68

Ich öffne die Augen. Mein Kissen ist noch feucht von den Tränen. Ich werfe einen Blick auf den Wecker, dabei sehe ich auf dem Nachttisch zu meiner Überraschung Sally liegen. Ich erinnere mich an den Abend, als ich sie Mikael geschenkt habe und dazu ein kleines Stück meines Herzens. Er hat sie mir zurückgegeben. Das letzte Band zwischen uns … ist nun zerrissen.

Ich stehe auf, schmerzbetäubt, und ziehe mich mechanisch an. Dabei fällt mir das T-Shirt mit den Einhörnern in die Hände. Wieder eine mit Mikael verbundene Erinnerung: Das hatte ich an, als ich mich zum ersten Mal in der Abstellkammer versteckt habe und beim Klang seiner Stimme zusammengezuckt bin.

Wie kann ich nur hoffen, ihn jemals zu vergessen?

Ich rede mir ein, dass die Zeit alle Wunden heilt. Jetzt muss ich stark sein und nur die ersten Tage überstehen. Danach wird es besser.

Ich gehe in die Küche. »Stimmt etwas nicht, Scarlett? Du siehst schrecklich aus …« Meine Mutter mustert mich besorgt.

»Nein, es ist nichts Schlimmes. Ich konnte heute Nacht bloß nicht schlafen.«

Sally liegt wieder in meiner Hosentasche. Jetzt ist sie nicht mehr das Geschenk meiner Großmutter, sondern etwas, das Mikael bei sich getragen und mir zurückgegeben hat.

»Wegen des Gewitters?«

»Ich glaube schon.«

Ich starre auf meine Schüssel mit Milch, rühre lustlos das Müsli um. Mein Magen ist wie zugeschnürt, und ich bringe keinen Bissen herunter. Am liebsten würde ich einschlafen, alles ausblenden und ein paar Monate später wieder aufwachen. Doch würde das genügen? Ich bezweifle es.

»Willst du nichts essen?«

»Ich habe keinen Hunger.«

»Du solltest dich dazu zwingen. Das Frühstück ist die wichtigste Mahlzeit des Tages, ohne Zucker kann das Gehirn nicht arbeiten.«

Genau das möchte ich ja verhindern! Auch heute muss mir meine Mutter unbedingt sagen, was ich zu tun habe. Im Grunde ist das ja auch ganz normal, für sie hat sich nichts geändert. Nur für mich scheint eine Welt zusammengebrochen zu sein. Von meinen Träumen ist nur ein Scherbenhaufen übrig geblieben.

»Und Papa?«, frage ich, um das Thema zu wechseln.

»Der ist früh aus dem Haus … wie immer.« Sie fängt an, das Kochfeld zu putzen. Ich fand eigentlich, dass es schon vorher glänzte.