Die Effizienz der Stiftung: Öffentlich predigt sie Wasser und heimlich trinkt sie Wein

Ein anderes, hausgemachtes Problem der Stiftung verdient einen genauen Blick: ihre Ineffizienz.

Der langjährige Stadtdirektor der Stadt Güterloh, Gerd Wixforth, begab sich nach seiner Pensionierung 1999 fünf Jahre lang fünf Tage in der Woche in die Stiftung, die ihm zur Koordination einer regionalen Beschäftigungsinitiative ein Büro zur Verfügung stellte. Er belegte ein Zimmer neben dem von Werner Weidenfeld und wurde von der regionalen Beschäftigungsinitiative bezahlt. Es war eine lehrreiche Zeit und Wixforth lernte viel über die Stiftung und ihr Innenleben.

Wixforth war einst nach dem Studium zwei Jahre bei einer Unternehmensberatung in Düsseldorf beschäftigt gewesen und hatte über Effizienz in kommunalen Verwaltungen promoviert. Als Kämmerer der Stadt Gütersloh musste er dann erleben, wie Mohn fast bei jeder Gelegenheit davon sprach, wie ineffizient doch Verwaltungen seien. Zugleich wollte er so wenig Geld wie möglich an die Stadt abgeben, sodass Wixforth fast um Steuern betteln musste. Mohn ließ die Steuern runterrechnen, wo es nur ging. Die Verluste der Expansion in den USA wurden so verrechnet, dass das Weltunternehmen Bertelsmann in Gütersloh kaum Steuern zahlte. Durch die Konstruktion der GmbH& Co KG profitierte Gütersloh andererseits kaum von den glänzenden Ergebnissen von Gruner + Jahr. Wixforth fand den Zustand so ärgerlich, dass er mit Zustimmung von Mohn und Wössner nach Hamburg fuhr und mit dem Chef von Gruner + Jahr, Gerd Schulte-Hillen, verhandelte, ob es nicht eine Lösung gebe, die wenigstens ein bisschen Geld in seine Kasse brächte. Doch Wixforth musste mit leeren Händen zurückkehren. Am Ende überredete Wössner Mohn, zwei Millionen Mark zu spenden. Das Geld floss in die Stadtbibliothek.

Als Wixforth dann später direkt in der Stiftung saß, hatte er eigentlich gedacht, er komme zu einer Organisation, die vorbildlich strukturiert sei und effizient und dezentral arbeite – immerhin predigte die Stiftung das hohe Lied der Effizienz und finanziert sich teilweise mit Steuergeldern. Doch nach seinem Gastspiel in der Stiftung hatte Gerd Wixforth von der Effizienz in der Stiftung eine bessere Vorstellung. Das lag nicht daran, dass die Stiftung so gut organisiert war, sondern am genauen Gegenteil. »Ich dachte viele Jahre, die Stiftung sei optimal organisiert, und kam aus dem Staunen nicht mehr heraus, dass die eine Hand nicht weiß, was die andere tut. Das Delegationsprinzip funktioniert in der Stiftung vorne und hinten nicht.« Es gab zu viele Projekte, deren Ergebnisse die wirklich entscheidenden Leute nicht erreichten. »Niemand in einer Verwaltung hat Zeit, Studien zu lesen – ich hab das nie erlebt in einer Verwaltung und das hab ich ihnen gesagt.« Wixforth riet ihnen, direkt an die Entscheider heranzutreten – nicht an die Beamten der mittleren Ebene.

Zu seinem Erstaunen stellte er fest, dass Mohn mit seiner Stiftung öffentlich Wasser predigte und insgeheim Wein trank. Die dezentrale Arbeitsweise, die Mohn im Unternehmen eingeführt hatte und die er als zentrales Thema in der Stiftung für ganz Deutschland als Modell predigte, war in seiner Stiftung nicht verwirklicht worden. Wixforth: »Ich dachte, Bertelsmann sei wirklich das Vorbild, zu dem es sich selbst erhob – im Unternehmen, aber erst recht in der kleineren Stiftung. Plötzlich merkte ich, dass wir in der Stadtverwaltung gar nicht so schlecht strukturiert waren und es hinsichtlich Effizienz durchaus mit der Stiftung aufnehmen konnten.« Wixforth deutet an, dass dies sehr freundlich ausgedrückt sei – in Wirklichkeit waren die Zustände in der Stiftung hinsichtlich Zuständigkeiten und Dezentralität sehr viel schlimmer.

Für jemanden wie Wixforth, dem Mohn dreißig Jahre lang Bertelsmann als Primus vor die Nase hielt und der Mohns Klage über die Ineffizienz der Verwaltung auswendig kannte, war es eine Genugtuung. Er konnte sich seinem Spezialgebiet widmen und er erhielt die Gewissheit, »dass ich als Stadtdirektor effizient war«, wie er sich erinnert.

Bertelsmannrepublik Deutschland: Eine Stiftung macht Politik
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