12

An der Tür lauschend, hatte Violet nur den Anfang der Auseinandersetzung im Zimmer ihres Vaters angehört. Dann, als sie sich überzeugt hatte, der Streit werde wohl noch eine Weile weitergehen und die Mutter in Atem halten, war sie durch die dunkle Küche aus dem Haus geschlüpft. Einen Augenblick stand sie zaudernd an der Hinterfront. Noch einmal überlegte sie, ob sie es wagen sollte. Kam ihre Mutter dahinter, daß sie bei Nacht statt ins Bett aus dem Haus gegangen war, konnte kein noch so trotziges Lügen sie vor der angedrohten Einschließung in ein strenges Töchterpensionat retten! Außerdem hatte sie Hubert Räder mit dem Brief losgeschickt – fand er den Leutnant, erreichte der Brief ihn, so würde Fritz noch in dieser Nacht unter ihr Fenster kommen, und da war an der Wand das Spalier! Ging sie fort, verfehlte sie ihn vielleicht …

Zögernd stand sie. Alles sprach dafür, zu bleiben und zu warten. Aber da war die warme, voll ausgestirnte Augustnacht … Die Luft war wie etwas Lebendiges, das sich an ihre Haut schmiegte – sie war wie eine Verbindung zu ihm, der auch in dieser weichen Nacht draußen war, vielleicht ganz in ihrer Nähe … Sie fühlt das Blut leise in ihren Ohren singen, diesen süßen, verführerischen Lockgesang, den der Körper singt, wenn er bereit ist … Sie möchte doch lieber gehen – ihr wird ganz traurig, als sie daran denkt, daß sie die Nacht umsonst auf ihn warten könnte …

Ein kleiner Lichtfleck ganz unten am Hause, fast in der Erde, erregt ihre Aufmerksamkeit. Unentschlossen, wie sie ist, geht sie erst einmal auf ihn zu, froh über jede Ablenkung, die den Entschluß hinausschiebt. Sie geht ganz leise; nun, neben dem Lichtschein angelangt, läßt sie sich aufs Knie nieder und späht. Was sie im Keller sieht, ist die erleuchtete Kammer des Dieners Räder. Aber so weit sie sich auch vorbeugt: die Kammer ist leer, für niemanden brennt das Licht. Es kann auch nicht anders sein, sagt sie sich. Er ist fortgegangen, um ihren Brief zu besorgen. Sie kann beruhigt hinauf in ihr Zimmer gehen: ist der Leutnant heute nacht in Neulohe, kommt er auch unter ihr Fenster. Der ordentliche Räder hat beim eiligen Weggehen vergessen, das Licht auszuknipsen.

Violet will sich schon wieder aufrichten, als die Tür am andern Ende der Kammer sich öffnet. Es ist komisch, und es ist ein bißchen unheimlich: sie hier, im Dunkeln mit der ganzen Nacht um sich, sieht unbemerkt auf eine kleine helle Bühne, die lautlos ist. Und komisch und dabei doch ein wenig unheimlich ist auch der Anblick, der sich ihr bietet: wer jetzt sorgfältig die Tür schließt, ist der Diener Hubert Räder. Aber nicht mehr der förmliche junge Mann in grauer Livree, sondern etwas Lächerliches in einem übermäßig langen, weißen Nachthemd mit bunter Borte. Über diesem weißen Engelsgewand aber sitzt der graue, fischige Kopf mit den blicklosen Augen – und seit heute abend kann Violet diesen Kopf nicht mehr dumm und albern finden, sondern ein leises Grauen erfüllt sie …

Nachdem der Diener Räder die Tür sorgfältig geschlossen hat, geht er zum Schrank in der Ecke. In seiner Hand trägt er ein Glas mit einer Zahnbürste. Er schließt den Schrank auf und setzt das Glas mit der Bürste hinein … So sind die Menschen! Nachdem Hubert Räder heute abend vielleicht doch eine ungewöhnliche Sensation erlebt hat, etwas, das man vielleicht die Probe auf einen Mord nennen kann, zieht er sich wie alle Abend ein Nachthemd an und putzt sich die Zähne … Er ist nicht immer ein Mörder, meistens ist er nur ein kleiner, ganz gewöhnlicher Bürger, das macht ihn so gefährlich! Einen Tiger erkennt man an seinen Streifen, aber ein Mörder putzt sich wie alle andern die Zähne, er ist unkenntlich.

Und nun soll Violet etwas noch Seltsameres sehen …

Aber Violet beobachtete jetzt nicht sehr, sie denkt auch nicht weiter über den Diener Räder nach, sie rechnet …

Höchstens fünf Minuten habe ich an der Tür gelauscht, rechnet sie. Dann bin ich gleich hier rausgegangen. Höchstens drei Minuten habe ich dann am Küchenausgang gestanden. Hubert hat noch abzudecken gehabt – das hat er getan, während ich gute Nacht sagte. Dann das Geschirr wegsetzen. – Aber er kann gar nicht aus dem Haus gewesen sein! Sich ausziehen, waschen, Zähne putzen – und mein Brief? Mein Brief –?!

Mein Brief! möchte sie schreien und gegen die Scheibe schlagen und ihn zurückfordern. Es ist nicht nur die Scheu, das Haus jetzt aufmerksam zu machen, es ist nicht nur die Abneigung gegen eine langwierige, alberne Verhandlung mit dem verschrobenen, verlogenen Kerl, die sie zurückhält.

Ach, laß den Brief! denkt sie plötzlich ganz ruhig. Ich brauche ihn gar nicht, ich finde Fritz auch so … Er wird ihn unterschlagen haben, nicht um ihn den Eltern zu bringen, nein, um wieder einmal eine Belohnung zu verlangen!

Sie sieht sich dastehen im Dunkeln und auf ihn warten. Sie fühlt die Hand auf ihrem Herzen, die kalte, unmenschliche Hand, und wieder spürt sie etwas von dem Geschmack des Grauens im Munde. Wenn ich es Fritz sage, schlägt er ihn tot; Fritz hat den kleinen Meier schon wegen viel weniger totschlagen wollen … Aber sie spürt, daß sie es Fritz nicht sagen wird, daß dies für Fritz immer ein Geheimnis bleiben muß, es gehe aus, wie es wolle. Eigentlich müßte sie ja nun erschrecken, daß sie mit dem Räder zusammen ein Geheimnis hat. Aber es erschreckt sie nicht. Eine düstere Verführung liegt in dieser bösen Dienerhand, sie versteht es nicht, aber sie fühlt es …

Während ihr all dies durch den Kopf schießt – und es vergeht ja kaum eine Sekunde über diesen Erwägungen und Befürchtungen –, ist der Diener Hubert Räder am Fußende des Bettes niedergekniet. Da hockt er in seinem langen weißen Nachthemd, die Hände gefaltet, und betet sein Nachtgebet wie ein Kind. Aber der graue, böse Kopf hat nichts Kindliches. Violet, wie sie ihn kaum drei Meter entfernt auf dem Boden der tiefen Kellerstube, auf der kleinen, nur für sie erleuchteten Bühne knien und beten sieht gleich einem frommen Kind, ihn, der eben noch seine Hand um ihren Hals gelegt – Violet, wie ihr einfällt, ob er jetzt wohl dem lieben Gott dankt, daß er das mit ihr hat tun dürfen – Violet packt ein grausiger Lachkrampf, sie kann sich nicht mehr halten, sie springt auf und läuft gradenwegs in die Nacht hinaus, wie es kommt, ohne an die Leute zu denken, die sie nicht sehen dürfen. Und an den Fritz, den sie sehen muß …

Sie läuft durch den Garten, immer weiter, einen Grasrain zwischen den Feldern hinauf. Ihre Brust keucht. Es ist, als müßte sie fortlaufen von alldem, von sich und allem. Aber am Ende bezwingt ihr Körper das Grausen doch, und sie wirft sich hin, wo sie steht, und sieht in den gestirnten, sehr dunklen Nachthimmel, auf dessen unfaßbar tiefem Grund die Sterne um so heller funkeln. Endlich schläft sie ein …

Aber sie kann nur ganz kurz geschlafen haben, die Sterne sind nicht weitergerückt, seitdem sie die Augen schloß. Es ist ihr, als habe sie etwas sehr Leichtes, Heiteres geträumt, aber sie weiß nichts mehr davon, ein Gefühl nahender Gefahr hat sie geweckt. Doch es ist nichts von Gefahr zu sehen, es ist nur Stille, ländliche Nacht um sie. Jetzt ist auch das Dorf schlafen gegangen, kein Laut ist mehr von dort zu hören.

»Nein, es ist keine Gefahr«, sagt sie, ihr pochendes Herz beruhigend. Aber plötzlich fällt ihr ein, daß sie allein auf den Feldern und daß ihr Rufen zu fern ist, um einen Menschen im Dorf zu wecken … Und sie, die hundertmal zu Nachtzeiten draußen in Feld und Wald ohne den Gedanken auch nur an Angst gewesen ist, sie packt plötzlich feige, zähneklappernde Angst, er könne kommen in seinem weißen Hemd, den Feldrain entlang, und wieder seine Hand auf ihr Herz legen wollen. Ich könnte mich ja nicht wehren! denkt sie.

Und fängt wieder an zu laufen; sie läuft fort von der Villa, aus der er ihr nachkommen kann, sie läuft gegen die dunkle Baummasse des Parks zu. Sie überklettert den Zaun, eine Bahn ihres Kleides reißt scharf an einer Nagelspitze durch. Vornüber taumelt sie in das Gras, aber sie springt gleich wieder auf ihre Füße und läuft hinein in den Park, dem Schwanenteich zu, an den hohlen Baum … Sie faßt hinein in die Höhlung, aber es liegt kein Brief darin; so hat er ihn also schon herausgenommen und ist auf dem Wege zu ihr …

Da läuft sie wieder, aber schon im Anlaufen fällt ihr ein, daß er den Brief gar nicht bekommen hat, daß der Brief noch in Räders Besitz ist, und eine rasende Wut gegen den Bengel Räder faßt sie … Aber sie vergeht, denn während sie weiterläuft, muß sie darüber nachdenken, warum sie noch immer läuft. Es hat ja keinen Zweck mehr, zu laufen, natürlich ist er überhaupt nicht im Dorf, natürlich kehrt man nach einer solchen Waffenvergrabung zu seinem Truppenteil zurück und macht Meldung, daß alles gut abgegangen ist, statt auf Liebesabenteuer in die Dörfer zu gehen. Aber trotzdem sie weiß, daß sie nicht mehr zu laufen braucht, läuft sie weiter, als hetze sie irgend etwas, und sie hält erst inne, als sie durch die Bäume ein helles, gelbes Lichtrechteck schimmern sieht …

Sie ändert ihren Schritt in vorsichtigstes Schleichen und nähert sich katzenleise dem hellen Fenster. Es steht weit offen, aber die Gardinen sind vorgezogen. Violet überquert den Weg, tritt auf den schmalen Grasstreifen unter dem Fenster und schiebt die Gardinen vorsichtig auseinander. Sie ist so verwirrt diese Nacht, daß ihr nicht einen Augenblick der Gedanke kommt, sie tue etwas Unzulässiges, ja nur Ungewöhnliches. Nachdem sie einen ersten musternden Blick in das Zimmer geworfen hat, schiebt sie den Kopf ganz durch die Gardinen, und so bleibt sie beobachtend stehen: mit dem Leib draußen in der Nacht, aber mit dem Kopf in der hellen Stube.

 

Am Tisch sitzt der junge Wolfgang Pagel und schreibt einen Brief. Es war ein ziemlich zerfahrener Tag gewesen, er hatte ihn unlustig und traurig gemacht, auf diese Art schmeckte auch Landarbeit nicht. Am Vormittag der Krakeel mit dem Rittmeister, der ihn hinauswarf; dann das Durcheinander mit den Zuchthäuslern; die zugemauerte Tür mit dem weißen Kreuz, das wieder rot überpinselt werden mußte; der verdrehte Diener Räder mit seinem Karren voller Gänseleichen; der geheimnisvoll im Schloß beratende Studmann – alles war überreizt, zerfahren, so wenig ländlich wie nur denkbar gewesen!

Als er dann schließlich ärgerlich sein einsames Nachtessen hinuntergewürgt hatte – Studmann war durch den Diener Elias entschuldigt worden –, hatte er mit seinem Abend dagestanden, unfähig zu schlafen, unlustig, noch etwas zu tun. Es war ihm sogar der Gedanke gekommen, in den Gasthof zu gehen; man konnte ein bißchen trinken, um sich aufzumöbeln, und vielleicht einen kleinen Skat dreschen … Schließlich hatte er die Idee gehabt, ins Dorf zu bummeln und nach der Sophie Kowalewski auszuschauen. Alles in allem war sie ein ganz nettes Mädchen und wahrscheinlich, da berlinisch angehaucht, ohne allzuviel Ziererei. Das gnädige Fräulein, Violet von Prackwitz, mit seinen Vormittagsküssen, wäre gefährlicher gewesen.

Aber da fiel ihm ein, daß er nicht aus dem Haus konnte, weder in den Gasthof noch zur Sophie! Er hatte einen Auftrag angenommen, er erwartete einen Besuch, den er zu vertrimmen hatte: den besagten dämlichen Diener mit dem Fischkopp, Hubert Räder.

Eine Weile war Wolfgang Pagel nun durch die Dämmerung in seinen beiden Gemächern auf und ab gegangen, jetzt im Büro, jetzt in seinem Zimmer. Aber es verbessert eine schlechte Stimmung entschieden nicht, wenn man viertelstundenlang auf und ab geht und überlegt, wie man einen schuftigen Kerl bedrohen, einschüchtern und verhauen wird. So etwas erledigt man am besten ohne jede Überlegung aus dem Handgelenk. Aber was dann tun –?

Es war eine ziemlich auffallende Geschichte: wenn er sich mit irgendeinem Mädchen beschäftigte, heiße es nun Violet, Amanda oder Sophie, so lief es am Ende stets auf ein Erinnern an Peter hinaus. Nun, Peter war endgültig versunken und vergessen, Friede ihrer Asche, ein gutes, freundliches Mädchen, aber wie gesagt: Friede ihrer Asche! Immerhin konnte er endlich einmal seiner Mutter schreiben, ihr von seinen neuen Lebensumständen einiges berichten und zu größerer Beruhigung die Liquidation der Masse Petra Ledig melden. Das wäre immerhin erheblich besser, als hier tatenlos auf eine klägliche Schlägerei zu warten. Der Kerl war bestimmt ein Feigling!

Kurz entschlossen schaltete Pagel das Licht in seinem Zimmer ein, zog die Gardinen vor und holte sich Schreibgerät aus dem Büro. Nun noch das Jackett aus: in Sporthemd und Gürtelhose saß er bequem und luftig am Tisch und fing an zu schreiben.

Zuerst störte ihn noch der Gedanke an das Kommen Räders, aber bald vergaß er diesen Knaben Pflaumenweich ganz und ließ seine Feder laufen. Er schrieb von seinem Leben in Neulohe, ein bißchen schnoddrig, ein bißchen flapsig, wie man eben schreibt, wenn man dreiundzwanzig Jahre alt ist und nicht zugeben will, daß einem etwas Spaß macht. In fünf Sätzen zeichnete er ein Bild seines »Brötchengebers«, dann des rauschebärtig biederen Schwiegervaters, der aus allen Knopflöchern nach List und Heimtücke stank. Von vergangenen Dingen schrieb er nichts, nichts von einem weggenommenen Bild, nichts vom Verbleib einer immerhin beträchtlichen Geldsumme, gar nichts von einer in die Luft gegangenen Heirat. Weder Scham noch Verstocktheit hinderten Wolfgang, von diesen weniger angenehmen Dingen zu schreiben. Sondern solange man noch wirklich jung ist, glaubt man noch, daß das Vergangene auch wirklich vergangen sei, nämlich völlig abgetan. Man glaubt, daß man jeden Tag ein »neues Leben« anfangen kann, und man setzt bei all seinen Mitmenschen den gleichen Glauben voraus – bei der Mutter zumal. Man weiß noch nichts von jener Kette, die man ein ganzes Leben hinter sich dreinschleppen wird; jeder Tag, jedes Erlebnis fügt an diese Kette ein neues Glied. Man hört ihr Klirren noch nicht, man hat noch nicht die entmutigende, hoffnungslose Bedeutung des Satzes begriffen: Weil du dieses tatest, mußt du dieses sein!

Nein, dreiundzwanzig Jahre, hin ist hin, vergangen ist vergangen – Wolfgangs Feder läuft über das Papier. Jetzt zeichnet sie ein Bild Studmanns, des Kindermädchens und hauptamtlichen Belehrers; Pagels Laune steigt, der Geist seines Vaters fährt in ihn … Er entwirft am Rande des Briefes eine Karikatur Studmanns, er zeichnet ihn als ein betrübt vor seinem Bau sitzendes Kaninchen. Das Kaninchen sieht weise und töricht zugleich in die Welt – vor allem aber betrübt.

Pagel betrachtet zufrieden flötend sein Werk, es ist wirklich ähnlich. Dann hebt er den Blick und begegnet dem Auge des gnädigen Fräuleins: Violet von Prackwitz.

»Hoppla!« sagt Pagel ohne sonderliches Erstaunen über diesen ungewöhnlichen Zaungast. Dann: »Der Knabe Räder ist ausgeblieben?«

Sie schüttelt den Kopf. Dabei gleitet eine Schulter durch den Vorhang, und sanft legt sich unter ihr die Brust auf das Fensterbrett. Der durch die vorgebeugte Haltung weit offene Ausschnitt läßt die zarte Haut sehen, so verführend milchweiß neben dem dunklen Braun des Halses.

»Nein«, sagt Violet nach einem Augenblick des Zögerns. Sie sagt es langsam, als spräche sie unlustig, aus einem Schlaf heraus. »Räder hat noch für Papa zu tun. Ich konnte ihn nicht schicken.«

Pagel wirft einen Blick auf das Mädchen. »Und Sie, meine Gnädigste?« fragt er gezwungen leicht. »Noch so spät unterwegs? Kein Stubenarrest mehr?«

Wieder wartet sie eine ganze Zeit mit der Antwort, während sie ihn unverwandt ansieht. »Ich war bei den Großeltern«, erklärt sie schließlich. »Ich wollte Ihnen doch Bescheid sagen …«

»Danke!« sagt Pagel, »ein bißchen zu spät.«

Es ist so still, warm und still. Die Brust auf dem Fenster, der atmende Mund, Geheimnis atmend, Erfüllung versprechend. Es ist so lange her … Alles wächst, reift, gedeiht … Verweile doch –!

»Ja …«, sagt Pagel nach einer Weile, verloren, träumerisch.

Dann ist wieder alles still, stille, dunkle, treibende Nacht.

»Kommen Sie einmal her …« flüstert sie plötzlich. So leise sie flüsterte, er fährt zusammen, als habe er einen Schlag bekommen.

»Ja –?« fragt er halblaut und ist doch schon aufgestanden von seinem Stuhle.

»Bitte, ja …«, flüstert sie wieder, und er geht ihr langsam näher.

Ohne daß er es weiß, hat sein Gesicht einen anderen Ausdruck bekommen, einen bitter entschlossenen Ausdruck, als schmecke er die Frucht schon, die nicht süß sein kann. Ihr Gesicht aber sieht weiter aus wie da, als sie in das Zimmer mit dem betenden Diener hineinspähte: halb schlafend, als spüre sie Grauen und Verzweiflung und Lust und Verlangen.

»Näher!« flüstert sie, als er einen Schritt vor ihr stehenblieb. »Noch näher!«

Es ist die Verführung der Stunde, und es ist die Verführung des hungrigen Fleisches, aber es ist auch die Verführung ihres Verlangens. Dieses Verlangen ist wie ein Netz, das ihn unspürbar umfängt, ihn näher zieht …

»Nun –?« fragt er leise, und sein Gesicht ist direkt bei dem ihren.

»Möchten Sie …«, sagt sie stockend, »möchten Sie mich nicht noch einmal küssen –?«

Und sie hebt ihm ihren Kopf entgegen; mit einer entschlossenen und doch kindlichen Bewegung bietet sie ihm die Lippen. Plötzlich stehen in ihren Augen Tränen … Ach, es ist nicht nur Verderbtheit, die sie die Lust in des andern Umarmung suchen läßt – es ist auch die Angst vor dem, der unaufhaltsam in ihr vordringt! Er hatte die Hand auf ihr Herz gelegt, von ihr Besitz ergriffen …

»Da!« sagte sie ratlos, und ihre Lippen begegneten sich. So blieben sie eine endlose Zeit. Auf seiner Hand, die sich auf das Fensterbrett stützte, lag ihre Brust, er fühlte durch den seidigen Stoff ihre Schwere und Reife, schöner als jede Frucht! – Waren es die Grillen, die draußen im Park zirpten –? Eine dünne, süße Melodie, wie von seinem Blut gesungen, weiter, immer weiter, ohne Absetzen, als sänge die Erde sie selbst, diese gute, fruchtbare Mutter Erde, die die Liebenden liebt … Eine endlose Zeit bleibt sein Mund auf ihren Lippen liegen …

Dann spürt er, daß sie unruhig wird. Sie möchte etwas sagen. Er will diese Lippen nicht loslassen, den Zauber nicht unterbrechen … Mit einer gelenkigen Bewegung schlüpft ihre linke Schulter aus dem Kleid. Während ihre linke Hand weiter auf seiner Schulter liegt, befreit die rechte die Brust …

»Da!« sagt sie klagend. »Leg deine Hand darauf – es ist so kalt …«

Und ehe er noch seinen Willen befragen kann, hat sich seine Hand schon um ihre Brust geschlossen.

»Oh!« seufzt sie und drängt ihre Lippen fester gegen die seinen.

Was denkt er? Denkt er überhaupt etwas? Die Flamme steigt und steigt. Er sieht etwas wie Bilder, eilige Bilder, vorüberfliegen, ein Gespensterspiel des Ehemals auf der Bühne seines Hirns. Das Zimmer bei der Pottmadamm, er erwacht und begegnet dem Blick Peters … die Flamme steigt und steigt … »Darf ich nicht mitkommen?« – so oder ähnlich fragte sie, und dann kam sie mit; in der gipsernen Marmorpracht eines Berliner Treppenvestibüls stellten sie sich einander vor: Petra Ledig – unvergeßliche Stunde.

Die Grillen feilen noch immer, aber es sind keine Grillen, Grillen leben nicht in einem Park, Grillen leben in Häusern – es sind Grashüpfer, Heuschrecken, die so singen, grüne, ziemlich grotesk ausschauende Tiere …

Da ist die Brust wieder in deiner Hand, du spürst sie wieder. Es ist die Brust, es war nur die Verführung des Fleisches, nicht die der Liebe. Lose, leise; lockere den Mund, wir dürfen das kleine Mädchen nicht erschrecken, es ist bloß verdorben. Aber es hat nichts für seine Verdorbenheit eingetauscht, nicht einmal Wissen. Es weiß nichts von sich, es ist wie eine Schlafwandlerin, man darf es nicht plötzlich aufwecken. Peter war anders – oh, Peter war ganz anders! Sie wußte alles – aber sie war unschuldig wie ein Kind! Es kann unmöglich stimmen, was sie mir auf der Wache von ihr erzählt haben. Peter war nicht verderbt, sie wußte, aber sie war immer unschuldig …

»Was ist Ihnen?« fragt Weio und sieht ihn verständnislos an. »Woran denken Sie?«

»Ach –«, sagt er verloren. »Ich habe mich eben an was erinnert …«

»Erinnert –?!« fragt sie.

»Ja«, sagt er. »Erinnert. Ich gehöre einer andern Frau.« Er sieht die plötzliche Veränderung ihres Gesichtes, das Erschrecken. Er sagt eilig: »So, wie Sie einem andern Mann gehören.«

»Ja –?« fragt sie folgsam. Sie ist so leicht zu lenken, ein junges Pferd, das Maul ist noch zart. Sie folgt jedem Zügelzug. »Und die andere Frau – ist es auch vorbei?«

»Ich habe es gedacht«, sagt er eilig. »Aber eben fiel mir ein, daß es vielleicht doch nicht vorbei ist.«

»Eben –?«

Sie steht da, im Fenster, zwischen den Vorhängen, wie er sie mitten im Kuß vergaß, das Haar unordentlich, die Brust noch immer entblößt, die Unterlippe weinerlich zitternd –: die Stätte der Lust, von der Lust verlassen … Sie sieht bemitleidenswert aus.

»Auch bei Ihnen ist es ja nicht wirklich vorbei«, tröstet er hastig. »Sie brauchen nur ein wenig zu warten, Sie wissen doch. Es ist nur ehrenhaft von ihm, daß er sich solange zurückzog.«

»Meinen Sie –?« fragt sie lebhafter. »Sie meinen, er kommt wieder? Es sind nur meine dummen fünfzehn Jahre?«

»Natürlich!« sagt er. »Warten Sie, ich mache mich schnell zurecht, ich bringe Sie nach Haus. Wir können noch über alles reden.«

Er dreht sich um, er geht zum Spiegel, kämmt sich das Haar. »Brauchen Sie auch einen Kamm?« ruft er. »Da!«

Er zieht sich seine Jacke an, wäscht sich die Hände, unterdes ist auch sie fertig geworden. »Los!« sagt er und schwingt sich durch das Fenster. »Das Licht kann ruhig brennen bleiben, ich bin ja gleich wieder zurück.«

Sie gehen gemächlich nebeneinanderher, die Nacht ist lind und windstill, sie verlockt zum Bummeln und Schlendern. Als sich im Gehen ihre Hände zweimal gestreift haben, faßt er ihre Hand, und so gehen sie weiter, Hand in Hand, wie zwei gute Freunde.

»Wissen Sie was, Weio«, sagt Pagel, »ich will Ihnen sagen, was ich eben entdeckt habe. – Eigentlich schickt es sich ja nicht, über so was mit jungen Mädchen zu sprechen, aber wer soll es Ihnen sonst erzählen? Ihre Eltern doch bestimmt nicht –!«

»Die!« sagt Weio verächtlich. »Die denken ja, ich glaube noch an den Klapperstorch!«

»Siehste!« meint Pagel vergnügt. »Wahnsinnig rückständig – was die sich einbilden! Bei den Schlagern heute soll sich ein junges Mädchen wohl keine Gedanken machen? Also, passen Sie auf – aber wie sage ich es meinem Kinde? Verdammt komisch, von solchen Sachen zu sprechen; man geniert sich und ist wütend, daß man sich geniert …«

»Ihre Entdeckung …«, erinnert Weio.

»Jaha! Also, ich habe Ihnen doch gesagt, ich gehöre einer andern Frau, und glauben Sie mir, die Minute vorher habe ich das noch nicht gewußt …«

»Hören Sie mal!« ruft Weio und bleibt stehen. »Sie sagen mir reizende Sachen …«

»Ach, Quatsch, Weio, haben Sie sich doch bloß nicht so! Das ist doch keine Beleidigung für Sie, Sie sind doch jung und hübsch – na, und so weiter! Also, die Sache ist so: ich hab’s nicht gewußt, daß ich der anderen gehöre. Früher, ehe ich sie kannte, habe ich so rumgeflirtet, mal da, mal dort … Und ich habe gedacht, das ist immer so, das bleibt auch immer so: man verkracht sich, und dann ist eine andere da. Man hat die eine über, her mit der nächsten! Die Mädchen sind ja auch nicht anders«, sagt er ein bißchen beschämt, zur Entschuldigung seines krassen Männerstandpunktes … »Denken Sie bloß an das Lied: ›Wenn an der nächsten Straßenecke schon ein andrer steht‹ …«

»So ist es doch auch, wenn’s der eine nicht ist, ist’s eben der andere!« stimmt Violet zu.

»Sehen Sie!« sagt Pagel triumphierend. »Das ist eben der Quatsch! Auf den Leim bin ich auch gekrochen! Aber es ist gar nicht wahr! Wie ich mit dem Peter angefangen habe, ich habe meine Freundin nämlich immer Peter genannt, eigentlich heißt sie Petra …«

»Komischer Name!« meint Weio abfällig.

»Na, Violet ist nun auch nicht grade hinreißend!« ärgert sich Pagel, lenkt aber sofort ein. »Na also, das ist ja Geschmackssache. Mir gefällt Peter ausgezeichnet. Wie ich da mit Peter also ein Jahr zusammen gehaust habe …«

»Sie haben mit ihr richtig zusammen gelebt!?«

»Natürlich! Wie denn sonst? Da findet doch heute kein Mensch mehr was bei! Ich hab gedacht, das ist genauso wie mit den früheren. Diese ist friedlicher und netter, deswegen hält’s ein bißchen länger. Und wie es dann doch zu Ende war, grade ehe ich hierherkam, dachte ich: Nun also! Weg mit Schaden! Wird sich schon eine andere finden! Wissen Sie«, sagt Pagel sich besinnend, »eigentlich, wenn man es sich jetzt so überlegt, ist es hundsgemein, so zu denken. – Aber was soll man tun, alle reden sie so, alle tun sie so, und dann denkt man, das ist auch so …«

»Das ist auch so!« erklärt Weio trotzig.

»I wo, Schiete!« ruft Pagel übermütig. »Das ist ja grade meine Entdeckung! Die ganzen Wochen laufe ich hier nun schon in Neulohe herum, und soweit gefällt es mir ja ganz gut, danke schön, aber einen richtigen Mumm habe ich doch nicht gehabt. Früher, wenn ich morgens bloß aufwachte, freute ich mich schon, ganz ohne besonderen Grund, bloß weil ich da war; heute denke ich: Ach, wieder so ’n Tag, na, rin ins Hemde, daß er rasch verbraucht wird …«

»Genau wie bei mir«, sagt Weio. »Mich freut auch nichts mehr.«

»Dieselbe Krankheit, meine Dame!« ruft Pagel. »Ich pule Ihnen das noch genau auseinander! Also keinen Mumm mehr und keinen Spaß mehr, und körperlich ist einem auch so unfrisch …«

»Ich will Ihnen was sagen«, erklärt Violet wichtig. »Ich habe das gelesen: Sie haben einfach Abstinenzerscheinungen – wo Sie doch ganz mit ihr zusammen gelebt haben.«

»I du Donnerwetter!« ruft Wolfgang Pagel verblüfft. »Für Ihr Alter war das ganz hübsch, gnädiges Fräulein!«

Er schweigt einen Augenblick nachdenklich. Bedenken steigen in ihm auf: Ist es auch richtig, daß er einem so jungen Mädchen, grade diesem jungen Mädchen, von seiner Entdeckung erzählt –? Aber er beruhigt sich wieder; wäre sie wirklich, wie dieser Ausspruch vermuten läßt, sie hätte ihn nicht getan! Wirklich verdorbene Menschen suchen ihre Verderbtheit zu verbergen.

»Nein«, sagt er darum wieder nach einer Weile. »Es gibt Mädchen genug im Dorf. Das ist es grade, was ich entdeckt habe, daß nicht an jeder Ecke eine andere steht. Oder eben doch: eine andere. Aber man sucht dieselbe. Glücklich kann nur dieselbe machen. Und auch Sie suchen denselben …«

Sie denkt eine Weile nach, dann sagt sie: »Ich weiß es nicht, ich verstehe es nicht. Ich bin so ruhelos, immerzu treibt es mich um, und dann eben, wie ich in Ihr Fenster sah, dann ist mir so, als wäre es ganz gleich, wer es ist, als könnte jeder mir Ruhe geben …«

»Ich«, sagt Pagel, »ich habe es jetzt erst begriffen. Wenn ich ein Mädchen sehe, und es mag mir noch so gut gefallen, ich muß es gleich mit Peter vergleichen, und dann weiß ich, es ist nichts.«

»Verstehen Sie das?« fragt Weio und hat kaum auf ihn gehört. »Nach so was kann man nun keinen Menschen fragen! Die Eltern nicht, keinen. Ich denke den ganzen Tag daran, und nachts träume ich davon. Manchmal glaube ich, ich werde noch verrückt. Wenn Papa und Mama fort sind, schleiche ich in Papas Zimmer und sehe im Konversationslexikon nach. Aber wenn man darin liest und man liest in Räders Buch, dann klingt es so, als wäre alles nur Körper. Und manchmal ist mir dann so, als stimmte es, und ich werde traurig. Und dann wieder sage ich mir: so kann es doch nicht sein …«

»Natürlich ist es nicht nur der Körper«, sagt Pagel. »Das haben Sie sich so zurechtgemacht. Wenn es nur der Körper wäre, dann wäre ja jeder für jede richtig, und da braucht man sich ja nur die andern anzusehen, um zu wissen, daß das nicht stimmen kann.«

»Da haben Sie recht«, meint sie. »Aber – vielleicht ist es doch so, daß mehrere stimmen? Vielleicht sehr viele? Bloß nicht alle! Alle natürlich nicht.«

»Ich denke jetzt: nur eine!« sagt Pagel. »Ich bin schrecklich froh, daß ich das gefunden habe …«

»Herr Pagel …«, sagt sie halblaut.

»Ja –?«

»Herr Pagel – ich wäre – vorhin – schrecklich gern zu Ihnen ins Zimmer gekommen.«

Er schweigt.

Sie sagt trotzig: »Es ist sicher schrecklich gemein von mir, daß ich das sage, aber es ist doch so. Bei allen muß ich lügen, auch bei Fritz. Da will ich bei Ihnen einmal die Wahrheit sagen können.«

»Sie hätten sicher einen schrecklichen Kater bekommen«, sagt er vorsichtig. »Und ich auch.«

»Sagen Sie«, fängt sie wieder an, »vorhin, da an Ihrem Fenster – waren Sie darum so, weil ich erst fünfzehn bin und weil man ein Lump ist, wenn man sich mit einer Fünfzehnjährigen einläßt?«

»Nein!« sagt er verblüfft. »Daran habe ich gar nicht gedacht.«

»Sehen Sie!« ruft sie triumphierend. »Dann braucht mein Leutnant auch kein Lump zu sein.«

Sie ist stehengeblieben, sie sind oft stehengeblieben auf diesem Weg durch das Dorf – es ist ja nach elf Uhr, um diese Stunde schläft in der Erntezeit alles. Sie hat seine Hand losgelassen, er spürt, daß sie etwas sagen möchte.

»Nun?« fragt er.

»Ich«, bittet sie stockend und doch mit einer verzweifelten, fest flehenden Hartnäckigkeit. »Ich möchte furchtbar gerne noch einmal mit Ihnen umkehren …«

»Nein, nein«, wehrt er ganz leise ab.

Da hat sie schon die Arme um seinen Hals geworfen, sie drückt sich an ihn, sie lacht und sie weint in einem Atem, sie überschüttet ihn mit ihren Küssen, sie möchte ihn verführen …

Und unter dieser Verführung wird es ganz kalt in ihm, er drängt sie nicht zurück, er hält sie sogar lose in seinen Armen, damit sie nicht fällt. Er vergißt nicht wieder, daß sie ein halbes Kind ist … Sein Mund bleibt kalt, und sein Blut bleibt kalt, keine Flamme steigt mehr empor.

Aber aus dem Dunkel wächst das Bild der andern, keiner behüteten anderen, keiner höheren Tochter, keiner Erbin – wahrhaftig nicht! Es gibt etwas anderes, denkt er plötzlich erschüttert, immer stärker erschüttert, aufgewühlt und angefaßt. Man kann durch den Schmutz gegangen sein und viel Schlimmes erlebt haben, und man muß doch nicht schmutzig und schlimm geworden sein. Sie, sie, sie hat mich geliebt, und sie war rein – aber ich habe es nicht gewußt! Und es scheint ihm so gleichgültig, was sie ihm da von Krankheit und Strich erzählt haben, es ist nicht wahr!

Und während er all dieses flüchtig bedenkt, bedrängen ihn Weios Küsse, ihre Zärtlichkeiten immer weiter. Ach, wenn es ihr doch über würde, wenn sie es doch aufgäbe! denkt er angeekelt. Aber es ist, als machte sie die eigene Zärtlichkeit immer närrischer und toller, sie stöhnt leise, sie faßt seine Hand und drückt sie wieder gegen ihre Brust … Ich werde doch nicht noch grob werden müssen! denkt er besorgt.

Da tönen Schritte aus dem Dunkel, schon ganz nahe … Blitzschnell läßt sie von ihm und gleitet gegen den nächsten Zaun, an dem sie mit von der Dorfstraße abgewandtem Gesicht stehenbleibt … Auch Pagel dreht sich halb ab …

Und nun geht Herr von Studmann, das ewige Kindermädchen, dieses Mal das Kindermädchen, ohne es zu wissen, an ihnen vorüber. Er scheint durch das Dunkel nach ihnen zu spähen, ja, er rückt sogar an seinem Hut, er sagt höflich: »Guten Abend.«

Pagel knurrt etwas, und vom Zaun kommt ein Laut – ist es Lachen? Ist es Weinen?

Dann verhallen die Schritte.

»Das war Herr von Studmann, Fräulein Violet«, sagt Pagel.

»Ja, ich muß schnell nach Haus, meine Eltern werden jetzt schlafen gehen. Gott, wenn Mama in meinem Zimmer nachsieht!« Sie läuft eilig neben ihm her, sie stößt wütend hervor: »Und alles wegen gar nichts! So ein trauriger Mond!«

»Ich denke, Sie waren bei Ihren Großeltern?« fragt Pagel, ein wenig spöttisch.

»Ach, Quatsch!« ruft sie wütend. »Sie können mir ja leid tun, wenn Sie noch nicht kapiert haben, was ich gesucht habe!«

Pagel antwortet nicht mehr, und auch sie schweigt nun. Sie erreichen die Villa. »Gottlob, sie sind noch unten!« ruft sie. Aber grade, wie sie es sagt, geht das Licht in des Rittmeisters Zimmer aus, und die schräg aufsteigenden bunten Fensterchen des Treppenhauses werden hell. »Los, das Spalier hoch! Vielleicht schaffe ich es noch!« ruft Violet.

Sie laufen um das Haus herum.

»Bücken Sie sich, ich steige Ihnen auf den Buckel!« ruft sie und lacht. »Das ist ja doch das einzige, wozu Sie taugen!«

»Immer gerne zu Diensten«, erklärt Pagel höflich. Sie steht schon oben, angelt nach einer Spalierlatte.

Eine Elfe bist du auch nicht, denkt Pagel, der merkt, wie sie ihn mit Vergnügen ihr volles Gewicht spüren läßt. Aber jetzt ist sie schon höher, er tritt in einen Busch, die Glyzinienranken rascheln, nun verschwindet der helle Schatten in der dunklen Fensterhöhle.

Pagel sieht noch vier andere Fenster hell werden, er hört durch das offene Fenster den Rittmeister klagen, schimpfen und jammern.

»Klingt ziemlich besoffen«, sagt er überrascht zu sich.

Er macht sich auf den Heimweg. Ich muß der Mama doch noch von Petra schreiben, denkt er. Sie muß sich erkundigen, was aus ihr geworden ist. Und habe ich in einer Woche keinen Bescheid, fahre ich nach Berlin. Ich werde sie schon finden … Die Weio ist ein schwerer Fall … Na, laß!

Wolf unter Wölfen
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