fürchte sie, durch ihre Worte könne der Traum Wahrheit werden.

Der fremdvertraute Mann neben ihr versucht zu lächeln, ein verlegenes, um Verzeihung bittendes Lächeln. »Entschuldige, wenn ich dich gestört habe. Es ist so seltsam, ich verstehe es nicht. Mir ist wirklich angst.« Und nach einer langen Pause, während er sie zweifelnd ansieht: »Ich kann nicht aufstehen …«

»Du kannst nicht aufstehen?« fragt sie ungläubig. Es ist so unwirklich, ein Scherz, Unsinn von ihm, schlechter Unsinn natürlich. So etwas gibt es ja gar nicht, daß man plötzlich nicht aufstehen kann.

»Ja«, sagt er langsam und scheint es auch nicht zu glauben. »Mir ist so, als hätte ich keine Beine mehr. Jedenfalls fühle ich sie nicht mehr.«

»Unsinn!« ruft sie und springt auf. »Du hast dich erkältet, oder sie sind dir eingeschlafen. Warte nur, ich helfe dir …«

Aber noch während sie dies sagt, noch während sie um die Betten zu ihm geht, dringt ein eisiges Gefühl in sie … Noch während sie spricht, fühlt sie: Es ist wahr, es ist wahr, es ist wahr …

Fühlt sie –? Noch die alte Frau am Fenster macht eine wütende Schulterbewegung. Wie kann sie das Unmögliche fühlen?! Der Schnellste, der Fröhlichste, der Lebendigste – und nicht gehen können, nicht einmal stehen können! Unmöglich, das zu fühlen.

Aber die Eiseskälte bleibt in ihr, es ist, als atme sie die Kälte mit der Lebensluft immer tiefer in sich ein. Das Herz will sich wehren, aber es wird auch schon kalt, der Eisespanzer legt sich enger darum.

»Edmund!« ruft sie beschwörend. »Wach auf! Steh auf!«

»Ich kann nicht«, murmelt er.

Er konnte es wirklich nicht. So wie er an jenem Morgen im Bett gesessen, so saß er nun tagaus, tagein, Jahr um Jahr da – im Bett, im Rollstuhl, in einem Liegestuhl … saß da, völlig gesund, ganz ohne Schmerzen, nur: er konnte nicht gehen. Das Leben, das so flammend begonnen, das hurtige, rasche, leuchtende Leben, das lachende Glücksleben, blaue Seidenzelte und Blüten – vorbei! Vorbei! Einmal und nicht wieder. Warum nicht wieder –? Keine Antwort. Ach, Herre, Herre, warum denn –? Wenn es aber sein mußte, warum dann so plötzlich –? Warum ohne alle Warnung, ohne Übergang –? Glücklich in den Schlaf geglitten – und elend erwacht, unermeßlich elend!

Oh, sie fand sich nicht damit ab, keinesfalls fand sie sich damit ab! Alle zwanzig Jahre, die dies dauerte, fand sie sich nicht darein. Als er schon längst jede Hoffnung aufgegeben hatte, schleppte sie ihn immer noch von Arzt zu Arzt. An Meldungen von einer Wunderheilung, an einer Zeitungsnotiz entzündete sich ihr Hoffen. Nacheinander glaubte sie an Bäder, Bestrahlungen, Packungen, Massagen, Medikamente – wundertätige Heilige. Sie wollte daran glauben, sie tat es.

»Laß es doch«, lächelte er. »Vielleicht ist es grade gut so.«

»Das möchtest du!« rief sie zornig. »Dich darein finden – demütig, was?! Das wäre bequem! Demut mag für die Übermütigen, die Glücklichen gut sein, die einen Zügel brauchen. Ich halte es mit den Alten, die um ihr Glück mit den Göttern kämpften.«

»Aber ich bin glücklich«, sagte er freundlich.

Doch sie wollte dies Glück nicht. Sie verachtete es, es erfüllte sie mit Zorn. Sie hatte einen Gesandtschaftsattaché geheiratet, einen tätigen Mann, Mensch im Umgang mit Menschen, einen künftigen Botschafter. An der Tür aber hing ein Schild: »Edmund Pagel – Gesandtschaftsattaché« – und dabei blieb es! Sie ließ kein neues machen: »Pagel – Kunstmaler«? Nein, sie hatte keinen Farbenreiber und Kleckser geheiratet.

Ja, da saß er nun und malte. Er saß in seinem Rollstuhl und lächelte und pfiff und malte. Eine zornige Ungeduld erfüllte sie. Begriff er denn nicht, daß er sein Leben vertat mit diesen komischen Schildereien, über die alle nur lächelten –?

»Laß ihn doch, Mathilde«, sagte die Verwandtschaft. »Für einen Kranken ist das sehr gut. Er hat doch seine Beschäftigung und Ablenkung.«

Nein, sie ließ ihn nicht. Als sie ihn heiratete, war nicht von Malen die Rede gewesen. Ihr war nichts davon bekannt, daß er je einen Pinsel in der Hand gehabt hatte. Sie haßte das alles, schon den Geruch der Ölfarben. Sie stieß ständig gegen die Keilrahmen, die Staffelei war ihr immer im Wege. Sie fand sich nie mit ihr ab. In den Gastzimmern der Badeorte, auf den Böden der Mietswohnungen vergaß sie seine Bilder, die Kohlezeichnungen lagen herum, verkamen.

Manchmal, mitten aus einer Arbeit heraus, aus den Sorgen heraus, aus dem sehr engen Gefängnis ihres eigenen Ich heraus, konnte sie hochsehen und solch Bild an der Wand betrachten, als sähe sie es zum erstenmal. Irgend etwas wollte sie dann leise anrühren, als rege sich etwas im Schlaf – dem Erwachen zu. Halte ein! Halte doch ein! Es war sehr hell, ein Baum etwa, in der Sonne, in der Luft, gegen einen klaren Sommerhimmel. Halte doch ein! Aber der Baum schien sich zu heben, Wind wehte sachte, der Baum bewegte sich – flog er? Doch, die ganze Erde flog, die Sonne, Spiele von Licht und Luft, leise, eilig, zart – halte doch ein, grimmige, dunkle Erde!

Sie trat näher heran. Der Vorhang vor dem Geheimnisvollen wehte. Es war Leinwand, riechende Ölfarbe, Erdenstoff, fester, fester Erdenstoff. Aber Wirbel erklangen, Wind wehte, der Baum bewegte die Äste, das Leben floß, wehte – fliege, halte nicht ein, fliehe und fliege, wie wir armen Irdischen fliehen und fliegen. Umsonst hängen wir die Bleigewichte der Sorgen, der Hoffnungen, der Entwürfe an unsere Sohlen, uns der Stunde zu verhaften. Wir fliehen dahin, wir rinnen ins Meer …

Von einem Gelähmten gemalt, erschaffen aus dem Nichts. Freilich von einem Manne, der Bewegung kannte und liebte, der jetzt nichts mehr ist als ein schwerfälliger Leib, den man aus dem Bett in den Stuhl wälzt – nein, halte nicht ein, wir fliehen, wir fliegen.

Ja, es rührt sich sachte in der betrachtenden Frau. Eine Ahnung will sie überkommen, als hätte sie hier ihren Mann unvergänglicher, strahlender, rascher als je zuvor – doch sie schüttelt es ab, sie sinkt wieder in Schlaf. Leinwand und Farbe, eine plane Fläche nach bestimmten Regeln bunt gemacht, nichts von Bewegung, nichts von dem Manne!

Weiter in die Bäder! Zu noch mehr Ärzten! Was sagt denn die Welt? Es hat zwei oder drei kleine Ausstellungen gegeben – man hörte nichts darüber, man sah nichts davon – nie wurde ein Bild verkauft. Gottlob, daß man das wenigstens nicht nötig hatte! Und wer sie dann und wann auf den ruhelosen Reisen durch die Heilstätten der Erde doch zu finden wußte: irgendein junger Mensch, schweigsam, ungelenk, düster, oder ein anderer, plötzlich in einen Wortstrom ausbrechend, mit fahrigen Bewegungen, eine neue Zeit kündend – der machte ihr nicht grade Mut, seine Schildereien wichtig zu nehmen!

»Komm, der Tag ist so schön, laß uns ausfahren!«

»Das Licht ist gut. Laß mich noch malen, eine Stunde.«

»Ich weiß gar nicht mehr, wie es draußen ist. Ich komme um vor Lufthunger!«

»Gut, setze dich ans Fenster, mach es auf – ich wollte schon lange dich einmal malen …«

So war er, freundlich, heiter, nie böse – aber nicht zu erschüttern. Sie redete, sie bat, wurde zornig, wieder gut, hinterhältig, um Verzeihung bittend – er war wie ein Feld, über das Wind, Gewitter, Sonnenschein, Nachtfrost, Regen dahingehen. Es nimmt alles auf, es scheint sich nicht zu ändern, am Ende ist eine Ernte da.

Ja, eine Ernte war da. Aber bis sie reifte, geschah noch etwas anderes, etwas, um das sie zwanzig Jahre gekämpft, gehadert, gerungen, gefleht hatte: eines Tages stand er da! Er ging ein paar Schritte, zögernd zuerst, mit demselben ein wenig beklommenen, um Verzeihung bittenden Gesicht wie vor zwanzig Jahren. »Ich glaube wirklich, es geht!«

Wie sie gekommen, war die Krankheit geschwunden, unbegreiflich, warum. All ihr Eifer, all ihr Sorgen hatten diesem Fortgang nichts dazutun können; menschlichem Einwirken, ihrem Einwirken war dies alles entrückt – es war zum Verzweifeln!

Inzwischen war ein halbes Leben – und der bessere Lebensteil – verronnen. Sie stand Anfang der Vierzig, einen fünfundvierzigjährigen Gesandtschaftsattaché neben sich – verronnen, verwelkt, vorbei! Ein tätiges Leben, ein eiferndes Leben, ohne Rast, voller Pläne, voller Hoffnungen … Nun sind die Hoffnungen erfüllt, und es bleibt nichts mehr zu hoffen. Alle Pläne, alle Sorgen sind gestaltlos geworden. Ein ganzes Leben zerrann zu Staub in dem Augenblick, da Edmund aufstand und ging!

Unbegreifliches Frauenherz: »Da steht dein Bild, Edmund. Du hast nur noch ein paar Striche zu tun – willst du nicht –?«

»Bilder, ja, Bilder …«, sagte er gedankenlos, sah es flüchtig an und ging hinaus, schon ganz draußen.

Nein, er hatte keine Zeit, eine halbe Stunde zu malen. Er hatte zwanzig Jahre Zeit gehabt, geduldig, ohne Klage krank zu sein, nun hatte er nicht eine Minute mehr Zeit! Das ganze Leben wartete draußen auf ihn, mit einem Wirbel von Festlichkeiten, eine strahlender als die andere, mit Hunderten von Menschen, mit denen es herrlich war zu reden – mit schönen Frauen, mit jungen Mädchen, die so betörend jung waren, daß es einen über den Rücken rieselte, sah man sie nur an …

Und war er selbst etwa nicht jung –? Er war fünfundzwanzig; was dann gekommen war, zählte nicht, es war nur Warten gewesen. Er war jung, das Leben war jung, fasse, halte, koste die Frucht – halte ein, halte doch ein! Weiter …

Malen –? Jawohl, ja, es hatte ihm geholfen, es war ein angenehmer Zeitvertreib gewesen. Jetzt brauchte nichts mehr die zähe, lastende Zeit zu vertreiben – funkelnd, aus tausend Augen strahlend, Millionen Lieder jauchzend, jagte der Strom dahin – mit ihm, noch mit ihm, endlich wieder mit ihm!

Manchmal, nachts, fuhr er auf, todmüde, kaum in den ersten, fieberischen Schlaf der Überwachen gesunken. Er stützte die glühende Schläfe in die heiße Hand. Er meinte die Zeit rauschen zu hören. Sie entrauschte. Er durfte nicht schlafen; wer durfte schlafen, da Zeit so rasch floß –? Schlaf hieß Versäumnis. Und leise, leise, sie nicht zu wecken, stand er auf, ging in die Stadt, ging noch einmal in die Stadt, wo die Lichter brannten. Er saß an einem Tisch, er sah atemlos in die Gesichter. Dieses dort –? Oder du –? Oh, entrausche nicht – halte doch ein!

Sie ließ ihn gehen. Sie hörte ihn, aber sie ließ ihn gehen, tags wie nachts. Zu Anfang war sie mitgegangen, sie, deren Hoffnung nun erfüllt, deren Kampf noch siegreich geworden war. Sie sah ihn auf dem Gartenfest einer befreundeten Familie, auf einem Diner – untadelig gekleidet, schlank, rasch, fröhlich – mit grauem Haar, zwei messerscharfen, tiefen Falten von den Nasenflügeln über die Mundwinkel bis zum Kinn. Er tanzte, untadelig, mit einer Sicherheit, einer spielenden Vollendung – fünfundvierzig, sprach es in ihr. Er scherzte, plauderte, sprach – immer mit den Jüngsten, sah sie. Fast kam sie ein Schaudern an. War es nicht beinahe, als sei ein Toter lebendig geworden, als fordere ein Abgeschiedener Lebensspeise, in dessen Mund der Staub schon knirscht –? Halte doch ein! Das, was ihr eifersüchtiges, zorniges Herz am innigsten festgehalten, das, was ihr zwanzig Jahre hindurch Glücksbrot und Lebensspeise gewesen: die Erinnerung an ihre erste, festliche Zeit – zerging ihr nun. Sie konnte es nicht mehr halten.

Die Nacht steht wie eine Wand um sie, ein enges Gefängnis, ohne Ausweg. Die Uhr auf dem Nachttisch tickt nutzlose Zeit weg, die durchwartet werden muß. Die zitternde Hand läßt das Licht aufleuchten – und von den Wänden grüßen sie seine hellen, eiligen Bilder.

Sie blickt sie an, als sähe sie diese Bilder zum erstenmal. Sie ist wie die Welt draußen, die in dieser Zeit auch anfängt vor seinen Bildern stillezustehen, sie zu sehen. Plötzlich ist die Zeit dieser Bilder gekommen – aber für ihren Schöpfer ist die Zeit vorüber. Widerspiel, Widerpart, Unsinn der Zeit, Widersinn – da er sein Werk schuf, zwanzig Jahre, unablässig, geduldig, milde, war er der einzige, der es sah. Nun kommt die Welt, mit Briefen und Abbildungen, mit Kunsthändlern und Ausstellungen, mit Geld, mit goldenem Lorbeer – aber seine Zeit verrann, er hat sie ausgeschöpft, der Brunnen ist leer …

»Ja, Bilder …«, sagt er und geht.

Die Frau, die sein Kind erwartet, liegt im Bett, und nun ist sie es, die auf die Bilder starrt. Nun ist sie es, die sein wahres Abbild in ihnen sieht. Seine Schnelle, seine Fröhlichkeit, sein milder Ernst – dahin! Dahin! Dahin –? Hier sind sie, gesteigert, mit einem Strahlenglanz, den die Ewigkeit dem Leben leiht.

Da ist eines, kurz vor seiner »Genesung« gemalt, das letzte fertiggestellte, ehe er den Pinsel fortlegte. Er ließ sie sich an ein Fenster setzen, das Fenster war offen, sie saß starr und still da wie kaum je in ihrem tätigen Leben. Es ist ihr Bild, sie ist es, da sie noch bei ihm war, von ihm gemalt, als sie ihm noch etwas galt. Nichts weiter: eine junge Frau am Fenster, wartend, vielleicht wartend, draußen rauscht die Welt. Junge Frau am Fenster, sie – sein schönstes Bild!

Von ihm gemalt, da er noch bei dir war. Wo ist er jetzt? Der Morgen ist in der rauschenden Welt, strahlend, voller Sonnenglanz (aber dir wird die Sonne fahl), da sie den Mann heimtragen, beschmutzt, die klugen Hände gekrümmt, das Kinn schlaff, an der Schläfe ein Blutgerinnsel. Oh, sie sind sehr achtsam mit ihr, die Herren Polizisten und die Herren Kriminalisten, es ist in einer Straße geschehen, deren Name ihr natürlich nichts sagt. Ein Unglücksfall – ja, ein Fall. Schweig!

Fliehe dahin, Zeit, eile dich doch! Hier kommt der Sohn. Der Vater stieg auf als ein strahlendes Gestirn, leuchtete dann lange mild und erlosch jäh. Er ist erloschen, wir warten auf den Sohn!

Ein kleines Licht in der Nacht, ein Nichts, wärmeloses Feuer. Aber wir sind nicht so allein.

Die Frau im Fenster, die alte Frau, wendet sich um. Da ist das Bild. Jawohl, es ist alles richtig: Junge Frau am Fenster, wartend.

Die alte Frau legt den Rest ihrer Zigarre in den Aschenbecher.

Mir ist wirklich so, als könnte der dumme Junge heute kommen.

Zeit wird’s!

Wolf unter Wölfen
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