Wie viele Angehörige meiner in Verruf geratenen Generation bin ich wahnsinnig verliebt in Techno-Spielkram aller Art. In jener gefürchteten Ära des Achtziger-Jahre-Kaufrauschs kaufte niemand berauschter als ich. Obwohl wir uns inzwischen weit im »New Age« liebevoller Zuwendung befinden, fällt mir das Aufholen schwer. In moralischen Begriffen ist das, als würde ich mir immer noch mit Gel die Haare zurückkämmen und Bass Weejuns tragen (wovon bekanntlich kein Kind der Neunziger auch nur träumen würde). Na, gestern erst hab’ ich mich dabei ertappt, wie ich in einen Laden auf der Tottenham Court Road gegangen bin und mir einen CDV-Player gekauft habe. Sie wissen nicht, was ein CDV-Player ist? Schämen Sie sich. Das ist eine Art CD-Spieler, der aber eben nicht nur Musik-CDs, sondern auch Bildplatten spielt. Jetzt können Sie sich also Ihren Lieblingsfilm mit kristallklaren Standbildern und digitalem Klang anschauen. Ein großer Schritt für die Menschheit, wie Sie mir sicher beipflichten werden.
Das bedeutet, daß mein Schlummarium, meine Bude, Pofe oder das Zimmer-in-dem-mein-ganzer-Kram-steht, wie ich es bekloppterweise nenne, jetzt fünf nahezu identische Fernbedienungen, fünf dieser handlichen Dingelchen enthält. Eine für den Fernseher, eine für normale CDs, eine für den Videorecorder, eine für den CDV und eine für die HiFi-Anlage. Ach nein, es sind sogar sechs, ich hab’ eine vergessen, die die Einbrecher dummerweise liegenlassen haben, als sie mein altes Videogerät gemopst haben. (Jungs, wenn ihr das nächste Mal vorbeikommt: Sie liegt auf dem Beistelltischchen am Fenster, unter einer im Zorn verunstalteten Ausgabe von Halliwell’s Film Guide. Ich weiß schließlich, wie sehr das nervt, wenn man keine Fernbedienung hat.)
Neben diesem einsamen, selbstlosen Versuch, John Major zu stürzen, indem ich den Boom ausländischer Importe verlängere (denn ob Sie’s glauben oder nicht: Britannien hat keinen einzigen einheimischen CDV-Hersteller aufzubieten, was nun wirklich einem nationalen Skandal gleichkommt) und elektronische Geräte aller Arten und Zwecke anhäufe, genieße ich noch (wie jeder anständige Zeitungskolumnist) das Sammeln der neuesten, hochmodernen Slogans, Schlag- und Reizworte.
Ich war dabei und johlte, als David Steel den wackeren Versuch unternahm, den Begriff »überbogend« ins Wörterbuch des Politmenschen einzuführen; war genauso dabei, als British Rail beschloß, »Passagiere« fürderhin »Bahnkunden« zu nennen; niemand quietschte vor unverhohlenerem Entzücken als ich bei dem Entschluß, Bildung und Verteidigung würden im Wahlkampf definitiv zu »heißen Eisen«.
Vielleicht ist es gar nicht so erstaunlich, daß nur wenige dieser Phrasen aus Japan stammen. Wenn es um leuchtende Neologismen und Euphemismen geht, schauen wir auf Amerika. Während meines letzten Besuchs schnellte ich wie ein laichender Lachs herum, als der gar nicht so untuntige Verkäufer nach meinem Erwerb einer sündhaft teuren Krawatte in einem Laden am Rodeo Drive einnehmend mit seinen kleinen Fingern wedelte und zum Abschied nicht etwa das übliche »Wiedersehn« oder das noch üblichere »Schönen Tag noch« trillerte, sondern diese unsterblichen Worte von sich gab: »Sie fehlen mir jetzt schon!« Wie bitte, ich meine, was? Will sagen, häh??
Der letzte Euphemismus für Behinderte, frisch aus den Vereinigten Staaten – und mir ist bewußt, daß ich mich hier auf vermintes Gelände begebe, dennoch werde ich in die Attacke gehen –, der letzte Euphemismus für Behinderte lautet »körperlich different begabt«. Das Wort »blind« soll, wie Ihnen vielleicht bereits bekannt ist, wo möglich, ab sofort durch »anderssehend« ersetzt werden.
Die Ablehnung des Wortes »schwul«, die, wie die Leserbriefseiten dieser Zeitung wiederholt gezeigt haben, von vielen Zeitgenossen geteilt wird, habe ich nie mitgemacht. Ich weiß, es war ein hübsches Wort, und kein anderes kann es ganz ersetzen, ich weiß, es ist schonungslos entführt und uns schamlos weggenommen worden. Aber wenn wir ehrlich sind, haben wir dafür doch die genauso guten und unersetzlichen Begriffe »Tunte«, »Schwuchtel«, »Homo«, »andersrum« und »warmer Bruder«. Ein gutes Wort für fünf ist doch ein prima Tausch. Das Wort Homosexueller ging als quasi medizinische Definition in Ordnung, aber es ausschließlich zu benutzen wäre, als müßte man jedesmal »Partus« sagen, wenn man Geburt meint. Es ist gut, ein wertfreies Laienwort für eine allgemein bekannte Sache zu haben. Das Problem bei Wendungen wie »anderssehend« ist, daß sie den von normalen Menschen seit Jahren ersehnten Worten wie »blind« den Rücken kehren. »Blind« ist kein Euphemismus, weder abfällig noch kompliziert technisch.
Ich verstehe ja, daß die Lobby der Blinden und Behinderten bei ihren Versuchen, diese neuen Worte einzuführen, nur »positiv« sein will, aber mir schwant, daß hier ein Gesetz der fallenden Profitrate herrscht. Auch »herausgefordert« war ursprünglich ein neues, »positives« Wort, ebenso wie »behindert»; aber die Halbwertzeiten solcher Begriffe werden immer kürzer.
Ich fürchte, auch »different begabt« und »anderssehend« werden in kurzer Zeit obsolet sein. Ungefähr zur selben Zeit wie mein neuer CDV-Spieler, nehme ich an.
Allerdings glaube ich, daß die Entwicklung einer spannenden Alternative zum CDV den Japanern leichter fällt als den Amerikanern die Erfindung eines neuen Wortes für blind.