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Can’t anybody see? We’ve got a war to fight. Ich lasse mich mit Musik volldröhnen und versuche so, die quälenden Fragen in meinem Kopf zu verdrängen.

Es gibt tatsächlich einen Beweis dafür, dass ich mir das alles nicht bloß eingebildet habe: Mein Handy ist nicht mehr da. Es ist mir aus der Hand geflogen, als ich angegriffen wurde.

Ich weiß … Ich könnte mir jetzt einreden, dass es mir bei dem Konzert jemand geklaut hat. Aber dafür sind die Bilder in meinem Gedächtnis viel zu lebendig.

Wie soll ich das bloß erklären, wenn man mein Mobiltelefon in der Bibliothek findet, an einem Ort, an dem scheinbar Vandalen gewütet haben, mit den umgeworfenen Regalen und den stinkenden Flecken wie von verbranntem Öl?

Sicher, ich könnte einfach die Wahrheit sagen. Dass ein gesichtsloses Monster mit zwei roten Abgründen anstelle der Augen versucht hat, mich umzubringen. Und dass der Bassist der beliebtesten Band an der Schule sich in ein Geschöpf mit Fledermausflügeln verwandelt hat, um mich zu retten.

Mikael hat mich gebeten, alles zu vergessen. Ihr Schicksal sei in meinen Händen. Doch wer sind sie?

»Ich konnte doch nicht zulassen, dass dir etwas passiert.« Also liegt ihm etwas an mir! Aber wer hat versucht, mich umzubringen?

Zwei Dinge weiß ich ganz sicher: dass die Bibliothek der Mittelpunkt dieses Rätsels ist und dass Edoardo möglicherweise aus demselben Grund ermordet wurde, aus dem ich angegriffen wurde, und dass ich keine Ahnung habe, wie mein Angreifer aussieht, während er ganz genau weiß, wer ich bin.

Aber wer ist Mikael eigentlich? Es gibt keine logische Erklärung dafür, dass ihm auf dem Rücken zwei Fledermausflügel gewachsen sind. Es sei denn … Vielleicht war ich einfach so erschrocken wegen des plötzlichen Angriffs, dass meine Angst meine Wahrnehmung verzerrt hat.

Storm in the morning … How can it feel this wrong, from this moment. Der Song von Portishead klingt wie eine Warnung. Ob Mikael in Gefahr ist? Vielleicht ist das Monster zurückgekommen, nachdem er mich gerettet hat, und …

Nein, daran darf ich nicht einmal denken!

»Machen wir einen Spaziergang?« Marcos Stimme lässt mich mit einem kleinen Aufschrei zusammenfahren. Ich drehe mich zu ihm um und werfe ihm einen vernichtenden Blick zu.

»Hatte ich dir nicht gesagt, dass du anklopfen sollst, bevor du mein Zimmer betrittst?«

Enttäuscht schleicht er davon. Ja, ich weiß, ich sollte ihm mehr Zeit widmen, aber im Moment geht in meinem Kopf alles so durcheinander, dass ich es nicht einmal schaffe, mich um mich selbst zu kümmern.