Prolog

Strömender Regen. Die Nacht umhüllt mich mit ihrem dunklen Samtmantel. Ich habe mir die Kapuze meines Sweatshirts tief in die Stirn gezogen und fühle mich wie ein triefnasser, in Tränen aufgelöster Streuner. Zweifel und Angst quälen mich: Ich habe keine Ahnung, was ich glauben soll, wem ich glauben soll. Ich zittere, aber nicht nur der Kälte wegen. Meine Gefühle entladen sich stoßweise, so wie die Blitze, die immer wieder den Himmel durchzucken.

Der Park wirkt, als stamme er direkt aus einem Albtraum. Die gespenstischen Silhouetten der Bäume, die undurchdringliche Schwärze, die die Umrisse des Gebäudes verschluckt. Eine Weile bleibe ich wie gelähmt stehen, ich hatte nicht erwartet, die Tür angelehnt vorzufinden. Auf Zehenspitzen bewege ich mich vorwärts. Und ehe ich es wirklich merke, bin ich schon hineingegangen. Der glänzende Marmorboden reflektiert matt mein Spiegelbild. Jetzt wird mir klar, was für einen schrecklichen Fehler ich begangen habe. Ich sollte nicht hier sein, aber dennoch balle ich die Fäuste und gehe weiter. Ich muss Klarheit gewinnen, ich brauche Antworten.

Das Handy, Scarlett, los, hol es schon raus!

Ich nehme es in die Hand, den Finger auf der Taste mit der Notrufnummer. Wie in Trance folge ich einem Geräusch, das mich zu der Wendeltreppe am Ende des Ganges führt.

Ein Donner, dann erhellt ein Blitz die Nacht. Wie das Blitzlicht einer Kamera. Ich kann meinen Schrei nicht aufhalten. Mein Herz rast wie ein außer Kontrolle geratener Zug.

Ich taste mich an der Wand entlang und suche nach dem Schalter. Und da steht er vor mir.

Gierige rote Augen wie die eines Raubtiers. Sie gehören zu einer dunklen, mindestens zwei Meter großen Schattengestalt. Sie versucht mich zu packen, aber ich weiche aus, fange an zu rennen. Ich schreie, und es fühlt sich an, als würde man mir mit Schmirgelpapier die Kehle streicheln.

Ich keuche, schaue zurück, sehe den Schatten nicht mehr. Vielleicht habe ich ihn ja abgehängt.

Noch bevor ich diesen Gedanken zu Ende bringen kann, steht er vor mir.

Ich versuche zu flüchten, stolpere und knalle mit den Handflächen auf den Marmorboden. Ein stechender Schmerz. Das Handy schlittert einige Meter weg. Keine Zeit, es aufzuheben. Ich stehe auf, rutsche wieder aus und schlage mir das Knie auf.

Die dunkle Gestalt ist jetzt über mir. Weil es so dunkel ist, kann ich das Gesicht nicht genau erkennen. Nur die Augen, die wie Blutstropfen glänzen. Der Schatten holt sofort aus und schlägt mich, ein brutaler Hieb. Ich fliege ein paar Meter weg wie eine schlaffe Gliederpuppe. Der Schmerz raubt mir den Atem.

Ich lande krachend an einer Wand und sinke mit einem dumpfen Geräusch zu Boden. Ich huste, in meiner Brust fühle ich stechende Schmerzen. Ich beiße die Zähne zusammen und stehe auf, aber das hilft nichts. Der Schatten ist schon vor mir. Seine Hand schließt sich wie eine Zange um meinen Hals und hält mich an der Wand fest. Seine Berührung ist kalt wie Stahl, und vom stechenden Geruch seiner Haut tränen mir die Augen.

Ich strampele mit den Füßen, kratze, trete um mich. Alles umsonst. Ich kann nicht mehr atmen. Der stählerne Griff seiner Hand, die meine Kehle gepackt hält, wird immer enger. Schmerzhaftes Röcheln. Ich bereite mich darauf vor, mich vom Leben zu verabschieden, mit einem letzten flüchtigen Blick auf den schwarzen Himmel, der fast vollständig hinter einem dichten Regenvorhang verschwindet. Ein salziger Tropfen löst sich von meinen Wimpern und rinnt zu den Lippen herab.

»Mikael«, flüstere ich.