20

Ich wälze mich unruhig in meinem Bett, werfe mich hin und her. Wenn mich jemand so sehen würde, er würde bestimmt denken, dass mich eine Horde Insekten überfallen hat. Aber es sind nur meine Gedanken, die mich bestürmen. Ich kann einfach nicht still daliegen. Seit Stunden rattern alle Rädchen in meinem Gehirn ununterbrochen. Ich habe Angst, dass mir bald Rauch zu den Ohren herauskommt. Kurzschluss!

Als Erstes sollte ich mir Mikael aus dem Kopf schlagen, und dafür gibt es drei gute Gründe:

Erstens: Er sieht viel zu gut aus und ist viel zu vollkommen, um eine graue Maus wie mich überhaupt zu bemerken.

Zweitens: Er kann jedes Mädchen haben, das er will. Vielleicht auch jeden Tag ein anderes, wenn er will.

Drittens: Heute Morgen habe ich mich schrecklich blamiert, wie aus dem Lehrbuch.

Na ja, wenigstens habe ich ihn zum Lachen gebracht. Ein schwacher Trost. Ich drehe mich zum Fenster, ziehe mir die Decke bis zu den Ohren hinauf und beobachte den Himmel. Verliere mich darin wie in einem endlos tiefen dunklen Brunnenschacht. Wie viele Gedanken verbergen sich dort, tief unten in meiner Seele? Ich fürchte, dass niemand sie zählen könnte. Und heute Nacht werde ich wahrscheinlich kein Auge zumachen. Ich denke an mein früheres Leben. Da hatte ich Freunde, die mich gern mochten, und meine Eltern vertrugen sich einigermaßen. Samstags gingen wir mit unserer Clique ins Kino und dann eine Pizza essen oder in ein Pub. Hier vertrauen mir meine Freundinnen nicht, und den Samstagabend verbringe ich unweigerlich zu Hause. Vielleicht sollte ich der Tatsache ins Auge sehen, dass ich gar keine Freundinnen habe.

Und dann hat die Ehe meiner Eltern einen Riss bekommen. Wird die Zeit ihn heilen? Das kann ich nur hoffen, für mich und vor allem für Marco, der es noch nie so nötig hatte, sich als Teil einer Familie zu fühlen.

Seufzend drehe ich dem dunklen Himmel den Rücken zu. Vor mir die geschlossene Zimmertür. Wie bezeichnend. Sosehr ich mich auch bemühe, einen Zugang zu den Herzen meiner neuen Mitschüler zu finden, werde ich doch immer vor geschlossenen Türen stehen. Was stimmt denn nicht mit mir? Warum ist plötzlich alles so schwierig geworden?

Sicher, wenn ich nicht nach Siena gekommen wäre, hätte ich Mikael nie kennengelernt. Als ich sein Gesicht so klar vor mir sehe, erröte ich. Ich habe ihm heute nicht einmal gesagt, wie ich heiße. Was bin ich bloß für eine Pfeife!

Und sein bezauberndes Lächeln begleitet mich ins Reich der Schatten.