Arbeitslosigkeit ist kein Schicksal – Die Vorarbeiten der Stiftung zur Arbeitsmarktreform

Die Vorarbeiten zur Reform des Arbeitsmarktes liefen bei der Stiftung seit vielen Jahren. Am 11. und 12. Dezember 1989 hielt die Bertelsmann Stiftung in Gütersloh ein Symposium ab unter dem Titel »Arbeitslosigkeit ist vermeidbar – Wege aus der Arbeitslosigkeit.« Zu den Praktiken und Strukturen der Arbeitsvermittlung dürfe es »kein Tabu« geben, betonte Hans-Dieter Weger, der damalige Geschäftsführer der Stiftung. Wenige Wochen vor dem Symposium war die Mauer in Berlin gefallen und Kurt Biedenkopf sprach als Vorsitzender des Beirats der Stiftung, damals das leitende Gremium, in seinem Referat von »tiefgreifenden Veränderungen« durch eine Währungsunion im Osten, aber auch im Westen.

Biedenkopf kam auch auf Reformen des Arbeitsmarktes zu sprechen. In seinen Äußerungen waren bereits die Grundzüge der späteren Arbeitsmarktreform enthalten: »Die Mehrheit, so hat es den Anschein, neigt dazu, die Einlösung ihrer sozialstaatlichen Verpflichtungen gegenüber den Arbeitslosen auf finanzielle Zuwendungen zu beschränken. Die gewährte soziale Absicherung der Arbeitslosen durch staatliche oder staatlich organisierte Leistungen beruhigt das Gewissen der Gesellschaft. Sie minimiert die Bereitschaft zur möglichen Innovation und zur Initiative bei den Arbeitslosen selbst. Entgegen ständiger öffentlicher Appelle von Regierungen, politischen Parteien und Gewerkschaften ist offenbar niemand bereit und in der Lage, allen Beteiligten und Verantwortlichen Maßnahmen und Konsequenzen zuzumuten, welche eine grundlegende Besserung auf dem Arbeitsmarkt bewirken könnten.«2

Biedenkopf forderte, die Politik müsse entscheiden, »ob und in welchem Umfang Arbeitslosenhilfe mit der Verpflichtung verbunden werden kann, eine zugewiesene Arbeitstätigkeit zu übernehmen oder auf andere Weise an öffentlich organisierten Arbeitsprogrammen teilzunehmen«. Fordern, öffentlich organisierte Arbeitsprogramme, Arbeitspflicht – die Wortwahl mag sich von Hartz IV unterscheiden, aber ähnliche Grundgedanken sind offenkundig.

Die Bertelsmann Stiftung war gewiss nicht der einzige Platz, an dem solche Argumente ausgetauscht wurden, aber es war ein wichtiger Platz, weil die Stiftung Zugang zu Politikern hatte und sie versammeln konnte. 1996 schrieben Reinhard Mohn und Stefan Empter, der damalige Leiter des Bereichs Gesellschaftspolitik der Stiftung, in einem gemeinsamen Text: »Im Rahmen des mehrjährigen Projektes ›Beschäftigungspolitik im internationalen Vergleich‹ der Bertelsmann Stiftung ist es gelungen, die komplexen Wirkungsgefüge auf dem Arbeitsmarkt zu analysieren, die strategischen Steuerungsparameter zu identifizieren und hieraus die ordnungspolitischen Leitlinien für überfällige Kurskorrekturen abzuleiten.« So war auch das Ziel des Carl Bertelsmann-Preises 1995, am Beispiel der beschäftigungspolitischen Erfolge eines europäischen Landes zu demonstrieren, dass der Arbeitsmarkt in viel größerem Maße steuerbar sei, als es bisher angenommen wurde.

Die Vergabe des Preises an Portugal begründeten Empter und Mohn mit den Worten, Portugal sei ein überzeugendes Beispiel dafür, dass eine gezielte politische Umsteuerung des Arbeitsmarktes auch in schwierigen Beschäftigungssituationen möglich ist. Mohn zufolge habe der Preis folgende Botschaft: »Arbeitslosigkeit ist kein Schicksal! Ihre Bekämpfung ist zu unser aller Verantwortung geworden! Wir müssen aus den Fehlern der Vergangenheit lernen und den Mut haben, neue Wege zu beschreiten!« Nach dem Regierungswechsel 1998 war es in Deutschland so weit.

Bertelsmannrepublik Deutschland: Eine Stiftung macht Politik
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