Im Ulysses gibt es eine Szene, wo Stephen Dedalus, der als Lehrer arbeitet, im Büro seines Schuldirektors Deasy sitzt. Deasy, der zum Salbadern neigt, hält Dedalus sein Gehalt hin sowie eine Predigt über Geld: »Aber wie sagt Shakespeare? Tu Geld in deinen Beutel!« Für Deasy unhörbar murmelt Dedalus: »Jago.«
Es ist immer leicht, ein Shakespearezitat anzubringen, als garantiere sein Ursprung seinen Wert. Dedalus hat geschnallt, daß es sich nicht unbedingt lohnt, auf den Rat Jagos, eines böswilligen, manipulativen Mörders, zu hören. Jedes einzelne Shakespearewort in seinen Stücken wird nun einmal von einer Figur gesagt, nicht vom Dramatiker. Der Mann Shakespeare sagte kein einziges Wort. Na ja, in einem einzigen Sonett natürlich, da legte er los von wegen Sommers Pforten und Des Maien Lieblinge an den Zweigen, aber abgesehen von diesem Titelservice für Romanciers in der ganzen weiten Welt hat Shakespeare persönlich wenig an Sprichwörtern, Axiomen oder Motti zu bieten, die uns das Leben erleichtern könnten. Er war schließlich Künstler und nicht Philosoph oder Werbetexter.
Das hält die Leute aber keineswegs davon ab, ihren Sprößlingen mit dem Finger zu drohen und »Kein Borger sei und auch Verleiher nicht« anzustimmen, mit dem schleimigen Zusatz »Shakespeare«, als wollten sie »Da hast du’s!« sagen. Dabei wird gerne übersehen, daß der Sprecher dieses Satzes die eigentlich komisch-absurde Figur des Polonius ist, dessen Realitätssinn wohl selbst von einem ihm gewogenen Kritiker nur als beschränkt bezeichnet werden kann. Den Rat erteilt er seinem Sohn: Alle Eltern sind verzweifelt darum bemüht, daß ihre Kinder keine Schulden machen; schließlich müssen jene am Ende immer die Rechnung begleichen. Im dramatischen Kontext ist das ein amüsanter Vers, dürfte aber kaum Shakespeares eigene Ansichten wiedergeben.
Die Widersprüche der Leute, die Shakespeare benutzen, um eine These zu bekräftigen, wenn sie in Wirklichkeit Macbeth, Jago, Oberon oder Polonius benutzen, ist noch gar nichts im Vergleich zur Verschrobenheit jener, die auserlesene Bibelpassagen vorzuweisen haben. Im 3. Buch Mose gibt es zum Beispiel ein paar Verse, wo explizit gesagt wird, es sei »ein Greuel«, wenn ein Mann bei einem Manne liege wie bei einer Frau. Das greifen jene Leute dann ganz begeistert auf, die die Verderbtheit der Homosexuellen anprangern wollen. Benachbarte Verse, die mit derselben Inbrunst konstatieren, man solle kein Kleid anlegen, das aus zweierlei Faden gewebt sei, noch sein Haar am Haupt rundherum abschneiden oder seinen Bart stutzen, noch seinem Leibe Zeichen einätzen, noch zweierlei Art unter seinem Vieh sich paaren lassen, werden alle fröhlich ignoriert. Doch das 3. Buch Mose legt fest, daß alle Vorschriften und Verbote zu befolgen sind, vom koscheren Essen bis zum Opfern eines Schafes durch eine Frau (oder zweier Turteltauben, so sie ein Schaf nicht aufzubringen vermöge), wenn nach einer Geburt die Tage ihrer Reinigung um sind. Falls sie übrigens empfängt und einen Knaben gebiert, so soll die Mutter sieben Tage unrein sein; gebiert sie aber ein Mädchen, so soll sie zwei Wochen unrein sein. Bei diesen exzentrischen Befehlen hat man nicht die Wahl, den einen zu befolgen, den anderen aber nicht.
Das Zitieren ist also ein gefährliches Geschäft. Trotzdem sagte ich mir neulich: »Der Strom der menschlichen Geschäfte wechselt. Nimmt man die Flut wahr, führet sie zum Glück.« Ich stand auf einer Badezimmerwaage und beschloß, meinem Herzen einen Stoß zu geben, bevor es zu spät ist. Nachdem ich in der Schule immer als »mager« bezeichnet wurde, habe ich lange gebraucht, um mein Selbstbild als dürres, schlaksiges, staksiges Individuum loszuwerden. In den gelegentlich anfallenden Interviews der letzten Zeit bezieht man sich auf mich zunehmend mit Worten wie »kräftig«, »breit gegürtet« und in einem denkwürdigen Artikel sogar mit »matschweich«. Der Weg meines Bauches von konkav zu konvex war garstig kurz. Optisch und akustisch gleicht mein Körper inzwischen einem Mülleimerbeutel voll Joghurt, und es wird Zeit, etwas dagegen zu unternehmen. Einige unter Ihnen werden jetzt nach ihren Bibeln greifen und die Verse über die Eitelkeit der Priester nachschlagen, und ich befürchte, Sie haben da nicht ganz unrecht. Die einzigen Sporen, die ich meinen Plänen in die Flanken rammen kann, bildet überragender Ehrgeiz. Der Ehrgeiz, daß man mir auf der Straße nicht »Fettsack!« hinterherruft.
Ich habe fünf Wochen Proben und Dreharbeiten für eine Fernsehsendung vor mir und werde daher in diesem Zeitraum meine Kolumne hier unterbrechen. Nach meiner Rückkehr hoffe ich, ranker, schlanker und nicht ganz so wie ein Walfisch auszusehen, wie Polonius sagen könnte. Allerdings kann niemand meine Willenskraft als beeindruckend bezeichnen, also bitte – zitieren Sie mich nicht.